In Görlitz die Gegenwart hinter sich lassen
Görlitz, 18. September 2015. Von Thomas Beier. Mit dem wunderschön doppeldeutigen Spruch "Come to Goerlitz … and leave the present behind!" wirbt die Website www.goerlitz.site für einen Besuch in der Neißestadt. Gehostet wird die Seite in Panama, was die Internationalität von Görlitz nur unterstreichen und sie weiter befördern kann.
Abbildung: Aufgenommen vom früheren Wilhelmstheater, heute City Center. Links C&A, ehedem Standort des Cafés Posteck und der Taverne. Rechts die Frauenkirche Görlitz, gestern, heute, morgen.
Und was lässt Du hinter Dir?
Zunächst sollten wir jedoch für die Neißebürgerinnen und -bürger eine möglichst korrekte Übersetzung des Slogans "Come to Goerlitz … and leave the present behind!" anstreben - zu intensiv ist die Erinnerung daran, welch Desaster eine Geruchseinzelhandelskette mit "Come in and find out" erlebte: Anstelle mal reinzukommen und rauszufinden, ob man seinen persönlichen Körpergeruch besser durch einen anderen überlagern sollte, fühlten sich die ersehnten Konsumenten aufgefordert, reinzugehen und wieder rauszufinden. Naja, Englisch ist halt schwieriger als wie man denkt.
Aber genau diese Gefahr droht der Görlitz Site: Dem flüchtig englischgebildeten Germanen (an den sich die Seite allerdings wohl eher nicht richtet) könnte die Übersetzung "Komm nach Görlitz und lass ein Geschenk dahinten!" durchaus schlüssig erscheinen. Das wäre freilich auch eine Art von Willkommenkultur, ganz in der Tradition der Schenkerbewegung. Viele einfache Menschen können sich nun mal nicht besser ausdrücken oder nicht nur relativ, sondern eben auch absolut nur sehr wenig verstehen, was man ja wohl noch sagen dürfen wird. Aber ein Geschenk zu bekommen, das versteht jeder.
Quo vadis, Görlitz? Zurück oder vorwärts auf der Timeline?
Selbst die vermutlich angestrebte Übersetzung "Komm nach Görlitz und lass die Gegenwart hinter Dir!" birgt zwei Interpretationen.
Einmal die eingefahrene und gern verkündete Görlitz-Identität: Wer nach Görlitz kommt, lässt die Gegenwart hinter sich und macht eine Reise in die Vergangenheit. Alte Häuser, historische Persönlichkeiten, Sagen und Geschichten begegnen dem Touri auf Schritt und Tritt. Immer wieder nebst dem zugehörigen Personal, das sich ebenfalls noch auf dem Weg in die Gegenwart befindet, falls es schon losgelaufen ist. Es ist zu befürchten, dass so mancher von einer jungen Generation abgelöst wird, noch ehe er die Gegenwart erreicht hat. Das ist halt so, das nennt man den Sprung in eine neue Qualität.
Die andere, sich erst jüngst und zaghaft entwickelnde Görlitz-Identität ist es, in Richtung Zukunft zu denken, was ja auch ganz gut aus der Gegenwart raushilft. Lass uns eine Zukunft bauen! - das ist, gerade für Jüngere, ein Gedanke, der weit mehr fasziniert als ein Abstecher in eine Vergangenheit, in der die Messen längst gesungen sind. Ganz nach Albert Einstein: "Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben." *) Oder wie das "Georgia" Lied von Klaus Hoffmann, das mich immer an Görlitz denken lässt.
Die goerlitz.site steht noch am Anfang, da ist auf viel mehr zu hoffen.
*)
Zitiert aus dem brillianten Jüdischen Kalender:
Der Jüdische Kalender
Fünftausendsiebenhundertsechsundsiebzig
2015-2016
33. Auflage, erschienen im Ölbaum Verlag, Augsburg,
280 Seiten, 18 Euro.
ISBN 978-3-927217-82-9
Herausgegeben von Henryk M. Broder und Hilde Recher.
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- Quelle: Thomas Beier | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 18.09.2015 - 10:59Uhr | Zuletzt geändert am 18.09.2015 - 21:48Uhr
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