Freie Stellen und Arbeitslosigkeit: Wie passt das zusammen?
Görlitz, 5. November 2021. Der sogenannte Fachkräftemangel, also die Nachfrage nach Mitarbeitern mit einer bestimmten Qualifikation, ist auch in der Oberlausitz unbenommen, doch ein soziales Problem löst er nicht: Die meisten, die einen Arbeitsplatz für den Erwerb des Lebensunterhalts suchen, gehören nicht zum erlauchten Kreis der begehrten Fachleute, sondern besitzen Qualifikationen, die kaum noch gefragt sind.
Qualifikationen für den Arbeitsmarkt entscheidend
Auf den ersten Blick erscheinen die Verhältnisse unerklärlich: Dem Heer der Arbeitslosen stehen sehr viele freie Stellen gegenüber. Ja, mancher Arbeitslose muss sich auf dem Arbeitsamt – sorry, in der Arbeitsagentur – fragen lassen: "Wieso sitzen Sie hier? Wir haben 4.000 freie Stellen!" Das zeigt: Das Problem liegt weit tiefer. Noch nach der Jahrtausendwende träumten für die neue Zeit unqualifizierte, wenn auch beileibe nicht unerfahrene Arbeitnehmer davon, wieder wie zu "DDR"-Zeiten im Schichtbetrieb als Anhängsel einer Maschine zu arbeiten – die untergegangene Textilindustrie lässt grüßen!
Tatsächlich erwarten die Unternehmen heutzutage, salopp gesagt, perfekt für einen bestimmten Arbeitsplatz vorqualifizierte Arbeitnehmer, -innen natürlich auch. Dass das großenteils Träumerei ist, versteht wohl jeder. Außerdem ist die mangelnde Qualifikation eines Bewerbers die Voraussetzung dafür, einen gewissen Einarbeitungsaufwand zwecks Erheischung von Fördermitteln geltend zu machen.
Teufelsdreieck aus geringer Motivation, geringe Qualifikation und geringer Flexibilität
Nun kann man zwar sagen, dass sich jeder qualifizieren lassen kann, Arbeitslose sogar auf Amtskosten. Dennoch ist die dadurch erreichte formale Qualifikation oftmals das Geld nicht wert, das sie gekostet hat. Anders gesagt: Es gibt ein Heer von Arbeitslosen, das trotz aller Bemühungen den Anforderungen der Arbeitgeber nicht gerecht wird. Das erklärt, warum an diesen Arbeitslosen trotz des scheinbaren Bedarfs an Personal eben überhaupt keine Bedarf besteht.Den Betroffenen ist mit erworbenen Scheinqualifikationen, die zwar per Schein in Form eines Zertifikats attestiert werden, aber nicht praxisrelevant sind, allerdings nicht geholfen – und je länger die Arbeitslosigkeit andauert, umso schwieriger wird der angestrebte Wiedereinstieg in das Berufsleben, von "Sozial-Junkies" gar sprach weiland im Görlitzer Anzeiger der um drastische Worte nie verlegene Fritz R. Stänker.
Hier zeigen sich die Grenzen von Initiativen, die den passgenauen (Wieder)Einstieg in das Berufsleben befördern wollen: Wer den Anforderungen der Arbeitgeber nicht gerecht wird, bekommt kaum eine Chance, wieder Fuß zu fassen. Das Problem: Ist die Fähigkeit, beschäftigt zu werden, erst einmal verloren gegangen, kann sie kaum wiederhergestellt werden.
Wer jemals Langzeitarbeitslose in eine neue Anstellung vermitteln wollte, der weiß, wie mühsam dieses Geschäft ist. Anstelle froh zu sein, wieder in das Arbeitsleben einsteigen zu können und das als Ausgangspunkt für eine neue, bessere Lebensqualität zu sehen, wird von vielen Betroffenen eine ganze Reihe von Argumenten angeführt, warum man die gebotene Stelle nicht annehmen könne. Das sollte man nicht vorschnell beurteilen, dass sich so mancher in der Langzeitarbeitslosigkeit eingerichtet hat, ist aber nicht von der Hand zu weisen.
Arbeitsplätze ohne formalen Ausbildungsanspruch
Der Wandel in der Arbeitswelt bringt es mit sich, dass bestimmte Berufsausbildungen und -erfahrungen heute nicht mehr gefragt sind. Wer schon immer Qualifizierung und Umschulung gescheut hat, braucht sich über geringe Chancen am Arbeitsmarkt nicht zu wundern. Andererseits gibt es Tätigkeitsfelder, die eine Anstellung in Arbeit ohne Ausbildung finden lassen – nur ist mancher, dessen Ausbildung veraltet ist, zu stolz dafür. Aber was ist denn ehrenrührig daran, etwa als Kundenberater, Kommissionierer oder Fahrer – allesamt Tätigkeiten, die man ohne einen entsprechenden Berufsabschluss ausüben kann, zu arbeiten?Sicher ist die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz schwierig: Arbeitsbedingungen und Entlohnung entsprechen oft nicht den Erwartungen, besonders bei fehlenden Qualifikationen. Dennoch ist der Umstand, überhaupt einen Arbeitsplatz zu haben, ein entscheidender Faktor bei der Sozialisierung und gegebenenfalls das Sprungbrett für eine berufliche Karriere.
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- Quelle: TEB | Foto: Louis / loufre, Pixabay License
- Erstellt am 05.11.2021 - 14:55Uhr | Zuletzt geändert am 05.11.2021 - 15:41Uhr
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