Unternehmer sollten Trends der Coronazeit nutzen

Unternehmer sollten Trends der Coronazeit nutzenGörlitz, 2. Dezember 2020. Von Thomas Beier. Als Unternehmensberater bekomme ich gelegentlich die Frage gestellt, welche Trends die Coronazeit mit sich bringt und wie diese von Unternehmen, Herstellern oder Händlern, genutzt werden können. Wenn man die Suchmaschinen des Internets nach den "Trends in der Coronazeit" befragt, wird man nicht unbedingt schlauer. Wie so oft hilft nur selbst darüber nachzudenken, was wahrscheinlich ist und was eher unsicher.

Den Einzelhandel wird es auch nach Weihnachten noch geben. Doch was wird gefragt sein? Wie können sich Hersteller und Händler mittelfristig orientieren?
Symbolfoto: Steve Buissinne, Pixabay License
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Corona schafft neue Bedürfnisse

Einer der Trends, die höchst widersprüchlich prophezeit werden, ist das Sozialverhalten der Menschen. Die einen sagen, die Menschen werden nach Corona ihrer Sehnsucht nach Nähe verstärkt freien Lauf lassen und viel ausgehen, die anderen meinen, das “social distancing” werde weiterwirken. Wenn Sie mich fragen, kommt meine Antwort in reiner Körpersprache: Schulterzucken.

Was ich aber glaube ist, dass Corona bestehende Trends beschleunigt. Ein solcher ist das Verschmelzen von Berufs- und Privatleben. Das mache ich seit Jahrzehnten selbst und kann gut damit umgehen, muss aber zugleich davor warnen, weil das nicht jedermanns Sache ist. Viele brauchen echte Freizeit, sowohl für sich selbst als auch etwa für die Familie, die selbstverständlich erwartet, dass es Zeiten gibt, in denen man sich ihr uneingeschränkt widmet. Auch wer Freunde hat, die feste Arbeitszeiten haben, wer berufsfremden Hobbys frönt oder im Sportverein aktiv ist, braucht notwendigerweise klare Auszeiten vom Arbeitsleben.

Ein anderer Trend, den ich für wahrscheinlich halte – immerhin hat sich meine Corona-Herbstprognose Szenario 2 im Zittauer Anzeiger vom 6. Mai 2020 bestätigt – ist das Cocooning. Dieses sich zurückziehen in den Kokon der eigenen Wohnung oder des eigenen Hauses ist ein seit vielen Jahren anhaltender Trend, mit dem sich Menschen instinktiv einer immer komplexer werdenden Welt mit immer neuen Herausforderungen zu entziehen versuchen. Ausführlich hatte ich am 19. März 2020 darüber im Görlitzer Anzeiger geschrieben, als die erste Welle der Corona-Pandemie zu Veranstaltungsabsagen und Schließungen führte.

Verbraucherbedürfnisse geben Orientierung

Mir wäre es in diesem Zusammenhang viel zu simpel, eine Empfehlung in Richtung Online Handel abzugeben. Der erlebt zwar dank Corona gegenwärtig einen Boom, das heißt aber nicht, dass der ...zigste Online Shop damit automatisch ebenfalls erfolgreich ist. Erfolgversprechender scheint mir, an den sich verändernden Bedürfnissen der Verbraucher anzusetzen – und da gehört das Cocooning nun einmal zu den Megatrends.

Das Cocooning führt in mehrfacher Hinsicht zu neuen Bedürfnissen. Vermutlich spielt dabei eine Rolle, dass die Corona-Pandemie vielen die Endlichkeit des Erdendaseins stärker ins Bewusstsein gerückt hat, verbunden mit der Erkenntnis, dass man sein erspartes Geld auf die letzte Reise nicht mitnehmen kann. "Lebe immer first class, sonst tuns deine Erben!", ist als Bonmot so falsch nicht und für viele gilt: "Wozu das dicke Bankkonto? Jetzt wird gelebt!" – Sprich: konsumiert, zumal niemand weiß, wie sich der Wert des Geldes entwickeln wird. Manche sagen eine Deflation voraus, andere eine Inflation, mit deren Hilfe Vater Staat von seinen Corona-Schulden herunterkommen und zugleich die hohen Spareinlagen der Bürger abschmelzen würde. Schaut man sich Zukunftsszenarien an, erscheint Letzteres durchaus wahrscheinlich.

Zwei Trends in Handel

Prognostizieren lassen sich im Vormarsch des Cocooning zwei Trends für den Handel, die ganz unabhängig von den Schwierigkeiten stationären Handels verlaufen. Einerseits kann man darauf spekulieren, dass mehr Ersatzbeschaffungen in höherer Qualität getätigt werden: Da wird vielleicht der Küchenherd durch diesen total schicken aus Italien ersetzt oder die eher traditionell eingerichtete Küche wird zugunsten einer hochmodernen Kochinsel umgekrempelt. Ein noch größerer Fernseher, ein Riesensofa für das Wohnzimmer oder die Totalrenovierung des Bades oder gar dessen Verlagerung mitten in den Wohnbereich passen ebenfalls in diesen Trend.

Andererseits, so eine weitere Annahme, werden Konsumgüter gekauft, die viele ohne den Cocooning-Trend nie erworben hätten. Wer nun mehr Zeit zu Hause verbringt, hat besonders als Eigenheimbesitzer viele Möglichkeiten, dem Handel ein Umsatzplus zu bescheren, etwa mit einer Hängematte für den Garten oder mit einem Wintergarten – in dem sich eine Hängematte übrigens auch gut macht. Gefördert wird das Cocooning übrigens auch vom Home Office, dass seinerseits Investitionen erfordert, wenn es kein Provisorium bleiben soll.

Cocooning leben

Cocooning bedeutet, sich zu Hause möglichst viele angenehme Lebenswelten zu schaffen, vom Musikzimmer mit eigener Bibliothek über eine Heimkino-Anlage – möglichst im separaten Vorführraum – bis zur exzellent ausgestatteten Hobby-Werkstatt, vom durchgestylten Garten bis hin zum exklusiven Pavillon mit eigener Gartenküche oder zur eigenen Sauna. Selbstverständlich gehört auch ein Home Office, vielleicht wirklich zutreffender Arbeitszimmer genannt, in dem man sich gern aufhält und das in gewisser Weise einen geschützten Bereich darstellt, dazu.

Allerdings erzeugt das Cocooning einen neuen Widerspruch: Für viele wird es wichtig sein, die neuen Konsum-Errungenschaften vor Freunden und Verwandten zu präsentieren. Doch denen geht es ebenso. "Ach, kommt doch lieber zu uns!", heißt es dann. Den vielen Einladungen wird wohl wenig Folge geleistet werden, denn zu Hause – das ist der Anspruch des Cocooning – ist es ja doch am schönsten. Auf diese Weise ergibt sich das neue social distancing von ganz allein.

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  • Quelle: red | Foto: stevepb / Steve Buissinne, Pixabay License
  • Erstellt am 02.12.2020 - 15:33Uhr | Zuletzt geändert am 22.01.2022 - 13:52Uhr
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