Unternehmer werden, Unternehmer sein

Unternehmer werden, Unternehmer seinGörlitz, 1. Juni 2021. Von Thomas Beier. Mit dem Strukturwandel kommt auch in der Ober- und der Niederlausitz das Thema Existenzgründung wieder stärker auf die Agenda. Wird der Hebel am wirkungsvollsten Punkt angesetzt? Und wer setzt ihn an?

Abb.: Wien ist die Drehscheibe zwischen West- und Osteuropa, für Unternehmer ein spannender Ort
Foto: Anja, Pixabay License
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Am wichtigsten ist der Marktzugang

Googelt man sich ein wenig durchs Web, stößt man auch in den beiden Lausitzen auf Initiativen, die unternehmerische Selbständigkeit voranbringen möchten und denen einiges gemein scheint: Tolle Webseiten, nur so strotzend von dem, was simple Gemüter unter Kreativität verstehen, nicht ohne den Hinweis auf Institutionen, die all das mit Fördermitteln – sprich Steuergeldern – ermöglichen, und auf namhafte Partner. Als Partner am Werk sind Kammern, Kommunen, Entwicklungsgesellschaften, Vereine, nur niemand, der sich als Unternehmer Monat für Monat durch die Vermarktung seiner Produkte oder Leistungen an echte Kunden sein Geld verdienen muss. Klar: Wer selbst keine Gründungsidee hat, versucht wenigstens, sich um die Gründungsideen anderer zu kümmern.

Wer wirklich unternehmerisch denkt und tätig werden möchte, sollte sich lieber an erfahrene Unternehmer halten, denn an einer Stelle ist man als Jungunternehmer völlig allein: Wenn es darum geht, jemanden zu finden, der für die gebotene Leistung freiwillig Geld ausgibt. Entsprechend ist es notwendig, Geschäftsideen zunächst auf ihre Plausibilität zu untersuchen, was gewöhnlich weniger als einen Tag dauert, sich aber dann sofort dem Kern des Gründungs-Knowhows, dem Marktzugang, zu widmen, bitte in der Praxis, nicht tagelang im Schulungsraum. Das Allerwichtigste für Jungunternehmer in Görlitz oder anderswo ist nun einmal, schnell genug auf ausreichenden Umsatz zu kommen – sonst ist alles für die Katz’.

Prioritäten richtig setzen

Sicher kann man sich vor der Gründung umfassend über alle denkbaren unternehmerischen Wissensgebiete informieren, nur werden die Prioritäten gern falsch gesetzt: Wer etwa das Steuerrecht und den Werbeauftritt als wichtige Prämissen unternehmerischer Vorbildung sieht, meint sicherlich auch, dass das Wichtigste am Flugzeug die funktionierende Kaffeemaschine ist. Mal ernsthaft: Für Steuerfragen hat der liebe Gott den Steuerberater erfunden und außerdem kann man sich sehr sicher darauf verlassen, dass sich das Finanzamt meldet, wenn man seinen Pflichten nicht nachkommt. Wer meint, Visitenkarten und perfekte Werbeauftritte seinen wichtig, sollte ein Werbestudio eröffnen – viel Erfolg!

Das Vorhaben konsequent und agil verfolgen

Mehr denn je ist Unternehmertum auch für Neueinsteiger eine Frage der Agilität, mit der eine grundlegende Strategie verfolgt wird. Das allein erfordert die ganze Kraft, ein Pulk von Kümmerern, Kontaktvermittlern und selbsternannten Ideenvoranbringern, die selbst keine Unternehmer sind, ist da nur hinderlich. Überhaupt sind Gründer mit einer guten Gründungsidee gut beraten, diese für sich zu behalten und nicht in großer Runde, noch dazu mit anderen Gründungsinteressierten, zu diskutieren.

Tun, was man will

Es gibt ein chinesisches Sprichwort, das sich immer wieder beweist: "Lerne und überlege, nach und nach kannst du tun, was du willst." Wohlgemerkt: Es heißt nicht "Diskutiere…" – den Grips für sein Geschäft muss man schon selber haben; mit den Jahren wächst man in die Unternehmerschuhe hinein und gewinnt zunehmend Handlungsfreiheit. In der BeierGroup wird jährlich ein Workshop veranstaltet und überlegt, was im kommenden Jahr getan werden soll. Dann entstehen Projekte, mit denen die Brötchen verdient werden, und außerdem jene Projekte, die besonders viel Spaß machen oder mit denen sympathische Leute unterstützt werden. So ist das, wenn man tun kann, was man will. Andere schreiben mit viel Aufwand detaillierte Geschäftspläne auf – und sollten dabei wissen, dass sie eine Variante konzipieren, die so höchstwahrscheinlich nicht eintreten wird; der Wert eines solchen Plans besteht ja nur darin, dass man die Abweichung davon messen und sein Geschäft entsprechend steuern kann.

Grenzenlos denken und agieren

Eine Sache, die oftmals viel zu wenig im unternehmerischen Selbstverständnis verankert ist, sind die weltweiten Möglichkeiten oder wenigstens jene in Europa. In Görlitz, als deutsch-polnische Doppelstadt eigentlich dazu prädestiniert, geschieht in Bezug auf das östliche Europa relativ wenig. Es nutzt halt nichts, sich im Herzen Europas zu wähnen, wenn die wahre Drehscheibe fünfeinhalb Autostunden weiter in Wien ist und dort die Post abgeht! Wer Auslandsgeschäfte anschieben will, für den ist eine Firmengründung in Österreich – etwa als Niederlassung – ein erster Schritt mit Vorteilen: Die Entfernung ist übersichtlich, es gibt keine Sprachbarriere, dafür kurze Wege nach Tschechien, in die Slowakei und nach Ungarn. Gut zu wissen: Österreich grenzt außerdem an Slowenien, die Schweiz, Liechtenstein und Bayern.

Die Herangehensweise ist einfach: Kurzurlaub am Zielort, Lage peilen, mögliche Partner und unterstützende Kräfte identifizieren und kontaktieren. Ist die Resonanz positiv, worauf dann noch warten?

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: cocoparisienne / Anja, Pixabay License
  • Erstellt am 01.06.2021 - 20:44Uhr | Zuletzt geändert am 24.09.2021 - 20:30Uhr
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