Kirche im Wandel: Warum die Kirchen junge Menschen verlieren
Görlitz, 23. Mai 2025. Immer mehr Menschen treten aus der evangelischen und katholischen Kirche aus – besonders auffällig ist dieser Trend bei jungen Erwachsenen. Auch in Görlitz zeigt sich: Die Kirchen verlieren nicht nur Mitglieder, sondern auch gesellschaftliche Bindungskraft. Während frühere Generationen selbstverständlich im kirchlichen Kontext aufwuchsen, fragen sich viele Jüngere, welchen Platz Kirche noch in ihrem Leben einnehmen soll. Für Gemeinden stellt sich die Herausforderung, wie Glaube heute relevant und zugänglich bleiben kann.
Kirchenaustritt als Generationsfrage: Die Statistik junger Austretender
Die Statistik ist eindeutig: 2023 verließen bundesweit über 900.000 Menschen die beiden großen Kirchen – so viele wie nie zuvor. Besonders stark betroffen sind die Altersgruppen zwischen 18 und 35 Jahren. Auch Görlitzer Gemeindebüros und Meldestellen registrieren einen anhaltenden Rückgang bei jungen Mitgliedern. Der Kirchenaustritt ist dabei meist mehr als eine bürokratische Entscheidung – er markiert häufig das Ende einer stillschweigenden Entfremdung.
Dabei ist es nicht nur der Verlust an Gottesdienstbesuchern, der die Gemeinden beschäftigt. Es geht auch um die Frage, welche gesellschaftliche Rolle Kirche künftig noch spielen kann, wenn sie von einem wachsenden Teil der Bevölkerung als bedeutungslos erlebt wird. In Görlitz schrumpfen einige Jugendgruppen, während Konfirmandenunterricht und Firmvorbereitung für viele zur einmaligen Pflichtveranstaltung geworden sind.
Zwischen Misstrauen und Bedeutungslosigkeit: Kritikpunkte an der Kirche
Die Gründe für den Austritt sind vielfältig: Viele junge Menschen erleben die Kirche als institutionell, fern ihres Alltags und mitunter moralisch widersprüchlich. Wiederholte Missbrauchsskandale, konservative Haltungen zur Gleichstellung und Sexualität oder eine als autoritär empfundene Struktur führen zu wachsender Distanz. Auch die Sprache der Kirchen erreicht viele nicht mehr – sie wirkt formelhaft und unverständlich.
Ein weiterer Faktor: Religiöse Sozialisation im Elternhaus nimmt ab. Wo früher Gebet, Kirchgang oder biblische Geschichten zum Alltag gehörten, ist heute oft keine persönliche Verbindung zur Kirche mehr vorhanden. Für viele wird Religion dadurch zu etwas Fremdem – einer Option unter vielen, die ohne emotionale Bindung keinen Platz im eigenen Leben findet.
Neue Wege zum Glauben: Wie moderne Formate junge Menschen erreichen
Trotz dieser Entwicklung gibt es kreative Ansätze, Glauben neu zu vermitteln. In evangelischen und katholischen Jugendkreisen werden etwa Musikabende, offene Gesprächsrunden und Kulturveranstaltungen organisiert, die den kirchlichen Raum für junge Menschen wieder erfahrbar machen. Ziel ist nicht die Rückkehr zur Tradition, sondern das Angebot neuer Formen von Gemeinschaft.
Auch außerhalb klassischer Strukturen entstehen neue Ausdrucksformen religiöser Identität: Christliche T-Shirts mit Bibelzitaten oder Kreuzsymbolen, Social-Media-Accounts mit Glaubensimpulsen oder Podcasts über Spiritualität sprechen eine Sprache, die näher an der Lebenswelt junger Menschen liegt. Sie ersetzen keine Gemeindearbeit, bieten aber niedrigschwellige Zugänge – oft ohne religiösen Zwang.
Zukunft gestalten: Perspektiven für eine zeitgemäße Kirche
Langfristig wird es darauf ankommen, wie offen die Kirche auf gesellschaftliche Veränderungen reagiert. Neue Formate wie partizipative Gottesdienste, spirituelle Workshops oder offene Kirchenräume können helfen, Schwellenängste abzubauen. Eine weitere Möglichkeit ist es, jungen Menschen mehr Mitspracherecht in kirchlichen Gremien zu geben – etwa durch Jugendvertretungen mit Stimmrecht.
Auch Kooperationen mit Schulen, Kultureinrichtungen oder sozialen Projekten eröffnen neue Wege, Kirche als Ort für Engagement, Dialog und Sinnsuche zu erleben. Entscheidend wird sein, Glauben nicht mehr nur zu predigen, sondern gemeinsam zu gestalten – mit denen, die bisher kaum noch gefragt wurden.
Der Rückzug junger Menschen aus der Kirche ist der Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels. Doch wo Bindungen verloren gehen, können auch neue Verbindungen entstehen – wenn Kirche sich als offener Raum für Fragen, Zweifel und neue Formen von Spiritualität begreift. Zwischen Tradition und Aufbruch liegt die Chance auf eine zeitgemäße Glaubenskultur.



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- Erstellt am 22.05.2025 - 22:45Uhr | Zuletzt geändert am 23.05.2025 - 09:20Uhr
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