Camping in Schlesien

Camping in SchlesienGörlitz, 12. November 2019. 30 Jahre Mauerfall, das war in den Tagen um den 9. November in aller Munde. Bei den Feiern dazu wird meist nicht erwähnt, dass die deutsche Wiedervereinigung den Ostdeutschen letztlich mit dem Schengener Abkommen auch in Richtung Osten die "grenzenlose Freiheit" brachte.

Pflichtprogramm in Krakau, das zu einem Abstecher einlädt, wenn man in Oberschlesien unterwegs ist: Besuch der Lieblingskneipe "Chajim Kohan – Waren aller Art"
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Was Schlesien heute interessant macht

Was Schlesien heute interessant macht
Vor der Fabrik Oskar Schindlers, Handlungsort des Steven-Spielberg-Films "Schindlers Liste" im Krakauer Stadtteil Kazimierz
Foto: © Görlitzer Anzeiger

Das Grenzregime zum heutigen Polen und Tschechien wurde zu Zeiten der SED-Diktatur streng gehandhabt. Zwar waren ab 1972 spontane visafreie Reisen in die CSSR und in die Volksrepublik Polen möglich, doch schon im Oktober 1980 war es angesichts der Solidarność-Gewerkschaft mit dem unkomplizierten Eintritt nach Polen vorbei. Angesehen davon wurde fleißig gefilzt, wie man die Zollkontrollen nannte, obwohl beispielsweise für einen Tagesausflug nach Tschechien nur rund 50 Kronen (etwa 17 Ostmark) getauscht werden durften. Im konkreten Fall reichte das beispielsweise genau für eine Baskenmütze.

Selbstverständlich wurde bei der Ausreise ins Bruderland gefragt, wohin man denn wolle. Doch wehe, man nannte den deutschen Namen eines Ortes oder einer Region: Mit der Begründung "Das gibt es nicht!" konnte man gleich wieder umkehren. Wer etwa von "Schlesien" sprach, musste aufpassen, nicht sofort als Revanchist eingestuft zu werden.

Heute ist das Verhältnis an das südliche und an das östliche Nachbarland Sachsens entspannt. Familien nutzen die Reisefreiheit und die gewachsene Tourismuswirtschaft, um zu erkunden, wo ihre Vorfahren lebten. Darüber hinaus lockt die überaus reiche schlesische Kulturlandschaft, die vom Hirschberger Tal bis beinahe zum alten polnischen Königssitz Krakau (Kraków) reicht. Besonders einfach und flexibel geht das als Campingtourist, weshalb Campingreisen nach Schlesien immer beliebter werden und ganz im deutschlandweiten Trend zum Camping mit Zelt oder Wohnmobil liegen. Reisen ins alte Schlesien werden, unabhängig vom Erinnerungstourismus, immer beliebter. Wie kommt das?

Schlesien als Vorreiter des geeinten Europas

Schlesien entstand zu einer Zeit, als es noch keine Nationalstaaten gab: Das polnische Herrschergeschlecht der Piasten öffnete sein Gebiet für deutsche Siedler, die Fortschritt auf vielen Gebieten mitbrachten. So wuchs Schlesien friedlich in den deutschen Kulturkreis hinein, das Aufblühen von Kultur und Wirtschaft bestimmt die heutige Sicht auf das Land der Habsburger und die spätere preußische Provinz bis heute. Wer sich auf seine Reise nach Schlesien einstimmen möchte, sollte bei der Anreise das Schlesische Museum zu Görlitz besuchen. Hier werden neun Jahrhunderte schlesischer Geschichte erforscht, bewahrt und zugänglich gemacht.

Diese reiche Kultur- und Wirtschaftsgeschichte wird ergänzt durch einzigartige Landschaften, von denen neben dem Trebnitzer Landrücken mit dem Katzengebirge und einem Anteil an den Beskiden vor allem die Sudeten zu nennen sind. Deren höchste Erhebung ist die 1.602 Meter hohe Schneekoppe mit ihrem subalpinen Klima. Bekannte Teilgebirge der Sudenten in Schlesien sind das Eulengebirge, das Glatzer Schneegebirge, das Heuscheuergebirge, das Isergebirge und das Waldenburger Bergland.

Der größte Teil Schlesiens liegt heute auf polnischem Staatsgebiet, nur der westliche Zipfel Niederschlesiens gehört zu Sachsen. Der südliche Teil Oberschlesiens, darunter Österreichisch-Schlesien, fiel 1918 größtenteils an die Tschechoslowakische Republik (ČSR), das heutige Tschechien.

Urlaubsreise nach Schlesien

Heute erweist sich Schlesien – auf Polnisch Śląsk – als hochattraktive und zugleich unkomplizierte Reisedestination, die zudem im Trend des Zeitgeists liegt: In dieses Urlaubsziel braucht man nicht zu fliegen, es bestehen hervorragende Autobahn- und gute Zugverbindungen. So führt die Autobahn A4 über Köln, Dresden und die Europastadt Görlitz-Zgorzelec weiter nach Breslau (Wrocław), Kattowitz (Katowice) und Krakau bis in die Ukraine, wo sie als E40 schließlich Kiew (Київ) erreicht.

Für die Übernachtung im polnischen Schlesien gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten, von großen internationalen Hotelketten über typisch polnische Hotels und Pensionen bis hin zu einer polnischen Besonderheit, dem Agrotourismus. Allerdings ist, wie beschrieben, auch in Polen ein Trend im Aufwind: Camping. Vermutlich getrieben vom Klimawandel mit seinen wetterstabilen Schönwetter-Sommern setzen immer mehr Urlauber aus Deutschland auf Zelt oder Wohnmobil und das damit verbundene Gefühl von Freiheit. Angesichts dieses Tatsache sieht auch die Görlitzer Wirtschaftsförderung die Notwendigkeit neuer Camping-Kapazitäten.

Hoteliers und Pensionsbesitzer sehen das Wachsen der Campingplätze und der Wohnmobil-Verkaufszahlen freilich mit Unbehagen und fürchten um ihre Übernachtungsgäste. Doch immer mehr Touristen ist das zwanglose Leben auf dem Campingplatz lieber, als sich für die Mahlzeiten im Hotel herauszuputzen, von den Kosten ganz abgesehen.

Der unkomplizierte Campingurlaub dürfte nach der polnischen Ostseeküste, vor vielen Jahren noch Geheimtipp, nun auch Schlesien erfassen. Campingplätze finden sich hier beispielsweise nahe an Attraktionen wie dem Pauliner-Kloster mit der berühmten Schwarzen Madonna in Tschenstochau (Częstochowa), vor den Toren der großen Städte oder auch unweit der Autobahn.

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  • Quelle: TEB | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 12.11.2019 - 12:42Uhr | Zuletzt geändert am 27.08.2022 - 15:22Uhr
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