Die pure Lust am Leben

Die pure Lust am LebenGörlitz, 28. Oktober 2019. Ist man in den sogenannten sozialen Netzwerken unterwegs, könnte man manchmal meinen, in eine Welt voller Miesepeter geraten zu sein. Zum Glück ist die Realität eine andere: Hier trifft man immer wieder auf ausgesprochen nette Menschen wie jene Verkäuferin, die mir neulich abseits aller antrainierten Routine in einem Einkaufszentrum von ganzem Herzen einen schönen Abend wünschte.

In der Geheimen Welt von Turisede konnte man am vergangenen Wochenende auf dem HÖLLOWUM-Festival seinen ganz persönlichen Sorgenkobold samst aller Sorgen verbrennen, übrig blieb nur die pure Lust am Leben
Foto: © Görlitzer Anzeiger
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Hedonismus als Prinzip

 Hedonismus als Prinzip
Wer hätte nicht Lust, hier eine Abenteuernacht zu erleben?
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Nette Menschen machen immer wieder die Erfahrung, die der deutsche Sprichwortschatz mit der Weisheit "wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück" beschreibt. Tatsächlich kann selbst viel dafür tun, ein positives, freudiges und lustvolles Leben zu führen. Erster Schritt ist es, im eigenen Wortschatz sich von negativ belegten Begriffen zu trennen und sich auf positive Aussagen zu konzentrieren. Es ist eben besser, Anerkennung mit den Worten "Das ist ja super!" auszudrücken als vielleicht "Das ist wirklich nicht schlecht!" zu sagen. Hintergrund ist, dass die rationale Verneinung von der Gefühlswelt des Menschen nicht verstanden wird, im Beispiel also eher “schlecht” wirkt.

Für die eigene Lebensqualität ist es wertvoll, sich ein positives denkendes Umfeld aufzubauen, in dem sich Freunde und Kollegen nicht durch Kritik, Abwertung und Besserwisserei profilieren, sondern durch Zustimmung und Weiterentwicklung von Gedanken. Allerdings stößt es durchaus auf Misstrauen, wenn jemand sein Leben an Freude, Genuss, Vergnügen und Lust ausrichtet. Womöglich löst diese Hedonismus genannte Lebenseinstellung sehr schnell Neidgefühle aus und wird als dekadent, als Zeichen des Verfalls, charakterisiert. Dabei fußt menschliches Verhalten doch nur auf zwei grundlegenden Motiven: Zum einen auf dem Prinzip der Schmerzvermeidung, durch das Menschen allem, was unangenehm oder belastend ist, ausweichen und es zu verhindern suchen. Das andere Prinzip ist der Lustgewinn, für den Menschen alles tun, was ihnen Spaß macht und im weitesten Sinne guttut.

Sich Gutes tun ist oft mit Konsum verbunden

Diesen Lustgewinn muss man aber selbst gestalten, wer Abend für Abend vorm Fernsehgerät sitzt und lediglich sein Aufmerksamkeitszentrum im Hirn beschäftigt, wird ihn im eigentlichen Sinne nicht erleben. Wo aber findet man Lustgewinn? Das geht es um gut Essen und Trinken, Kleidung, Wohnen, Kultur und nicht zuletzt Sex, kurz gesagt, um bewussten Genuss. Im Bereich Essen und Trinken ist in Görlitz beispielsweise Axel Krüger unterwegs. Der Weinhändler brachte im Sommer mit seiner Pop-up Weinbar auf der Jakobstraße gemeinsam mit Köchen das zustande, was bei Gästen als außergewöhnlicher Genuss ankam. Die Nachfrage – sprich: die Lust darauf – für diesen Genuss ist groß, wie der Erfolg des Projekts beweist.

Sogar das Görlitzer Stadtmarketing ist aufs Lustprinzip gekommen. Mit dem Hashtag #LustaufGörlitz und Motiven aus Kultur, Freizeit und dem gründerzeitlichen Einkaufsflair wird die Lust, in der schönen Stadt an der Lausitzer Neiße zu leben, versinnbildlicht. Tatsächlich ist Lustgewinn das, was Görlitz zu bieten hat: Das Wohnen in historischen Häusern mit langer Geschichte oder in den Gründerzeit-Straßenzügen zu moderaten Preisen ist für viele Zuzügler hochattraktiv. Hinzu kommt ein für eine Stadt dieser Größe geradezu überbordendes Kulturangebot, das Genuss von der Pop- bis zu Hochkultur, von hochkarätigen Museen bis zu bemerkenswerten Ausstellungen verspricht.

Selbst in der Lust auf schöne Kleidung profiliert sich die östlichste Stadt Deutschlands: Mit dem EURO FASHION AWARD und dem Modehaus am Postplatz ist frischer Wind eingezogen, der übrigens auch für stärkeren Zuspruch aus dem polnischen Teil der Europastadt sorgt, was dem Einzelhandel generell zugute kommt. Sich ganz bewusst zu kleiden dient nicht nur dem eigenen Lebensgefühl, sondern ist auch für die Mitmenschen angenehm – oder möchte wirklich jemand in einer Welt voller grauer Mäuse leben?

Längst hat die Lustorientierung alle Lebensbereiche erreicht. In allen Bereichen wird ständig versucht, die Freude und das Erlebnis noch weiter zu steigern und zu intensivieren. So werden in der bei Görlitz an der Neiße gelegenen "Geheimen Welt von Turisede" nicht einfach nur Übernachtungen unterschiedlichster Art angeboten, sondern der Gast erlebt Abenteuernächte, ob er nun im exklusiven 1. Deutschen Baumhaushotel, in einzigartigen Übernachtungen wie der Mystischen Mühle oder im aus gutem Grund so genannten Vögelbaumbett schläft. Mit Sex hat das allerdings, zumindest primär, nichts zu tun.

Doch gerade für den Sex, der neben Essen und Trinken wohl ältesten lustvollen Betätigung der Menschheit, ob als Paar oder nur alleine mit sich selbst, ist eine ganze Industrie entstanden, deren Produkte über verbreitetes Sexspielzeug hinausgehen. Dieser Markt wächst, weil einerseits viele ihr Lusterlebnis immer wieder variieren und steigern wollen, andererseits heutzutage bei vielen die Lebensumstände kaum Platz für persönliche Beziehungen lassen oder diese gar nicht gewollt sind.

Natürlich muss man nicht immer etwas kaufen, um angenehme und lustvolle Erlebnisse zu haben. Ein außergewöhnliches, anspruchvolles Gespräch, eine Wanderung durch beeindruckende Natur, die Beschäftigung mit Kunst und vor allem der Sport können glückliche Gefühle auslösen und auf diese Weise Lust bereiten.

Lustverzicht?

Wer aber die “Lust auf Lust” und das Bekenntnis dazu mit Egoismus verwechselt, könnte zur Kritik am Hedonismus und zum eigenen Lustverzicht neigen. Doch der Verzicht auf herausragende positive und angenehme Erlebnisse, die mangelnde Konzentration auf die schönen Seiten des Lebens, führt dazu, dass das Leben im Gleichlauf der Tage schneller zu verrinnen scheint. Der tragischste Moment kommt dann am Ende des Lebens, wenn jemand sagt: Aber ich habe doch noch gar nicht gelebt.

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  • Quelle: TEB | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 01.11.2019 - 11:08Uhr | Zuletzt geändert am 01.11.2019 - 11:31Uhr
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