Nischenstrategie immer gut?

Nischenstrategie immer gut?Görlitz, 22. Oktober 2020. Von Thomas Beier. Wer ein Unternehmen führt und dabei auch noch Mitarbeiterverantwortung hat, kennt den Effekt: Probleme addieren sich schnell. Abgaben, arbeitsrechtlicher Ärger, ausländische Billigkonkurrenz und dann auch noch Corona, um nur einige zu nennen. Besonders in der Krise steht die Frage, wie man seinen Absatz und damit auch Umsatz sichern kann.

Abb.: Strategische Entscheidungen sind irreversible Weichenstellungen, mit denen sich Unternehmen für Jahre festlegen. Heutzutage ist eine wichtige Frage, wie viel Flexibilität eine gewählte Strategie noch zulässt
Foto: Daniel Kirsch, Pixabay License
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Nischenprodukte bieten Chancen, aber auch enorme Risiken

Naseweise Berater empfehlen Unternehmern regelmäßig, auf Nischenprodukte auszuweichen, also Erzeugnisse oder Dienstleistungen, bei denen der Konkurrenzdruck nicht so hoch ist. Doch das ist riskant. Einer der gefährlichsten Tipps ist: "Biete etwas an, was andere nicht anbieten!" Wird dieser Ratschlag blindlings befolgt, kann das regelrecht die wirtschaftliche Existenz kosten, weil er vernachlässigt, ob denn für dieses Angebot überhaupt eine zahlungsfähige resp. zahlungswillige Nachfrage besteht. Die schönste konkurrenzfreie Marktnische ist eben keine, wenn es mangels potentieller Kunden gar keinen Markt gibt. Außerdem: Setzt ein Lieferant auf nur wenige Nachfrager, steigt seine die Abhängigkeit.

Unternehmer sollten nie vergessen: Bei Nischenprodukten handelt es sich oftmals um Leistungen, die andere Anbieter aus gutem Grund nicht anbieten. Weshalb? Die Nachfrage oder der mögliche Absatzmarkt ist viel zu klein, der zur Leistungserbringung nötige Aufwand rechnet sich nicht. Bei manchen Nischenprodukten handelt es sich außerdem um technologische Auslaufmodelle oder kurzlebige Erscheinungen – wer hier noch den Markt bedienen und Aufwand treiben will, muss sehr genau hinschauen. So entstanden mit der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes sehr schnelle viele Unternehmen, die sich der Telekommunikationsberatung widmeten und passende Anbieter für ihre Kunden vermitteln wollten, obgleich absehbar war, dass sich der Markt sehr schnell wieder bereinigen würden.

Manchmal jedoch sehen sich Unternehmen gezwungen, auch Nischenprodukte anbieten, obgleich sich das für sie nicht rechnet. Dieser Fall tritt ein, wenn Kunden abspringen würden, wenn sie nicht eine vollständige Produktpalette geboten bekommen würden, zu der eben auch für den Anbieter unrentable Erzeugnisse gehören. Deren Kosten müssen dann über eine Mischkalkulation aufgefangen werden. Der hohe Aufwand für die Leistungserbringung – so neben den Kosten etwa ausufernde rechtliche Rahmenbedingungen – hat auch in Verbindung mit der Digitalisierung neue Geschäftsmodelle entstehen lassen.

Wettbewerbsanalyse oftmals falsch interpretiert

Werden Geschäftspläne erstellt, so taucht regelmäßig das Kapitel "Wettbewerbsanalyse" auf. Nun sollte man als Unternehmer schon wissen, wer sich alles im eigenen Markt tummelt, was die Wettbewerber so treiben und welche Entwicklungsabsichten sie verfolgen. Aber immer wieder werden falsche Schlussfolgerungen gezogen – nämlich dann, wenn für ein Unternehmen ein Marktanteil ausgerechnet wird.

Sicher lassen sich erwartete Marktanteile schick darstellen, allerdings liefert das keine Aussage darüber, ob sich Kunden tatsächlich für den jeweiligen Anbieter entscheiden. Vor allem die beliebte Suche nach der Marktlücke ist in den heutigen gesättigten Märkten fast immer Unsinn. Es liegt doch auf der Hand: Selbst wenn ein Unternehmen tatsächlich eine Marktlücke, also eine unbefriedigte Nachfrage, entdecken würde, gilt noch immer der Grundsatz, nach dem die anderen auch nicht dumm sind; es würden sich also weitere Wettbewerber auf diese Marktlücke stürzen, die dann keine mehr wäre.

Übrigens ist auch der Gedanke, man könne mit Werbung Nachfrage erzeugen, falsch. Mit Werbung kann lediglich beeinflusst werden, auf welche Weise Kunden bestimmte Bedürfnisse befriedigen, außerdem kann Werbung die Voraussetzung dafür sei, im Bedarfsfall überhaupt in die Auswahl der Anbieter einbezogen zu werden. Wer Kunden braucht, sollte vor allem auf die richtige Strategie zur Kundengewinnung setzen.

Ein anderer Ansatz

Strategisch gesehen ist es hingegen die grundsätzlich richtige Entscheidung, sich Märkten zuzuwenden, in denen viele Wettbewerber existieren. Hier gilt nicht nur das Sprichwort, wonach viel Feind auch viel Ehr’ bedeutet, sondern die Tatsache: Wo viele Wettbewerber gut leben, gibt es auch viele Kunden – und noch immer ist es einfacher, schneller und preiswerter, durch Vorsprung vor dem Wettbewerb – den zu entwickeln es immer wieder viele erfolgversprechende Möglichkeiten gibt – die Kunden auf sich zu lenken als etwa sich Kunden mit neuen und bislang weitgehend unbekannten Produkten erst neu aufzubauen.

Das sollte allerdings nicht dazu verleiten, nur auf Massenprodukte zu setzen. Hier bestimmt meist der Preis den Markt, den entsprechend Großanbieter, immer wieder auch aus dem Ausland, dominieren. Beim Blick auf die heimische Wirtschaft gibt es auch in der Oberlausitz mehrere Hersteller, die Drehteile fertigen. In diesem Markt sind Qualität – vor allem Präzision – und Lieferzeiten grundlegend, für den wirtschaftlichen Erfolg aber bedeutsam ist es, hochflexibel Spezialteile herstellen und liefern zu können. Es macht eben einen Unterschied, ob es um ein einfaches Teil wie eine eine Schraube geht oder mit einer Hohlschraube eine höhere Wertschöpfung erreicht werden kann. Mit einer Spezialausführung ist der Markt zwar nicht mehr ganz so groß, dafür aber überschaubarer und kann effizienter bearbeitet werden.

So gesehen kann es für Unternehmen hilfreich sein, die Produkte und Dienstleistungsangebote im eigenen Markt zu analysieren und zu schauen, welche davon geeignet sind, zu Spezialprodukten mit ausreichend großem Markt entwickelt zu werden. Bestehen im Wettbewerb heißt, den anderen immer einen Schritt voraus zu sein und so in der Auswahl der Anbieter für die Kunden die beste Option darzustellen. Wer seinen Markt auf diese Weise bedient, dem können Wettbewerber ansonsten ziemlich egal sein.

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  • Quelle: red | Foto: Daniel Kirsch, Pixabay License
  • Erstellt am 22.10.2020 - 07:03Uhr | Zuletzt geändert am 22.10.2020 - 08:27Uhr
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