Zukunft des Görlitzer Alstom-Werks nach Veräußerungsplänen ungewiss
Görlitz, den 10. September 2024. Das Görlitzer Werk des französischen Schienenfahrzeugherstellers Alstom steht offenbar zum Verkauf. Laut einem Bericht des Berliner Tagesspiegels soll der Standort wahrscheinlich an ein Maschinenbauunternehmen veräußert werden. Noch 2021 hatte sich Alstom in einem sogenannten Zukunftstarifvertrag dazu verpflichtet, den Betrieb in Görlitz mindestens bis 2026 aufrechtzuerhalten. Kürzlich teilte die Arbeitnehmervertretung jedoch mit, dass der Konzern nach Mitte 2026 keine neuen Aufträge für das Görlitzer Werk annehmen wird. Aktuell werden dort Wagenkästen für Straßenbahnen in Leipzig und Görlitz gefertigt sowie 96 Doppelstockwagen für Israel produziert.
Alstom-Stand auf der InnoTrans, der internationalen Fachmesse für Verkehrstechnik
Foto: Travelarz, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Alstom verlagert Produktion nach Polen während deutsche Standorte um ihre Zukunft bangen
Das historische Werksgelände auf der Christoph-Lüders-Straße in Görlitz
Foto: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Alstom, weltweit der zweitgrößte Zughersteller nach der chinesischen CRRC, plant, seine Produktion schrittweise von Deutschland nach Polen zu verlagern. Zukünftig soll der Rohbau von Waggons in Kattowitz stattfinden. Diese Umstrukturierung könnte zu einem erheblichen Rückgang der Produktionskapazitäten an den deutschen Standorten führen, auch in Bautzen, Salzgitter und vor allem im Werk Hennigsdorf bei Berlin. Das Werk in Hennigsdorf, das mit 2000 Beschäftigten das größte in Deutschland ist, könnte dadurch auf einen reinen Service- und Entwicklungsstandort reduziert werden.
Alstom könnte langfristig in Sachsen vor allem auf den Standort Bautzen setzen. Dieser Standort stehe für hohe Qualität, Zuverlässigkeit und Präzision, erklärte Müslüm Yakisan, Präsident der Alstom-Dach-Region, bei der Eröffnung einer neuen Produktionslinie Ende Juli dieses Jahres. Derzeit werden in Bautzen 34 Regionalzüge für Rumänien gefertigt, ein Auftrag im Wert von etwa 400 Millionen Euro. Alstom hat für die neue Fertigungsanlage rund 2,3 Millionen Euro investiert. In den kommenden Jahren wird das Werk Bautzen zudem von einem vier Milliarden Euro umfassenden Großauftrag profitieren, der den Bau von 90 Nahverkehrszügen für den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr umfasst. In Bautzen werden der Innenausbau, die Endmontage und die Prüfung der Züge durchgeführt, während der Rohbau und die Herstellung von Komponenten unter anderem im Alstom-Werk in Breslau sowie in anderen osteuropäischen Standorten stattfinden.
Für den Standort Görlitz werde derzeit an einer langfristigen Perspektive gearbeitet, erklärte der Vorstandsvorsitzende von Alstom. Ziel sei es, mit allen verfügbaren Mitteln die Industriearbeitsplätze zukunftssicher zu gestalten. Der französische Konzern werde sich in jedem Fall an den bis 2026 geltenden Zukunftstarifvertrag halten. Was danach mit dem Standort passieren wird, bleibt offen und verspricht ein weiteres Beispiel dafür zu werden, wie einige wenige globale Konzerne den Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmen. Bleibt zu hoffen, dass das Ergebnis für die Beschäftigten in Görlitz nicht allzu negativ ausfällt.
Jubiläum der Görlitzer Waggonwerke überschattet von Unsicherheiten für Beschäftigte
Die Waggonfertigung in Görlitz begann bereits vor 175 Jahren, damals allerdings noch auf einem anderen Gelände. Aus diesem Anlass fand am 8. August ein Tag der offenen Tür statt. Hunderte Besucher nutzten die Gelegenheit, das Alstom-Werk in der Christoph-Lüders-Straße 24 in Görlitz zu besichtigen. An diesem besonderen Tag gab es ein vielfältiges Programm: Die Gäste konnten sich beispielsweise an einer Alzmetall Bohrmaschine in der Fertigung ausprobieren, an Führungen durch die Produktionshallen teilnehmen, aktuelle und historische Waggons besichtigen sowie ein buntes Unterhaltungsprogramm mit Musik genießen.
Auf dem 150 Jahre alten Industriegelände arbeiten derzeit noch etwa 700 Mitarbeiter für Alstom, von denen viele gemeinsam mit ihren Familien das Jubiläum feierten. Aktuell werden dort Waggons für einen israelischen Kunden gefertigt, doch dieser Auftrag steht kurz vor der Fertigstellung. Da Alstom und zuvor Bombardier in den letzten Jahren nur wenig in den Standort Görlitz investiert haben, hat das Werk zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Gibt es unter diesen Umständen überhaupt etwas zu feiern? Im Jahr 2021 übernahm Alstom die kanadische Bombardier Transportation, einschließlich zwölf Standorten und 9000 Mitarbeitenden in Deutschland. Bombardier hatte zuvor 1998 die Deutsche Waggonbau und 2001 die Zugsparte Adtranz von Daimler erworben. Ein Erfolg war das für die Kanadier jedoch nicht: Immer wieder machten Qualitätsprobleme und Sanierungsmaßnahmen Schlagzeilen.
Der Rückgang deutscher Industriestandorte setzt sich damit weiter fort. Der Wirtschaftsstandort Deutschland wird zunehmend unattraktiv, obwohl Faktoren wie Produktionsqualität, Termintreue und verlässliche Lieferungen die vergleichsweise hohen Lohnkosten bislang rechtfertigten. Doch die stark gestiegenen Energiekosten und die Verbesserungen unserer östlichen Nachbarländer in diesen Bereichen führen nicht nur in diesem Fall zu einer Verlagerung von der östlichen Grenze Deutschlands hinüber nach Polen.
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- Erstellt am 09.09.2024 - 11:08Uhr | Zuletzt geändert am 10.09.2024 - 09:28Uhr
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