AfD gegen weitere Brücken nach Polen

Görlitz, 13. Juli 2017. Der Görlitzer Kreisverband der AfD steht der erneuten Debatte um den Bau neuer Grenzbrücken skeptisch gegenüber. "Wir sind nach wie vor der Meinung, dass diese ausreichend vorhanden sind", äußert sich gestern der Kreisverbandsvorsitzende Tino Chrupalla in einer Mitteilung.
Abbildung: Das Görlitzer Viadukt überspannt als Teil der Eisenbahnstrecke Dresden - Breslau (Wrocław) das Neißetal.

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Südwestumfahrung am Kochen halten

Die mögliche Verlängerung der Schlesischen Straße bis auf die polnische Seite würde nach Meinung der AfD die Verkehrssituation im Wohngebiet Königshufen und in den angrenzenden Ortschaften weiter verschärfen, es könne eine erhebliche Belastung für die Anwohner entstehen.

"Wir sprechen uns dafür aus, dass die sogenannte Südwestumfahrung weiterverfolgt wird", so Chrupalla. Damit würden die Gewerbeflächen im Görlitzer Süden verkehrstechnisch besser erschlossen, die Anbindung an die Autobahn A4 und in Richtung Norden an die B115 würde schneller. In diesem Zusammenhang erhebt der AfD-Kreisverband die Forderung, die B115 in Richtung Cottbus / Autobahn A15 ebenfalls auszubauen.

Die Südwestumfahrung würde die B99 an der Stadt Görlitz vorbei zur B6 führen. Dafür spreche nach Ansicht der AfD-Leute die Entlastung der Stadt vom Schwer- und Durchgangsverkehr, was den Tourismus fördere. "Gerade wegen der weiteren Entwicklung des Naherholungsgebietes um den Berzdorfer See stünde Görlitz eine Entlastung dieses Verkehrsweges besser zu Gesicht", wirft Chrupalla ein weiteres Argument in die Waagschale.

Die B99 historisch beleuchtet

Die Bundesstraße B99 dürfte eine der kürzesten Bundesstraßen sein: Sie beginnt in Zittau im ostsächsischen Dreiländereck an der B96 und endet in Görlitz an der B6. Als sie 1934 als Reichsstraße 99 (R99) errichtet wurde, war sie deutlich länger und führte von Zittau über Görlitz und die damalige R6 nach Rothenburg/O.L. / Rózbork und weiter über Lodenau / Łodnjow, Freiwaldau (heute Gozdnica) und Sagan (heute Żagań) bis nach Neusalz (heute Nowa Sól) zur R5. Nach 1945 wurde der östlich der Neiße gelegene Straßenabschnitt ins polnische Straßennetz integriert, 1949 benannte die "DDR" die Reichsstraßen in Fernverkehrsstraßen um, die schließlich von der BRD mit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 zu Bundesstraßen wurden.


Kommentar:

"Brücken bauen" ist ein durch und durch positiv belegter Begriff. Wenn sich nun Leute gegen neue Brücken aussprechen, schwingt die Frage mit: Warum, was sind die eigentlichen Gründe?

Die Belastung von Anwohnern, die straßennah wohnen, ist kein schwerwiegendes Argument, da binnen der kommenden zehn Jahre die Elektromobilität ihren Durchbruch erleben wird – Abgase und Motorenlärm sind dann passé. Vermutlich sind es eher Vorurteile und diffuse Ängste, die den Status quo in Bezug auf die europainnerstädtischen Brücken zementieren möchten. Doch wer verharrt, verliert. Wir vom Görlitzer Anzeiger haben den Grenzbegriff weitgehend eliminiert. Wir sprechen auch nicht mehr von grenzüberschreitend, weil damit eine Grenze nur betont wird. Heute die nationalstaatlichen Grenzen innerhalb der Europäischen Union zu betonen ist so unnütz wie zu Zeiten des Deutschen Zollvereins dessen Binnengrenzen.

Die Brücken zwischen Deutschen und Polen, sowohl die physischen als auch die der Verständigung, waren nicht erst seit 1945 ein immer wieder schwieriges Thema. Davon zeugt nicht nur die Brücke im nördlich von Görlitz gelegenen Deschka (Video), wo Bürger um jeden Preis Kraftfahrzeugverkehr verhindern wollen und erst jüngstens einen kaputten Poller auf eigene Faust durch einen angeschweißten ersetzt haben. Oder die Görlitzer Diskussionen um eine simple Fußgängerbrücke über die Neiße. Dabei war es doch ein Gefühl wie beim Berliner Mauerfall, als man zum ersten Mal ohne jede Kontrolle in Görlitz über die Neiße fahren konnte!

Brücken sind notwendig für den Transport von Menschen und Waren. Je enger die persönlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen, um so besser. Es wäre unklug, den seit 1990 in Fahrt gekommenen, nicht immer einfachen Prozess der deutsch-polnischen Verständigung durch eine Abschottungspolitik zu stören. Und für Görlitz geht es um den Halbkreis des Umlandes, der in Polen liegt, für Zgorzelec um den, der in Deutschland liegt.

Ja, es gibt noch ein Argument. Aber Diebe sind in Polen genau so unbeliebt wie in Deutschland,

meint ihr Thomas Beier

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  • Quelle: red | Kommentar: Thomas Beier
  • Erstellt am 13.07.2017 - 09:57Uhr | Zuletzt geändert am 13.07.2017 - 11:31Uhr
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