Verkehrte Welt
Görlitz-Zgorzelec. In Görlitz wird allmontäglich demonstriert. Am 22. November 2010 widmeten sich 17 Demonstranten dem Motto "Sozialkahlschlag geht weiter!". Was die Vorbereitungsgruppe der Görlitzer Montagsdemo, die sich "Die Originale!" nennt, an Argumenten streut, kann nicht unkommentiert bleiben.
Hartz IV ist Sozialstandard auf hohem Niveau, meint Fritz R. Stänker
Karl Marx würde sich angesichts Hartz IV seinen Zielen ganz nahe fühlen, sind doch die werktätigen Massen endlich von den Qualen der Arbeit befreit und genießen einen hohen Sozialstandard: Warm, sicher und trocken wohnen (so die Ziele des Wohnungsbauprogramms des DDR-"Sozialstaats"), keiner hungert, jeder kann sich anständig kleiden, vielenorts warten auf die Hartz IV-Bezieher und ihre Kinder Vergünstigungen, die medizinische Versorgung ist gesichert.
Doch wie argumentieren die stärksten Nutznießer des bundesdeutschen Sozialstaats? "Seitdem mit der DDR (vor 20 Jahren) das Gegengewicht wegfiel, baut man im vereinten Deutschland den Sozialstaat ab", ist zu erfahren.
Zeitreise empfohlen
Ach, könnte man nur eine Hartz IV-Delegation auf die Zeitreise in den real existierenden Sozialismus schicken! Dann wäre der Mióntagabend vielleicht damit ausgefüllt, die vorm Haus abgekippten Kohlen in den Keller schleppen und sich hinterher ein Konsumbrot gönnen. Dazu ein Bier, das noch nie etwas vom Reinheitsgebot gehört hat. Zum Rauchen auf dem Balkon bräuchte man keine Zigarette, weil die Luft auch so ausreichend verqualmt ist. Nicht mal Westfernsehen könnte man im Tal der Ahnungslosen gucken, selbst wenn sich der Raduga-Farbfernseher aus dem ruhmreichen Freundesland noch immer nicht selbstentzündet hat.
In der Kaufhalle würde man, wenn mal wieder die Devisen knapp sind und der DDR-Staat seine Schulden mit Lebensmitteln abzahlt, auf das Verlangen von hundert Gramm Mettwurst und einer Bockwurst die Antwort bekommen "Entweder - oder!"
Aber viel passt in den Nylonbeutel eh nicht rein. Und der Trabi steht ja seit Wochen, weil man beim Terminvergabetermin in der Werkstatt erfahren hat, dass es bei diesem Ersatzteil eine "Lieferengpass" für mehrere Wochen gibt. Natürlich gibt es auch Abwechslung im Leben, wenn man beispielsweise monatelang zur NVA-Reserve eingezogen wird oder einen Ferienplatz ergattert hat. Mal ganz abgesehen vom ständigen weltanschaulichen Druck duch das SED-Regime und von der Unterdrückung grundlegendster Freiheiten.
Auch in der Gegenwart zeigt der weltweite Vergleich: Hartz IV ist soziale Auffangen auf hohem Niveau und Vater Staat hat völlig recht, wenn der die Grundsicherung nicht zur Hängematte werden lässt.
Hartz IV ist eine Form des Wohlstands
Das ist Deutschland: Wenn Hartz IVer, die von den Steuern ihrer arbeitenden Mitbürger leben, mittels Ein-Euro-Job an den Arbeitsmarkt herangeführt werden sollen, dann ist den wenigsten klar, dass sie damit mehr Geld verdienen als mancher, der jeden Tag auf Arbeit rennt. Zum einen Euro Stundenlohn muss man hinzuaddieren: Grundsicherung, Kosten der Unterkunft, Sozialversicherung etc. pp.
Einig Jammerland
Jammern auf hohem Niveau ist zum Kotzen. Der Missbrauch des Begriffs "Montagsdemo" für die Steigerung des ganz persönlichen Lebensstandards auch. Wer die Bundesregierung, wie die Görlitzer Montagsdemonstranten, als "fies" bezeichnet, dem sei ein Aufenthalt in anderen Ländern oder Erdteilen empfohlen.
Klargestellt werden muss immer wieder (warum trauen sich die Politiker nicht, das zu sagen?): Weder der Staat noch die Wirtschaft haben die Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen. Zweck der Wirtschaft ist es, Waren und Dienstleistungen so günstig bereitzustellen, dass sie gekauft werden können, um Bedürfnisse zu befriedigen. Der Staat hat - und das nur in der Ausprägung als Sozialstaat - die Aufgabe, menschenwürdige Lebensbedingungen im Sinne der Daseinsvorsorge für seine Bürger zu schaffen - was die Bundesrepublik mit Hartz IV tut.
Punkt.
Ihr Fritz R. Stänker
Mehr:
http://www.goerlitzer-montagsdemo.de
http://www.sozialbündnis-landkreis-görlitz.de
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- Quelle: Fritz Rudolph Stänker | Erstveröffentlichung am 24.11.2010 - 12:48 Uhr
- Erstellt am 24.11.2010 - 11:41Uhr | Zuletzt geändert am 25.11.2010 - 09:35Uhr
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