Im Land der Neider

Im Land der NeiderGörlitz, 15. Oktober 2022. Von Thomas Beier. Angesichts der in Aussicht gestellten Gaspreisbremse war sie wieder einmal sofort zur Stelle: die Neiddebatte. Sie erzeugt das Bild von einsamen Villenbewohnern, die ihren Reichtum nicht einmal dafür verwenden, die protzige Hütte mit einer Wärmedämmung zu versehen, aber von der Gaspreisbremse ob ihres überdurchschnittlichen Verbrauchs stärker profitieren als ein Zweieinhalb-Zimmer-Mieter.

Abb.: Was bekommt der Nachbar schon wieder Neues geliefert? Wieso hat der so viel Gled?
Symbolfoto/Montage: Gerd Altmann, Pixabay License (Bild bearbeitet)
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Wohlstand durch Umverteilung?

Überhaupt, so wünschen viele, sollen "die Reichen" stärker belastet werden, um damit die Armen – gern wird das Bild der alleinerziehenden Mutter bemüht – besser zu unterstützen. Dass Gutverdienende einen höheren Anteil ihres Einkommens als Steuern entrichten, als gesetzlich Versicherte höhere Beiträge Sozialversicherungssysteme einzahlen, andererseits bei bestimmten Leistungen – wie dem Bafög für ihre studierenden Kinder – außen vor bleiben, fällt tunlichst unter den Tisch. Man sieht: So einfach ist es nicht.

Denkt man zu Ende, wer die Verantwortung für die eigenen, ganz persönlichen Lebensumstände trägt, dann ist immer ein mehr oder weniger großes Stück Selbstverantwortung im Spiel. Die Freiheit, sein Leben weitestgehend nach eigenem Gusto zu gestalten, bedeutet ja nicht, dass andere den sich infolge einstellenden Lebensstandard auf einem Mindestniveau garantieren müssen. Ganz deutlich: Wer lebenslänglich um Bildung einen Bogen macht, wer sich lieber als Aussteiger statt als Berufseinsteiger sieht oder sich traditionellen Familienstrukturen entzieht, muss die damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen.

Doch genau darauf stellt die Bundespolitik nicht ab. Das "Bürgergeld" – so, wie es kommen soll – motiviert die betroffenen Kreise nicht, gegen die Kalamitäten des eigenen Lebens vorzugehen. Es ist vielmehr eine ausgesprochen freundliche Einladung, sich den von Karl Marx so bezeichneten "Qualen der Arbeit" zu entziehen.

Lohn vergütet Leistung, nicht Wunschdenken

Es ist schon paradox: Da wird der gesetzliche Mindestlohn mit einem Schlag um rund 15 Prozent angehoben – was bei den Arbeitgebern übrigens eine Lohnspirale nach sich zieht, zu deren Finanzierung es kein Sondervermögen gibt – und dann wird gejammert, dass die Preise steigen. Keine Frage: Jeder soll bei Vollbeschäftigung von seinem Lohn leben können, andererseits ist es die mit Abstand unsozialste Lösung, wenn Arbeitsplätze vernichtet werden, weil Unternehmen die Lohnkosten nicht mehr aufbringen können.

Viel zu wenig wird gefragt, warum die sogenannten Besserverdienenden für ihre Arbeit tatsächlich mehr Geld erhalten als andere. Einer der Punkte dabei ist etwa Führungsverantwortung: Wer Mitarbeiter führen muss, kennt die damit verbundene Last. Und mancher, der neiderfüllt gegen "die Millionäre" schießt, vergisst darüber, dass im privatwirtschaftlichen System Vermögen Voraussetzung für Investitionen und Arbeitsplätze ist.

Sich an den Erben bedienen?

Klar kann man große Vermögen weitgehend enteignen und dem Staat übertragen. Das wird ernsthaft gefordert, etwa, wenn es um Erbschaften geht. Im Fokus stehen dabei beispielsweise Unternehmenserben, die stärker belastet werden sollen. Allerdings gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Wert eines gewachsenen Unternehmens und der Zahlungsfähigkeit der Erben, mögliche Folge: Das Unternehmen kommt unter den Hammer und die soziale Funktion als Arbeitgeber ist futsch.

Und wozu sollen die Einnahmen aus einer höheren Erbschaftssteuer verwendet werden? Wie immer gibt es zur Verteilung von Geld besonders kreative Ideen. Hier ist es das "Grunderbe", ein Geschenk an jeden 18-Jährigen in Höhe von 20.000 Euro. Wäre das nicht ein schöner Anreiz, sich erst einmal zurückzulehnen und den weiteren Lebensverlauf mit dem Bürgergeld zu gestalten? Bitte nicht, denn die Grenzen freien Handelns sind schnell erreicht, wenn andere für die eigenen Entscheidungen einstehen sollen.

Krankenversicherung: Wer ist denn da solidarisch?

Vorurteile und Neid bestimmen viele Lebensbereiche. In der Krankenversicherung sind es die Privatversicherten, die angeblich die Vorteile einer "Zwei-Klassen-Medizin" genießen und sich der Solidargemeinschaft entziehen. Aber eigentlich sind ja die Privatversicherten solidarisch mit den gesetzlich Versicherten: Das private System finanziert sich selbst, während die Aufwendungen für die gesetzlich Versicherten staatlich bezuschusst werden müssen – auch aus den Steuerzahlungen der Privatversicherten!

Wer dafür argumentiert, die Private Krankenversicherung (PKV) in die Gesetzliche (GKV) zu überführen, verlangt damit, ein wirtschaftlich funktionierendes System in ein defizitäres zu integrieren – herzlichen Glückwunsch! Grundgedanke der PKV ist es, dass jeder sein persönliches Risiko je nach angebotenem Tarif im gewünschten Umfang absichert. Weil mit zunehmendem Alter die Kosten steigen, kann im Alter der Punkt erreicht werden, an dem die Beiträge zur finanziellen Belastung werden. Dann kann der Wechsel aus der Privaten in die Gesetzliche Krankenversicherung attraktiv werden.

Von der PKV in die GKV – eine Sachfrage

Im Grunde sind die im Alter ansteigenden Beiträge der PKV kein Problem, wenn man in der Zeit der sehr günstigen Beiträge Geld dafür zurückgelegt hat oder beispielsweise als Unternehmer das Alterseinkommen hoch ist. Andererseits gibt es Lebensumstände, die im Alter die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung nahelegen. Eigentlich hat der Gesetzgeber dem einen Riegel vorgeschoben und verwehrt in aller Regel den Wechsel von der Privaten Krankenversicherung in die Gesetzliche Krankenversicherung ab dem Alter von 55 Jahren.

Wer nun meint, das sei auch richtig so, man könne ja nicht erst von den Vorteilen der Privaten Krankenversicherung profitieren, um dann im Alter in die "Solidargemeinschaft" zurückzukehren, hat nicht ganz recht: Wie geschildert hat der Privatversicherte den gesetzlich Versicherten mit seinen Steuern gesponsert. Die Beitragsentlastung für Rentner dürfte bei der Rückkehr ins gesetzliche System mangels ausreichender Vorversicherungszeiten ebenso verspielt sein wie die Beitragsrückstellungen der privaten Kasse für die Altersentlastung.

Unter bestimmten Umständen ist auch für jene, die älter als 55 Jahre sind, der völlig legale Wechsel von der Privaten Krankenversicherung in die Gesetzliche Krankenversicherung möglich. Die detaillierte Beratung dazu geht an dieser Stelle allerdings zu weit, Ansprechpartner können beispielsweise Steuer- oder Rechtsberater sein, die sich in diesem Thema auskennen.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto/Montage: geralt / Gerd Altmann, Pixabay License (Bild bearbeitet)
  • Erstellt am 15.10.2022 - 17:42Uhr | Zuletzt geändert am 15.10.2022 - 18:31Uhr
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