Der informierte Kunde als Partner

Der informierte Kunde als PartnerGörlitz, 6. Januar 2016. Von Thomas Beier. Das Internet hat für Kunden in allen denkbaren Geschäftsbeziehungen neue Möglichkeiten eröffnet. Häufig stehen dabei Preisvergleiche im Mittelpunkt, doch auch andere Informationen, die von Anbietern und Lieferanten online zugänglich gemacht werden, sind für Endkunden nützlich. Gern gesehen ist das aber nicht bei jedem Anbieter.

Abb.: Das weihnachtlich geschmückte Görlitz lädt in jedem Jahr dazu ein, Weihnachtsgeschenke hier zu kaufen. Obgleich viele Kunden diese Atmosphäre lieben, bringen einzelne beim Einkauf selbstrecherchierte Fakten knallhart ins Spiel
Foto: © Görlitzer Anzeiger
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Die Veränderungen im Kaufverhalten beachten – ein "Dagegen!" der Anbieter hilft nicht

Die Veränderungen im Kaufverhalten beachten – ein "Dagegen!" der Anbieter hilft nicht
Die Berliner Straße ist die Haupteinkaufsmeile von Görlitz. Auch die Görlitzer Händler müssen damit umgehen, dass sich Kunden, vor allem bei größeren Anschaffungen, zusätzlich online informieren
Foto: © Görlitzer Anzeiger

Zunächst ist da das oft anzutreffende Denken in Regionen: Sicherlich ist es beispielsweise für einen Görlitzer Fachhändler ausgesprochen ärgerlich, wenn sich ein Kunde bei ihm ausführlich informiert, sich dann aber mit einem Vorwand wie „ich muss mir das noch einmal überlegen“ verabschiedet und den auf Grundlage der Beratung ausgewählten Artikel bei einem preiswerteren Online Anbieter bestellt.

Dagegenhalten wollen immer wieder Initiativen, die zum "Kauf vor Ort" oder heimischer Angebote aufrufen. Doch deren Erfolgspotenzial scheint begrenzt in einer Welt, in der viele Waren schnell, bequem und preiswert zu Hause am Computer gekauft werden können – will sagen: Händler sind gut beraten, den Wandel im Kundenverhalten zu analysieren und vor allem eigene Ideen zu entwickeln, wie sie die Bedürfnisse genau ihrer Kunden, die ja über den reinen Kauf einer Ware oder Dienstleistung deutlich hinausgehen, besser als Wettbewerber befriedigen können.

Handwerker und Dienstleister müssen sich noch besser auf "gut informierte Nicht-Experten" einstellen

Eine typische Situation ist gelegentlich in Arztpraxen zu erleben. Der Kunde – hier Patient (lateinisch für „der Duldende“) genannt – hat sich im Internet vorab über seine Beschwerden informiert, ehe er den Arzt als Experten aufsucht, der eine Lösung für sein Gesundheitsproblem aufzeigen soll. Wenn der Patient nun auf Basis seines zwangsläufig lückenhaften im Internet gewonnenen Wissens entsprechende Fragen stellt oder gar Behandlungsalternativen ins Gespräch bringt, kann noch nicht jeder Mediziner professionell damit umgehen, jedoch ist ein „Überlassen Sie mal mir das!“ für den Patienten eben nicht befriedigend.

Mit dem Maße, wie dem Patienten online auch hochspezialisiertes Fachwissen zugänglich ist, wird er – selbstverständlich in Grenzen – zum Partner des Arztes, was eine große Chance dafür ist, dass ein Patient seine Krankheit genauer versteht und deren Verlauf besser beeinflussen kann.

Nun liegt es fern, Mediziner mit Handwerkern oder Produktionsbetrieben zu vergleichen, dennoch: Auch hier im gewerblichen Bereich muss der Umstand, dass Kunden dank Internet immer besser informiert sind, beachtet werden. Während ein Handwerker Anfang der 90er Jahre einem potenziellen Kunden oftmals einfach "was erzählen" konnte, muss er heute davon ausgehen, dass dieser mögliche Käufer vorinformiert ist und seine Aussagen nachträglich im Internet überprüft. Dabei können Privatkunden sogar in einen Bereich vorstoßen, der ihnen als Käufer eigentlich verwehrt ist: den Großhandel.

Folgendes Beispiel macht das deutlich. Angenommen, Sie bestellen sich neue Fenster, dann wird Ihnen Ihr Lieferant vermutlich eine Auswahl an Fenstergriffen vorlegen, meist solche, die er gerade am Lager hat, die er vielleicht besonders günstig einkaufen kann oder zu deren Lieferanten eine eingespielte Geschäftsbeziehung besteht. Sie aber haben selbst recherchiert und sind auf einer Seite wie Tooler auf Ihr Vorzugsmodell, was Design und Funktionalität betrifft, gestoßen und bestehen auf dessen Verwendung. Jetzt muss sich Ihr Fensterlieferant einer neuen Situation stellen: neben seiner Angebotspalette bezieht der Kunde ganz selbstverständlich Angebote Dritter mit ein.

Auf diese Situation hat man sich bei der CA Brill GmbH, einem technischen Systemlieferanten für Industrie- und Handwerksbedarf sowie Baubeschläge, eingestellt. Obgleich sich der erwähnte firmeneigene Online-Shop unter der Domain www.tooler.de an gewerbliche Abnehmer richtet und Profi-Qualität bietet, können sich hier auch Privatpersonen über Produkte informieren und demnächst sogar selber bestellen - und das zu fairen Konditionen. Dann sollen die Kundenmanager, die bislang nur den Profi-Verwendern per Mail und Telefon ein "mehr an Service" bieten, auch ambitionierten Privatkunden zu Verfügung stehen.

Generell gilt: Als Anbieter – sei es in der Industrie, als Gewerbebetrieb oder Freiberufler – ist man gut beraten, wenn man sich darauf vorbereitet, dass Endkunden dank Internet immer mehr Angebote, auf die man selbst zurückgreift, zur Verfügung stehen. Sie werden schnell lernen, diese Informationen zu nutzen. Die Grundfrage für Industrie, Handwerk und andere Anbieter ist dabei, ob man seinen Kunden die Mitwirkung schon bei der Angebotsgestaltung möglichst weitgehend erlauben will oder, als das andere Extrem, diese Mitwirkung total verweigert nach dem Sprichwort „Friss, Vogel, oder stirb!“

Fakt ist jedoch: Der informierte Kunde wird immer weniger bereit sein, auf starre Angebote einzugehen. Gerade für Handwerker bleibt hier nur, ihre Beratungskompetenz und Servicequalität weiter auszubauen und ihr Geschäft immer wieder aus dem Blickwinkel des Kunden zu betrachten.

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  • Quelle: Thomas Beier | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 06.01.2016 - 12:09Uhr | Zuletzt geändert am 24.05.2022 - 15:58Uhr
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