Organisations- und Strategieentwicklung – wozu?

Organisations- und Strategieentwicklung – wozu?Markersdorf, 11. September 2020. Von Thomas Beier. Gibt man sich als Unternehmensberater zu erkennen, stößt man schnell auf Vorurteile. Zu denen gehört, man suche nach Lohnkosteneinsparungen oder wolle Arbeitsplätze gleich ganz vernichten. Nun, das ist mir in all den Jahrzehnten kein einziges Mal vorgekommen, dafür aber immer wieder die gegenteilige Aufgabenstellung: Wie können wir Arbeitsplätze sichern oder sogar die Frage, wie der Betrieb überhaupt erhalten werden kann.

Schach ist ein Strategiespiel, doch im Gegensatz dazu ändern sich die Regeln für Unternehmen im Markt immer wieder
Foto: Michal Jarmoluk, Pixabay License
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Als Unternehmen in Wandel und Krise bestehen

Das sind Fragen, die in vielen Unternehmen, vor allem, wenn ihnen auch ihre soziale Komponente – Stichwort: Corporate Social Responsibility – bewusst ist, aktuell wieder neu gestellt werden, gerade angesichts der gegenwärtigen Zeiten des technologischen Wandels und der Coronakrise. Die Lösung kann nicht in staatlichen Hilfsprogrammen liegen, sondern die Unternehmen müssen selbst überlegen, wie sie am Markt bleiben können oder, anders gesagt, einen Nutzen generieren, für den andere freiwillig Geld ausgeben.

Die Ausgangsposition der Unternehmen und anderer Organisationen ist dabei höchst unterschiedlich: Die einen sind zukunftsrobust aufgestellt, die anderen nicht. Zukunftsrobust bedeutet nicht, unbeirrt von sämtlichen Entwicklungen sein Geschäft durchziehen zu können, sondern vielmehr, sowohl strategisch als auch mental auf Veränderungen vorbereitet zu sein und flexibel auf diese reagieren zu können.

In Bezug auf die nötige Flexibilität überschätzen sich Unternehmen jedoch gern, besonders jene, die über Jahrzehnte nicht mit nennenswerten Veränderungen ihres Geschäftsmodells konfrontiert waren. In ihnen regiert oft das sogenannte kreative Verharrungsvermögen: Etwas Neues fällt keinem ein, aber tausend Gründe, die gegen Neuerungen sprechen. Diese Dinosaurier der Wirtschaft sehen dann mit Erstaunen, wenn sich neue, meist digital basierte Geschäftsmodelle etablieren und beginnen, ihre Pfründe zu schöpfen. Die Reaktion der alten Wirtschaft darauf: Dürfen die das überhaupt? Die machen unsere Tradition kaputt! Ohne uns geht es doch nicht, denkt an die Arbeitsplätze! Doch alles Klagen und Zetern hilft nicht, wenn der Zug der Entwicklung abgefahren ist.

Führungskräfte ohne Führungswissen sind Sand im Getriebe

Ein ganz wesentlicher Punkt in Veränderungsprozessen sind die Mitarbeiter. Anstelle des bösen Witzes "Bei uns steht der Mitarbeiter im Mittelpunkt – und damit im Weg!" ist jedes Unternehmen gut beraten, das seinen Mitarbeiterstamm pflegt und dafür sorgt, dass die Motivation erhalten bleibt. Mitarbeitermotivation lässt sich nämlich viel einfacher zerstören als aufbauen! Entsprechend müssen Führungskräfte befähigt – sprich ausgebildet – sein, personen- und situationsabhängig ihrer Führungsaufgabe nachzukommen.

Gerade in Veränderungs- und Krisensituationen erweisen sich Mitarbeiter als besonders wertvoll, wenn sie


    • loyal sind, sich also nicht gleich nach eine neuen Arbeitgeber umsehen oder in Anbetracht der Unsicherheiten in den Modus "Dienst nach Vorschrift" umschalten,

    • gewohnt sind, vor neue, noch nie erlebte Herausforderungen gestellt zu werden,

    • gelernt haben, im Team zu arbeiten – die in Stellenausschreibungen immer wieder stereotyp geforderte "Teamfähigkeit" ist ohne die nähere Beschreibung der Erwartungen schlichtweg Nonsens.

Alle drei Punkte gehören zu den sogenannten weichen Faktoren eines Unternehmens, aber es liegt auf der Hand: Ein Unternehmen mit Mitarbeitern, die sich ihm nicht verbunden fühlen und die vor neuen Aufgaben zurückschrecken und diese ablehnen wird es auf Dauer schwerer haben, im Bereich der harten Fakten wie etwa Umsatz und Gewinn erfolgreich zu sein.

Um die Mitarbeiter bei der Stange zu halten veranstalten manche Unternehmen das, was man früher Betriebsvergnügen nannte und heute Incentive nennt, etwa einen Ausflug, eine Sportveranstaltung oder eine Weihnachtsfeier. Sonderlich wirksam ist das allerdings nicht, vor allem, wenn die Führungsstrukturen im betrieblichen Alltag nicht funktionieren.

In der langjährigen Zusammenarbeit mit Unternehmen hat sich gezeigt, dass ein bis zwei zweitägige Veranstaltungen für die oberste Führungsebene pro Jahr, die auf jeweils ein Thema fokussieren, optimal sind, um eine Organisation Schritt für Schritt weiterzuentwickeln. Falsch wäre, mit der Organisationsentwicklung unten oder in der Mitte in der betrieblichen Hierarchie anzusetzen, weil dann – wirklich fast immer – die Mitarbeiter einen Wissensvorsprung gegenüber ihren Führungskräften erhalten und diesen auch zum Leidwesen ihrer Chefinnen und Chefs nutzen.

Bei solchen Veranstaltungen für Führungskräfte ist es wichtig, einen Mix aus Weiterbildung inklusive erlebnisorientierten Lernens, strukturierter Workshop-Phasen mit der Möglichkeit, sich einzubringen, und weiterem, gern kulturellem Input, der es zulässt, auf das Betriebsgeschehen zu reflektieren, zu realisieren.

Die Unternehmensstrategie: meist falsch

Viele Geschäftsführer kann man aus der Fassung bringen, wenn man ein wenig hinterhältig fragt: "Haben Sie eine Unternehmensstrategie?" Die Antwort ist fast immer "Ja!", denn wer will sich schon die Blöße geben, keine Strategie zu haben? Anstelle nun die vom Gegenüber erwartete Frage nach der Strategie zu stellen – die meist mit Aussagen, die mit Strategie nichts zu tun haben wie etwa zur Qualität, Termintreue und Flexibilität beantwortet wird – kann man sich den Spaß machen zu fragen: "Was ist denn eine Strategie?" Eine knackige Antwort wie etwa "die Ökonomisierung des Kräfteeinsatzes zum Zwecke der langfristigen Zielerreichung" wird man eher selten zu hören bekommen.

Wer als Unternehmensberatung Strategie – letztlich also die langfristig orientierte Existenzsicherung – als Leistung anbietet, muss heute deutlich über die klassische Strategieentwicklung, wie sie etwa Mewes mit der Engpasskonzentrierten beziehungsweise Energo-Kybernetischen Strategie beschrieben hat, hinausgehen: Ohne die Anwendung des theoretischen Hintergrundwissens zur Entwicklung von Anziehungskraft auf Kunden und zur Faszination von Mitarbeitern, ohne die Bausteine zur Entwicklung der Corporate Identity (bitte nicht mit Design verwechseln) und der Modelle, nach denen sich Verhalten und Reife von Menschen bestimmen lassen, würden sich Strategien weder involvieren noch an sich schnell verändernden Realitäten anpassen lassen und schließlich scheitern.

Strategien stehen nicht im Widerspruch zur Flexibilität. Sie orientieren sich, wie erwähnt, an langfristigen Zielen. Allerdings kann es durchaus nötig sein, Ziele und die damit verbundene Strategie anzupassen. Ursache ist der Zeithorizont von Strategien, der entfernter liegen kann als der Vorhersagehorizont der Zukunftsforschung, außerdem können überraschende Entwicklungen wie etwa die Coronakrise, eine Innovation oder kurzfristige gesetzliche Vorgaben eine Branche völlig verändern.

Abgrenzen zur Unternehmensstrategie muss man das Betriebliche Kontinuitätmanagement, das sich eher an Parametern für den Fall unvorhergesehener Ereignisse orientiert. Anstelle flexibel auf Herausforderungen zu reagieren stehen hier die Widerstandskraft des Unternehmens (Business Resilience) und planmäßige Maßnahmen gegen einen Störfall im Mittelpunkt.

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  • Quelle: red | Foto: jarmoluk / Michal Jarmoluk, Pixabay License
  • Erstellt am 11.09.2020 - 12:48Uhr | Zuletzt geändert am 11.09.2020 - 13:48Uhr
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