Harley Spiegel reparieren

Harley Spiegel reparierenGörlitz, 9. Juni 2019. Von Thomas Beier. Unter jenen, die mit einer Harley-Davidson durch die Gegend tuckern, gibt es zwei Glaubensgemeinschaften: Die einen meinen, man müsse vor jeder Fahrt alle Schrauben am scheppernden Gefährt nachziehen, die anderen sagen, zumindest bei den etwas moderneren Modellen sei das keinesfalls notwendig. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Selbst ein kleines Schräubchen kann relativ heftige Folgekosten verursachen, wenn man sich nicht zu helfen weiß.
Abbildung oben: Genau um diesen Spiegeltyp ging es – verliert man eine der Klemmschrauben, wird oft ein neuer Spiegel empfohlen. Das muss nicht sein.

Foto: pmariano3330, Pixabay, Lizenz CC0 Public Domain
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Technik wie Mensch: Wenn eine Schraube locker ist, dann ist es schnell zu spät

Technik wie Mensch: Wenn eine Schraube locker ist, dann ist es schnell zu spät
Ist das Spiegelglas erst einmal entfernt, ist alles ganz einfach
Foto; © Görlitzer Anzeiger

Bei den Schräubchen handelt es sich im konkreten Fall um jene beiden, die den Rückspiegel an den Kugelkopf ziehen, so dass der Spiegel zwar fest sitzt, aber noch verstellt werden kann. Wenn sich diese Schrauben während der Fahrt lockern (lockert sich eine, ist automatisch auch die andere locker), dreht sich der Spiegel und klappert fürchterlich am Spiegelarm. Wer jetzt nicht sofort anhält und die Schrauben nachzieht läuft Gefahr, diese sehr schnell zu verlieren – zum Beispiel, wie erlebt, wenn man den Spiegel mit einem Finger festhält und ein paar Kilometer nach Hause tuckert, wo der rettende Schraubenzieher wartet.

Kleine Ursache – scheinbar großes Problem

Zu Haus angekommen hatte sich jedenfalls eine der Schrauben schon in den Straßenstaub verabschiedet. Das Problem: Ist eine der Schrauben erst einmal aus dem Gewinde der im Spiegelinneren liegenden Brücke, die den Gegendruck der Kugel am Spiegelarm aufnimmt, entschlüpft, schlackert die Brücke im Spiegelinneren umher und eine neue Schraube ins Gewinde zu bringen wäre so etwas wie der Hauptgewinn im Lotto.

Das Problem mit dem Motorradspiegel

Also muss der Spiegel geöffnet werden, indem das Glas, das üblicherweise aufgeklebt ist, entfernt wird. Die Frage nach dem "Was tun?" oder besser dem "Wie?" führte in diverse Harley-Davidson-Foren und zur beruhigenden Erkenntnis, dass man mit dem Problem, das Spiegelglas entfernen zu müssen, nicht alleine dasteht. Nur: Hilfreiche Beiträge oder wenigstens eine Abbildung des Spiegelinneren waren nicht zu finden, was übrigens zu diesem Beitrag führte.

Im Grunde gab es drei Tipps:
  1. Den Spiegel in Wasser kochen und dann das Glas vorsichtig heraushebeln.
    Hat nicht funktioniert.
  2. Den Spiegel im Backofen erhitzen und dann das Glas vorsichtig heraushebeln.
    Hat nicht funktioniert.
  3. Einen neuen Spiegel kaufen.
    Das war nicht gewollt und hätte zugleich für den ambitionierten Schrauber eine Kapitulation bedeutet.

So kann man einen Motorradspiegel öffnen

Also: Was tun? Wenn das Spiegelglas geklebt ist, dann sollte sich der Kleber chemisch anlösen lassen. Ein erster Versuch mit Nitro-Verdünner scheiterte, also musste eine wirksamere Flüssigkeit zum Einsatz gelangen. Die fand sich im Produkt eines polnischen Herstellers, der unter dem vielversprechenden Namen "Dragon Polska" firmiert: einem Lackverdünner (rozcieńczalnik lakierniczny). Darin den Spiegel über Nacht eingelegt und siehe, am nächsten Morgen blieb das Spiegelglas von ganz allein in der Schale zurück. Nun muss man für diesen Zweck nicht zwangsläufig auf dieses erwiesenermaßen wirksame Produkt zurückgreifen, denn der Verdünner besteht laut Zutatenliste großenteils aus Benzin. Etwas Feuerzeugbenzin sollte also den Zweck vermutlich auch erfüllen, zumal sich damit die Klebstoffreste am Spiegel ganz gut entfernen ließen.

Wichtig: Aufpassen muss man allerdings, dass die Verspiegelungsschicht von den Chemikalien nicht angegriffen wird, dafür möchte ich mit diesen Tipps ausdrücklich keine Garantie geben. Allerdings erscheint mir das Risiko vertretbar, weil die Alternative für den Motorradspiegel tatsächlich nur der Mülleimer gewesen wäre.

Den Spiegel wieder zusammenbauen

Nachdem Spiegel und Glas schön gereinigt sind, kann die Brücke wieder angeschraubt werden. Aufpassen muss man, dass die Ersatzschraube nicht zu lang ist, weil sie sonst gegen das Spiegelglas drücken würde; im konkreten Fall wurde eine Senkkopfschraube M4 x 16 verbaut, wobei es 12 Millimeter auch getan hätten.

Eingeklebt wird das Spiegelglas an den vier Befestigungspunkten, die vorher gut gereinigt werden sollten, weil man nicht weiß, wie der Kleber sich mit dem original verwendeten verträgt. Kleber findet man im Baumarkt und im Fachhandel, einfach einen für nicht saugende Untergründe, der auch für glatte Flächen aus Metall und Glas sowie für innen und außen geeignet ist, auswählen. Den Kleber nicht zu sparsam auf die vier Punkte im Spiegelgehäuse geben, das Glas vorsichtig andrücken – fertig!

Und was ist die Moral von der Geschicht'?

Motorradspiegel, die mit Schrauben am Kugelkopf festgeklemmt werden, gelegentlich mal überprüfen. Dabei die Schrauben keinesfalls anbrummen, nur soweit, dass der Spiegel fest sitzt, aber noch verstellbar ist. Und das ist völlig unabhängig davon, welche Motorradmarke man sich unter den Hintern klemmt. Gute Fahrt!

P.S.: Den Hinweis, die Spiegelfläche nicht versehentlich nach innen einzukleben und dass der Schriftzug "Objects in mirror are closer than they appear" unten sein sollte (weil die Klemmschrauben im Spiegelgehäuse im montierten Zustand unterhalb der Mitte sind), braucht wohl nur ein absolutes Greenhorn.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto Biker: pmariano3330, Pixabay, Lizenz CC0 Public Domain; Foto offener Spiegel: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 09.06.2019 - 09:07Uhr | Zuletzt geändert am 17.03.2022 - 12:54Uhr
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