Rot-weißes Schach im Stadtpark Görlitz

Rot-weißes Schach im Stadtpark GörlitzGörlitz, 3. Februar 2023. Görlitz setzt dem Trend, nur noch via Internet und Bildschirm zu kommunizieren – selbst Nachbarn dödeln lieber auf den einschlägigen Plattformen herum, statt sich über'n Gartenzaun zu unterhalten oder gleich eine Grillparty zu veranstalten – etwas entgegen: Im Stadtpark wird ein bemerkenswert gestaltetes historisches Schachspiel wieder zugänglich gemacht.

Abb.: Das Schachspiel im Birkenwäldchen im Jahr 1965. Genau diese Figuren werden derzeit aufgearbeitet und kommen dann in den Stadtpark
Bildquelle: Stadtverwaltung Görlitz
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Öffentliches Schachspiel ab Sommersaison nutzbar

Besonders in jenen Internetforen, in denen sich in die Jahre gekommene Görlitzerinnen und Görlitzer sie 1960er und 1970er Jahre schönträumen, dürfte die Nachricht Freude auslösen: Eine vom Görlitzer Holzbildhauer Herbert Burkert in den Sechzigerjahren geschaffener Figurensatz wird restauriert und wieder zugänglich gemacht. Herbert Burkert hatte seine Holzbildhauerei im Jahre 1926 in der Neißestadt gegründet, heute wird er in dritter Generation von Holzbildhauermeister Jens Burkert weitergeführt.

Nachdem Meister Burkert die 32 Figuren nun fachgerecht aufgearbeitet und dabei Schäden beseitigt hat, erhalten die sie nun von Teilnehmern des vom Jobcenter des Landkreises Görlitz finanzierten Beschäftigungsprojekts Alkanti in Schöpstal-Ebersbach frische Farbe. Die Farbtöne orientieren sich dabei an der historischen Vorlage. Die Besonderheit: Diese Figuren sind nicht schwarz und weiß, sondern rot und weiß, wobei hier die natürliche Farbe des Holzes das Weiß ersetzt.

Die Idee der Farbgebung scheint auf Herbert Burkert zurückzugehen, der die Figuren die Parkverwaltung anfertigte. Es entstanden seinerzeit weitere dieser farbenfrohe Figurensätze, doch die jetzt restaurierten sind die einzig erhaltenen.

Nutzbar sein soll das Schachspiel im Görlitzer Stadtpark ab dem Beginn der Garten- und Parksaison 2023, dann gilt wieder: "Schach dem König!"

Die Schachfiguren sollen in unmittelbarer Nähe zum Spielfeld im Stadtpark Görlitz in einem verschlossenen Schrank verwahrt werden. Der Schlüssel kann ab April 2023 nach Voranmeldung beim Alkanti Tagestreff auf der Jakobstraße 24 in Görlitz ausgeliehen werden. Den Termin, ab wann genau das möglich ist und wie man den Alkanti Tagestreff zwecks Ausleihe des Schlüssels erreicht, teilt der Görlitzer Anzeiger noch mit.

Mehr:
Vorstellung des Holzbildhauerbetriebes von Jens Burkert



Kommentar:

Eine schöne Idee, dieses öffentliche Schachspiel wieder zu beleben! Ist es doch zugleich eine Erinnerung an die Zeit, als sich das – damals absolut analoge – Leben großenteils noch außerhalb der eigenen vier Wände abspielte und sich die Bürger bei vielen Gelegenheiten noch von Angesicht zu Angesicht begegneten. Das kann einer Gesellschaft, hier der Stadtgesellschaft, nicht schaden.

Die Gestaltung der Schachfiguren lässt sie unzweifelhaft als aus den Sechziger Jahren stammend datieren. Zugleich aber wird die gestaltende Hand des meisterlichen Kunsthandwerkers sichtbar, der vielerlei zu bedenken hatte: Die Gestaltung dürfte nicht zu detailliert sein, was die Herstellung vereinfachte und außerdem die Haltbarkeit erhöhte. Ein tiefer Schwerpunkt und eine ausreichende Stellfläche machten die Figuren kippsicher. Außerdem mussten die Figuren so gestaltet werden, dass sie von den Schachspielern gut greifbar sind.

Ob damals, in den Tiefen einer Gesellschaft, die in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) mit dem Gebilde "DDR" den Sozialismus aufbauen sollte, die Farben Rot und Weiß eine Anspielung waren? Immerhin hatte es im russischen Bürgerkrieg von 1918 bis 1922 heftige Kämpfe zwischen den Roten und den Weißen gegeben. Anders als beim Schach, bei dem jedes Spiel einen neuen Ausgang ermöglicht, siegten in Russland die Roten, weil sie im Gegensatz zu den Weißen eine Perspektive aufzeigten. Die Konsequenzen waren dramatisch: Mit der Gründung der Sowjetunion gerieten Russland und die Satellitenstaaten unter die Fuchtel der Linken. Die Folgen der deformierten Gesellschaft sind im heutigen Russland noch immer zu spüren.

Bleibt zu hoffen, dass an schönen Tagen im Frieden und an sonstigen sonst trägen Nachmittagen das Schachspiel eifrig genutzt wird, von den Spielern und von Zaungästen,

meint Ihr Thomas Beier


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  • Quelle: red | Bildquelle: Stadtverwaltung Görlitz
  • Erstellt am 03.02.2023 - 07:32Uhr | Zuletzt geändert am 03.02.2023 - 12:44Uhr
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