Tipp: Der Laden
Bohsdorf, 7. April 2015. Von Thomas Beier. Es ist einer jener besonderen Orte, die dem Besucher unter die Haut gehen – insofern man sein Wissen damit verknüpfen kann: Strittmatters Laden in Bohsdorf, eine reichliche Autostunde nördlich von Görlitz unweit der B 115. Wer sich auf Spurensuche begeben mag, wird hier fündig.
Zugang finden zu Strittmatter
Thema: Woanders
"Woanders" – das ist das Stichwort, wenn der Görlitzer Anzeiger auf Reisen geht und von Erlebnissen und Begegnungen "im Lande anderswo" berichtet. Vorbildliches, Beispielhaftes und Beeindruckendes erhält so auch im Regional Magazin seine Bühne.
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Ähnlich Günter Grass gehört der in Spremberg/Grodk geborene deutsch-sorbische Schriftsteller Erwin Strittmatter zu jenen, die mit ihren gebrochenen Biografien mehr über Geschichte vermitteln als so manche Geschichtsstunde.
Im heute zur südbrandenburgischen Gemeinde Felixsee gehördenden Bohsdorf verbrachte er seine Kindheit. Hier hatten seine Eltern einen Laden nebst Bäckerei, der heute mit dem zugehörigen Hof vom örtlichen Erwin-Strittmatter-Verein e.V. als Museum zugänglich gemacht wird.
Wer mit Strittmatters Literatur aufgewachsen ist, findet in Bohsdorf Zugang zu Erinnerungen und neuen Sichtweisen auf den "DDR"-Vorzeigeschriftsteller, alter Sozialdemokrat, aber nie Mitglied der SED (heute Linkspartei). Seine Bücher - vom Erstlingswerk "Ochsenkutscher" (1950) über "Tinko" (1954) und "Der Wundertäter" (1957), "Pony Pedro" (1959), "Ole Bienkopp" (1963) und, neben vielen weiteren Werken nicht zu vergessen, "Der Laden" (1983 bis 1992) haben Generationen beeinflusst. Die Trilogie "Der Laden" wurde 1998 von Regisseur Jo Beier verfilmt.
Widersprüche in Strittmatters Leben
1940 hatte Stritttmatter den Eignungstest der Waffen-SS, die damals nur Freiwilligige aufnahm, bestanden, war jedoch als Facharbeiter in der Thüringischen Zellwolle AG in Schwarza unabkömmlich für Kriegszwecke. Diese gesundheitsgefährdende Arbeit dürfte ein starkes Motiv gewesen sein, um jeden Preis "hier raus" zu kommen und sich bei der damals modernsten Truppe zu bewerben. Erst im Folgejahr wurde Strittmatter in eines der berüchtigten Polizeibataillone einberufen. Dieses wurde später der Waffen-SS unterstellt - SS-Mann war Strittmatter aber nie. Seinen Einsatz im Krieg hatte Strittmatter über Jahrzehnte verschwiegen und sich auf seinen Einsatz als Kompagnieschreiber berufen.
In seiner Zeit als Stasi-IM, die von 1958 bis 1964 dauerte, hat Strittmatter kurz nach dem Bau der Berliner Mauer die Verhaftung von Günter Grass auf "DDR"-Territorium verhindert; ob bewusst oder zufällig, bleibt offen. Die Ausbürgerung des Schriftstellers Reiner Kunze in den siebziger Jahren befürwortete der in der "DDR" mit Preisen und Orden hochdekorierte Schriftsteller. Allerdings muss angemerkt werden, dass seine Werke von der SED auch argwöhnisch-kritisch gesehen wurden.
Seine dritte Ehefrau war die bedeutende Lyrikerin Eva Strittmatter, die jedoch stets hinter ihrem berühmten Mann zurücksteckte. Eva Strittmatter kümmerte sich um die Kinder und den Hof, den Strittmatter 1954 in Schulzenhof (heute Gemeinde Stechlin) gekauft hatte und hielt ihrem durchaus eigensinnigen Mann den Rücken frei.
Fotoausstellung
In einem der Hofgebäude des Ladens werden aktuell Fotos gezeigt, die das Leben von Erwin und Eva Strittmatter zeigen. Es sind Bilder, die von Nähe zeugen, sich aber in das vorgeprägte Strittmatter-Bild vom Schriftsteller und Pferdezüchter einfügen. Mehr vom Leben des Ehepaars Strittmatter verraten die kurzen Texte zu den Bildern.
Prädikat: Unbedingt hingehen!
Der Laden
Erwin-Strittmatter-Verein e.V.
Dorfstraße 35, 03130 Felixsee OT Bohsdorf
(dem Schild an der B 115 in Bohsdorf folgen)
Geöffnet:
Montags geschlossen, dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr.
Von Dezember bis Februar bleibt geschlossen, Terminabsprache, sind aber möglich.
Mehr:
Erwin-Strittmatter-Verein e.V., Veranstaltungstermine und mehr über Bohsdorf und Felixsee
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- Quelle: Thomas Beier | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
- Erstellt am 07.04.2015 - 06:28Uhr | Zuletzt geändert am 23.01.2022 - 11:05Uhr
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