Wirtschaft informiert Wirtschaft

Niesky, 25. Juni 2008. Nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt war am 24. Juni 2008 der Tagungsraum des Technologiebetreuungs- und Gründerzentrums Oberlausitz-Niederschlesien (TBGZ) in Niesky anlässlich der Wirtschaftsgespräche „Wirtschaft informiert Wirtschaft“.

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TBGZ lockt mit interessanten Themen viele Unternehmer

TBGZ-Geschäftsführer Dr. Klaus Herold hatte wieder mit viel persönlichem Einsatz im Hintergrund die Strippen gezogen und gemeinsam mit Roland Jäkel, dem Vorsitzenden des Wirtschaftsfördervereins Niederschlesien e.V., ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Referenten bewiesen.

Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH

Anfangs berichtete Wolfgang Freese vom Bemühen der Wirtschaftsförderung Sachsen (WFS) um neue Investoren. Zunehmend interessanter würden Unternehmen aus Osteuropa. So sei es einem polnischen Softwareunternehmen gelungen, in kurzer Zeit neunzig Arbeitsplätze für Hochschulabsolventen zu schaffen.

Landrat Bernd Lange

Der für den neuen Landkreis Görlitz gewählte Landrat und Noch-Landrat des Niederschlesischen Oberlausitzkreises (NOL) Bernd Lange stellte die Potenziale der Region in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Unter anderem nannte er die Görlitzer Industrie, wo Konzerne wie Siemens und Bombardier Know-how und Fertigungskapazitäten konzentrierten.

Aber auch der Energiebereich sei traditionell stark. Lange verwies auf die Forschungskapazitäten der Fachhochschule Zittau/Görlitz, die stärker genutzt und ausgebaut werden könnten. Das Vattenfall-Braunkohlenkraftwerk in Boxberg mit den Perspektiven zur Kohlendioxid-Abscheidung und die sich entwickelnde grüne Energiewirtschaft, zu der auch die Wasserkraftwerke an der Neiße zählten, seien naheliegende Praxispartner.

Als wichtige Aufgabe bezeichnete Lange die bessere verkehrsmäßige Erschließung der Region. Dazu gehöre die Aufwertung der alten via regia. Stichworte in diesem Zusammenhang waren der weitere Ausbau der Sachsenmagistrale und die notwendige Einführung einer schnellen Zugverbindung zwischen Görlitz und Breslau (Wroclaw).

Nötig sei vor allem das gemeinsame Auftreten mit dem neuen Landkreis Bautzen als Oberlausitz.

Als Engpässe benannte Lange unter anderem die Anbindung von Weißwasser an Bautzen und den Neubau der B160. In Richtung Osten hingegen werde für Weißwasser mit dem Neubau der Brücke in Krauschwitz die Anbindung an die Autobahn Berlin - Breslau (Wroclaw) gewährleistet.

An der B178, die Zittau besser mit der Autobahn A4 verbinden soll, tue sich insgesamt zu wenig, monierte Lange. Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Görlitzer Südraums sei die Süd-West-Umfahrung von Görlitz.

Im Noch-NOL-Kreis habe sich in den vergangenen Jahren das unter breiter Beteiligung entstandene Strategiepapier bewährt. Dort einst festgeschriebene Prioritäten wie das Radwege-Netz oder der Bärwalder See seien heute auf einem guten Weg.

Tourismus sei für die Region, so der Landrat, ein wichtiger Faktor, der etwa ein Viertel der Wirtschaftskraft ausmachen könne. Mit der reichen Kulturvielfalt, der Nähe von Polen und Tschechien, dem Radwege-Netz, der Umgebindelandschaft, Mittelgebirge, Heide- und Teichlandschaft sowie dem Seenland sei eine gute Basis gegeben.

Weniger Schulabsolventen

Auf die stark zurückgehende Zahl von Schulabgängern in den nächsten Jahren verwies NOL-Schulverwaltungs-Amtsleiterin Marlies Wiedmer-Hüchelheim. Die Zahl der Lehrstellenbewerber werde binnen kürzester Zeit um 60% zurück gehen.

Zur "Woche der Unternehmen" in diesem Jahr hätten aus dem NOL-Kreis 106 Schüler insgesamt 23 Unternehmen besucht, aber für 192 Schüler seien die Veranstaltungen von Bundeswehr und Polizei interessanter gewesen.


Fa. Künstlerische Holzgestaltung Jürgen Bergmann


Einer der wichtigen Arbeitgeber im alten und neuen Landkreis ist die Fa. Künstlerische Holzgestaltung Jürgen Bergmann, die vor allem bekannt geworden ist durch den „grüngeringelten Abenteuerfreizeitpark“ und in jüngster Zeit durch ihre Baumhäuser.

Inhaber Jürgen Bergmann stellte zunächst das am Tag der Währungsunion de facto ohne Startkapital gegründete Unternehmen vor. Heute erwirtschaften hier ca. 70 Mitarbeiter einen Jahresumsatz von drei Millionen Euro in der Holzgestaltung und zusätzlich etwa einer Million im Bereich des Freizeitparks.

Das Unternehmen versteht sich als „künstlerisch arbeitende Manufaktur“. Hergestellt werden ausschließlich Unikate. „Wenn man das überlebt, kommt man zwangsläufig an die Spitze“, kommentierte Bergmann rückblickend die Entwicklung seines Betriebs.

Heute werden zwei Drittel aller Arbeiten im oder für das Ausland erbracht. Der Durchbruch für das Exportgeschäft kam mit der Beteiligung an der Expo 2000 in Hannover. Seitdem erfolgt die Kundengewinnung hauptsächlich über spezialisierte große internationale Messen wie die Freizeitparkmesse in Paris.

Eine Besonderheit sei die Fertigungsorganisation. Gebaut werde nach Modellvorlagen im Maßstab 1 : 25 - Modelle, die schon mal einige Quadratmeter groß sein könnten. Spielplätze machten nur runde fünf Prozent der Aufträge aus, meist werde an komplexeren Aufträgen aus der Freizeitbranche gearbeitet. Typische Auftraggeber seien Zoos wie der Berliner, der ein „Forscherschiff“ orderte oder der in Osnabrück, wo ein Afrika-Spielplatz eingerichtet wurde, der nun durch ein Afrikanisches Dorf ergänzt wird. Auch Gartenschauen würden immer wieder gern auf die kreativen Leistungen der Holzgestaltungsfirma am äußersten Ostrand Sachsens zurückgreifen.

Die Liste der Referenzen ist lang: Der Märchenpark am Neusiedler See in Österreich, die Luxemburger Insektenwelt, Baumhausburgen in Holland, das Schiff der fröhlichen Königin in Brüssel, der Robin-Hood-Spielplatz in Sherwood Forest, Safariparks in Protugal und Spanien, eine Ferienresort an der Algarve und ein Strandschiff auf Sylt sind Beispiele. In China seien Objekte der ostsächsischen Firma detailgetreu „gekupfert“ worden, wie der staunende Inhaber in der Veröffentlichung einer Fachzeitschrift feststellte.

Der unterm Strich ungünstige Standort in der Grenzlage des dünnbesiedelten Ostsachsens habe sich dennoch erfolgreich entwickelt. Heute strömen 100.000 Besucher jährlich in den Freitzeitpark der Kulturinsel Einsiedel, davon etwa zwei Drittel aus dem Großraum Dresden. Insgesamt verschiebe sich die Besucherstruktur hin zu Gästen aus weiter entfernten Regionen, wozu sicher auch die mittlerweile recht gute Verkehrsanbindung beitrage.

Die bisher fünf Baumhäuser des 1. Deutschen BH-Hotels wurden jüngst um drei weitere ergänzt, die besonders komfortabel ausgestattet sind und je bis zu sechs Personen Platz bieten.
Die Baumhaus-Hotel-Anlage erweist sich als überaus attraktiv: Die Baumhäuser sind für den August - bis auf einen Tag - bereits komplett ausgebucht.

Übernachtet werden kann auf der Kulturinsel Einsiedel auch im Indianer-Tipi-Dorf, im orientalisch angehauchten Waldsiedlum, das in Kooperation mit der Nieskyer Zeltfabrik entstand, oder im Erdhaus. Ein Bad im Kannibalenkessel gehört für viel Gäste zu den Höhepunkten des Aufenthalts.

Bekannt ist die Kulturinsel auch für ihre insgesamt mehr als fünfhundert Meter unterirdischer Geheimgänge und für das im vergangenen Jahr entstandene Gartenzwerglabyrinth.

Für Aufmerksamkeit in Wissenschaftskreisen hatte die Wiederentdeckung der Turi-Sede-Hochkultur gesorgt. Die Wiederentdeckung der mehr als tausend Jahre alten Spuren, die heute im Turi-Sede-Museum gezeigt werden, ist in ihrer Bedeutung der möglichen Wiederentdeckung des sagenhaften Atlantis vergleichbar. Die Kulturinsel hat sich des Themas verantwortungsvoll angenommen. So soll durch Rückzüchtung as Ur-Rind von Turi-Sede wieder erschaffen werden.

Für Schulklassen wird eine Abenteuerschule angeboten, wo beispielsweise Mathematik ganz praktisch in der Natur angewendet und damit kapiert wird. Deutschen, tschechischen und polnische Schulklassen werden Erlebnisse vermittelt, mit denen Verständigung ganz ohne Sprache funktioniert.

Mit der in diesem Jahr eröffneten Gierseil-Fähre über die Neiße soll die Görlitzer Heide behutsam erschlossen werden. Ein Radweg ist schon ausgeschildert. Das nahe gelegene polnische Dorf soll von den Tourismuspotenzialen der Kulturinsel profitieren.

Zum Investitionspaket bis 2010 gehören ein Bett+Bike-Angebot, der Ausbau des Gastronomiekomplexes, eine Erlebnispension, eine Abenteuer-Toilette. Und es entsteht das erste und einzige Baumhaus-Museum der Welt.

Anlässlich des Folklorums lädt die Kulturinsel Einsiedel zu einer Tourismus-Konferenz ein.

Jürgen Bergmann verwies darauf, dass der Großkreis als Ganzes touristisch nicht vermarktbar sein. „Entlang der Verbindung Bautzen-Görlitz verläuft eine unsichtbare Trennlinie. Wer als Tourist südlich davon ankommt, die für den Norden verloren. Und umgekehrt“, hat Jürgen Bergmann festgestellt. Mit dem Begriff der „Zentral-Lausitz“ für die Region zwischen Görlitz und Bad Muskau habe man einen für Auswärtige spannenden Markennamen geschaffen.

Die Zentral-Lausitz brauche - mangels natürlicher - künstlich geschaffene Attraktionen. Nach Bergmann solle sie die „kreativste und verrückteste Ferienregion“ werden. Um da zu befördern, haben er und seine Mitstreiter den „Touristischen Innovationspreis“ ausgerufen. Für das Preisgeld wirbt er Spenden ein, wobei ihm „kleine Beträge auf breiter Basis“ wichtig sein, die eine breite Unterstützung dokumentierten.

Bergmann ist zugleich schlau und uneigennützig genug, sich für eine starke Tourismuswirtschaft in der Lausitz zu engagieren. Gegenseitige Ergänzung und Weiterempfehlung heißt sein Rezept, mit der noch mehr Touristen angelockt und zu einem längeren Aufenthalt „verleitet“ werden sollen. Die Kulturinsel ist dabei einer der regionalen Leuchttürme, von denen andere Ausflugsziele, Reiseveranstalter und Übernachtungsstätten profitieren.

LEX Lausitzer Existenzgründer-Wettbewerb

Abschließend stellte Andrea Rudolph den LEX Lausitzer Existenzgründerwettbewerb vor. Initiiert von großen Unternehmen wie Vattenfall beruht der Wettbewerb darauf, dass Dienstleister im Umfeld des Existenzgründungsgeschehens ihre Leistungen unentgeltlich bereit stellen, um Gründer zu schulen sowie Businesspläne zu erarbeiten und zu bewerten. Unternehmerisch gesehen, wenn die Anmerkung gestattet ist, kein gutes Vorbild für die Gründer: Mit unbezahlter Arbeit ist wirtschaftlich schwerlich zu überleben.

Die Teilnehmer des Wettbewerbs werden danach nicht fragen, erhalten Sie doch günstig Zugang zu Wissen und haben die Chance, als Preisträger 5.000, 3.000 oder 2.000 Euro zu gewinnen, vom PR-Effekt ganz zu schweigen. Der Sonderpreis „Unternehmensnachfolge“ ist mit 2.000 Euro dotiert.

Im vergangenen Jahr hatte die Firma Sachsenhits aus Niesky mit Ihrer „Lebendigen Postkarte“ die Nase vorn und räumte für die gute Idee, DVDs pfiffig verpackt als Postkarte zu verschicken, den ersten Preis ab.

Abgabetermin für den aktuellen Wettbewerbszyklus ist der 8. Oktober 2008.

Mehr:
http://www.wfs.sachsen.de
http://www.nol-kreis.de
http://www.kulturinsel.de
http://www.lausitzer-gruenderwettbewerb.de

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  • Quelle: /TEB | Fotos: /BeierMedia.de | Erstveröffentlichung 25.06.2008 - 18:22 Uhr
  • Erstellt am 25.06.2008 - 17:38Uhr | Zuletzt geändert am 06.07.2018 - 11:04Uhr
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