Görlitz will kein Atomkraftwerk in Grenznähe

Görlitz. Der Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick hat mit großer Sorge Medienberichte verfolgt, die über Pläne zur Errichtung eines Atomkraftwerkes (AKW) in der Republik Polen informierten. Dabei wurde als ein möglicher Standort auch das Kraftwerksgelände Türchau (Turow), in unmittelbarer Nähe der Stadt Görlitz, benannt.

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Paulick: „Wir wollen diese risikohaltige Technologie hier nicht.“

Thema: Atomwirtschaft in der Dreiländerregion

Atomwirtschaft in der Dreiländerregion

Die sächsische CDU hatte im Jahr 2005 über ein Atomkraftwerk in Hirschfelde bei Zittau diskutiert, im Jahr 2011 wurde ein mögliches polnisches Atomkraftwerk an der Neiße zum Thema. Zehn Jahre später steht die Suche nach einem Standort für ein Atommüll-Endlager im Fokus.

„Wir wollen diese risikohaltige Technologie hier nicht“, teilte Oberbürgermeister Paulick in einem Schreiben an den sächsischen Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Frank Kupfer, mit und bat ihn, sich gegen die Errichtung und Betreibung eines AKW in Grenznähe einzusetzen.

Darüber hinaus ist das Görlitzer Stadtoberhaupt daran interessiert, die Position der sächsischen Landesregierung zu erfahren. „Die ersten Bürger haben bereits dazu angefragt und ich möchte darauf verlässlich Auskunft geben können. Ich gehe davon aus, dass der Freistaat Sachsen bei derartigen Plänen ein starkes Mitspracherecht hat bzw. einfordern muss“, so der Görlitzer Oberbürgermeister.


Kommentar

Wenigstens ein Prominenter*) aus der regionalen Politszene, der den Mund aufmacht und klare Position bezieht.

Kaum war die Meldung von den polnischen Atomkraft-Plänen am Neißestrand nebst einigen nichtssagenden Statements durch die Medien gehuscht, schien sich eine gewaltige Käseglocke über das Thema gesenkt zu haben. Was eigentlich hat der noch viel direkter betroffene Landkreis Görlitz unternommen, um das Atomrisiko von vornherein von seinen Bürgern fernzuhalten?

Egal, ob das Atomkraftwerk in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren gebaut werden könnte - es kann nur eine klare Ansage geben: "Wagt nicht einmal, daran zu denken..." Wenn der deutsche Staat einen milliardenschweren Eilausstieg aus der Atomkraft vornimmt und zugleich zulässt, dass vor der Haustür die verruchte Technologie zum Zuge kommt, dann ist etwas faul.

Es nützt doch rein garnix, auf ein Mitspracherecht zu pochen. Kommt der Planungsprozess erst einmal ins Rollen, wird mit höchster Wahrscheinlichkeit gebaut.

Ob dann eine Warnlampe mehr oder weniger an den Atomreaktor geschraubt wird, ist doch völlig egal,

meint Ihr Fritz R. Stänker



*) Allen Lesern Dank für den Hinweis:
Der SPD-Kreisvorsitzende und ehemalige sächsische Wirtschaftsminister Thomas Jurk, MdL, hatte sich bereits am 11. April 2011 gegen einen möglichen Atomkraftwerks-Bau an der Neiße gewendet.

Kommentare Lesermeinungen (11)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Atomkraftwerke

Von Rolf Domke am 19.04.2011 - 09:24Uhr
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als in meiner alten Heimat das Kernkraftwerk Neckarwestheim I gebaut werden sollte und die Bevölkerung über die Atomkraft und die Sicherheit der Atomkraftwerke, ihre Umweltverträglichkeit und Risiken informiert wurde.

Ich erinnere mich an folgende Aussagen der Atomlobby, ständig in den von mir besuchten Informationsveranstaltungen wiederholt:

- eine Wolkenentwicklung über den Kühltürmen ist nahezu ausgeschlossen, somit auch jegliche Schattenbildung
- die Rückleitung des Kühlwassers in den Neckar führt nicht zu einer Erwärmung des Flusses, auch nicht in unmittelbarer Nähe
- eine Erhöhung von Radioaktivität in der Nähe des Kernkraftwerkes ist ausgeschlossen
- Abfälle werden sicher entsorgt
- der erzeugte Strom wird deutlich billiger sein
- usw.

Lang ist es her und die Argumentation war, gemessen an den heutigen Erfahrungen mit der Atomkraft, wirklich naiv. Übrigens auch die geäußerten Befürchtungen wiederum gemessen an dem ungelösten und unverantwortlichen Aufbewahren des Atommülls, den leider erlebten Katastrophen in den USA, der Ukraine und in Japan. Auch ist ist mindestens aus den Atomkraftwerken Phillippsburg, Krümmel und Obrigheim Radioaktivität entwichen.

Wer, egal wer, nach dem heutigen Stand der Technik und nach dem tatsächlich Erlebten noch weiter Atomkraftwerke plant und baut, nimmt Umweltzerstörung und die Zerstörung von Menschenleben bewusst und billigend in Kauf.

Das können wir uns nicht gefallen lassen.

Atomkraft birgt unbeherrschbare Risken

Von Helmut am 18.04.2011 - 20:54Uhr
Herr Engert, ist ist doch egal, was zu den Atomunfällen führt, ob durchgeknallte Wissenschaftler, ein Erdbeben, ein Flugzeugabsturz, ein Steuerungsversagen, eine Bombe, ein Meteorit, Sabotage...

Entscheidend ist, dass bei Atomkraft die Folgen der Verstrahlung duch ausgetretende Partikel mit langen und extrem langen Halbwertszeiten völlig unbeherrschbar sind. Es gibt keine unmittelbare und zeitlich/räumlich weitgehend begrenzte Unfallwirkung, wie bei einem Autounfall oder Branukohlenktaftwerksunfall.
Außerdem ist die Endlagerung des Atommülls ungelöst, auch die Transporte sind nicht risikolos.

Ranking

Von Anonym 2 am 18.04.2011 - 19:24Uhr
Die von anonym eingestellten Ranking-Listen sind ja sehr interessant, aber wenn eine Studie bspw. von 2010 ist, erwarte ich nicht, dass ein Atomkraftwerk, dessen mögliche Planung 2011 bekannt wird, Beachtung findet.

Und, wie unter der Studie auch vermerkt, gibt es keine politische Bindung an diese rein "wissenschaftlichen" Empfehlungen. Eine Beobachtung des Geschehens kann also nicht verkehrt sein.

AKW abschalten?

Von Jens am 18.04.2011 - 16:16Uhr
Lieber Herr Engert, in Punkto allgemeiner Weiterentwicklung der Technik haben Sie recht.

Aber, warum sollen denn die AKW der Polen immer in Grenznähe gebaut werden Vielleicht, damit bei einem Unfall möglichst wenig vom eigenen Land betroffen wird?
Aber mit absoluter Sicherheit dienen diese AKW zur Produktion von Exportstrom und zwar nach Deutschland!

Da bei uns mit der katastrophalen Energieppolitik unserer jeweiligen Regierung (CDU/FDP und Rot/Grün nehmen sich da nicht viel) keine Grundlastkraftwerke (Kernenergie, Braun- und Steinkohle), keine Hochspannungsleitungstrassen und keine Hochleistungsspeicher errichtet werden, ist ja absehbar, dass die Energieknappheit sehr schnell da sein wird. Es kann sich jeder ausrechnen, dass dann Strom in anderen Ländern eingekauft werden muss, da ist es dann offensichtlich egal, ob er aus AKW stammt.

Um Trassenkosten und Leitungsverluste zu minimieren werden die AKW dann in die Nähe der Grenze gebaut (wie in Frankreich ja schon umfassend praktiziert). Ein tolles Geschäftsmodell für all die großen Konzerne und bezahlen müssen es sowieso die Kunden. Das Risiko bei einem Unfall haben wir dann auch noch und die Abhängigkeit vom Ausland nimmt weiter zu.

Sind denn alle blind oder schafft sich Deutschland auch mit seiner Energiepolitik ab?

Warum Atomkraftwerke nein danke?

Von Engert Sven am 18.04.2011 - 10:11Uhr
Ich verstehe nicht, warum man so einen Wirbel um die Atomkraftwerke macht.

Wir hatten bis jetzt zwei schwere Atom Unfälle, was natürlich zwei zuviel waren. In Russland war es eindeutig das Ego einzelner Wissenschaftler, was die Katastrophe auslöste. In Japan war es ein Erdbeben, das die Technik versagen ließ.

Da der Mensch immer weiter forschen wird, kann es sein, das, wir in 20-30 Jahren soweit sind, dass solche Katastrophen vom Menschen beherrscht werden. Ich gehe davon aus, dass die Wissenschaft aus diesen Fehlern lernen wird und versuchen wird, auf dem Gebiet der Kernschmelze soweit Ihre Forschung voran zu treiben, dass man solche Katastrophen schneller in den Griff bekommt.

Dennoch gehe ich auch davon aus, dass Kernkraftwerke eigentlich sicher sind. Wenn man immer gleich nach Unfällen danach schreit alles abzuschalten, hätten wir heute keine Autos, keine Öltanker, keine Flugzeuge, usw., wir würden heute noch mit der Keule durch den Wald ziehen Die Geschichte lehrt es uns doch, dass der Mensch aus Unfällen lernt und nach Verbesserungen forscht. Warum also auch nicht auf dem Gebiet der Atomenergie.

Mit freundlichen

Engert Sven

Atomkraftwerke - nein danke!

Von Helmut am 18.04.2011 - 09:23Uhr
In einem hat der Anonyme Recht: Es geht nicht nur darum, ein Atomkraftwerk im Dreiländereck zu verhindern - das Problem ist doch, dass Polen in der Phase, in der Deutschland mit dem Ausstieg aus der Atomkraft ernst macht, überhaupt erst beginnt, Atomkraftwerke zu bauen.

Hier muss Deutschland sein wirtschaftliches Gewicht in die europäische Waagschale werfen, um einen gesamteuropäischen Atomausstieg voranzutreiben - und Polen helfen, seine Kohlendioxid-Probleme mit erneuerbaren Energien zu lösen.

Die Lokalpolitik im Dreiländereck ist aufgerufen, sich eindeutig zu positionieren. Jeder Verweis auf andere Standorte oder den Faktor Zeit oder auf "Mitspracherechte" führt nur dazu, dass neue Atomkraftwerke nicht verhindert werden. Aber genau darum geht es.

Schlagzeile ist wichtiger als Fachwissen

Von (anonym) am 18.04.2011 - 08:04Uhr
Bevor man sich einer Schlagzeile anschließt, sollte man sich zumindest einmal mit den tatsächlichen Fakten beschäftigen.

Ein Standort im Dreiländereck ist bei dem aktuellen Ranking fast ausgeschlossen - aber möge sich der Leser selbst ein Bild davon machen.

http://www.elektrownia-jadrowa.pl/tresc/drukuj/PL/28

http://www.aflum.de/wp-content/uploads/AKW-Ranking-vom-16.03.2010.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_%C5%BBarnowiec#Daten_der_geplanten_Reaktoren

Auch wenn Kommentare zu einer guten Pressearbeit dazu gehören, kann ich die Art und das Schlechtschreiben der Region nicht mehr nachvollziehen - mit solchen Meinungsmachern hat die Region (auch ohne AKW) tatsächlich keine Zukunft !

Abwahl!

Von Lausitzer am 17.04.2011 - 14:50Uhr
Hallo Jens, Du hast selbstverständlich Recht, am Ende ist es egal, wer was zuerst gesagt hat, wichtig ist, dass wir gemeinsam gegen diese verrückten Pläne ankämpfen.

Auf eine ehrliche und unterstützende CDU werden wir hingegen nicht bauen können. Nach mehr als 20 Jahren sind die Verantwortlichen dieser Partei abgehoben genug, um unseren Protest nicht ernstnehmen zu müssen. Da hilft nur die Abwahl!

AKW - kommt eine vernünftige Antwort?

Von Jens am 16.04.2011 - 20:28Uhr
Hallo Helmut und Lausitzer, stimmt, aber ist doch völlig egal, wer als erster was gesagt hat. Wichtig ist, dass überhaupt was gesagt wird.

Von unseren CDU- und FDP-Größen hört man ja mal wieder nichts, vielleicht weilen die Herren Kretschmer, Bandmann und Frau Schütz aber auch gerade zu "wichtigen" Staatsbesuchen in Burkina-Faso oder auf den Fidshi-Inseln.

Ich bin ja gespannt, ob der OB diesmal eine vernünftige (ehrliche wird nicht erwartet!) Antwort von Herrn Kupfer bekommt oder ob der Ihn wieder als unverschämt bezeichnet.

Jurk war der Erste

Von Lausitzer am 15.04.2011 - 19:54Uhr
Also Herr Stänker, Sie müssten eigentlich mitbekommen haben, dass der ehemalige Wirtschaftsminister Jurk der Erste überhaupt war, der sich zu diesem Thema zu Wort gemeldet hat.

Soviel Fairness muss sein.

Paulick gegen Atomkraftwerk

Von Helmut am 15.04.2011 - 19:11Uhr
Paulick ist nicht der einzige Prominente, der sich öffentlich gegen die polnischen Atomkraftpläne wendet. Auch SPD-Kreisverbandschef Jurk hat sich schon vorher glasklar dagegen ausgesprochen.

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  • Quelle: red | Fritz Rudolph Stänker (Update: 16. April 2011, 00:36 Uhr)
  • Erstellt am 15.04.2011 - 18:32Uhr | Zuletzt geändert am 17.04.2011 - 20:23Uhr
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