Beruf und Karriere: Was soll aus mir werden?

Beruf und Karriere: Was soll aus mir werden?Görlitz, 4. Februar 2021. Von Thomas Beier. "Die Industrie ernährt immer ihren Mann", gaben Generationen von Vätern ihren Söhnen zu bedenken, wenn es um die Berufswahl ging. Längst ist bewiesen: So einfach ist das nicht mehr, weder bei Jungen noch bei Mädchen – spätestens, seit die Industrie selbst einem immer schnelleren Wandel unterliegt. Außerdem fließen Ansprüche an die eigene Lebensqualität und die Work-Life-Balance viel stärker in die Berufswahl und den Karriereweg ein.

Abb. oben: Jüngere Leute haben bei der Frage nach ihren Berufszielen oft schon früh feste Vorstellungen, sind aber gerade deshalb auf den Rat Älterer angewiesen – doch deren jahrzehntealte Erfahrungen passen nicht unbedingt in die Gegenwart
Bildquelle: Jill, Pixabay License
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Berufliche Orientierung am sicheren Arbeitsplatz? Wo geht das noch?

Berufliche Orientierung am sicheren Arbeitsplatz? Wo geht das noch?
Softwareentwickler und Anwendungsberater dürften zu den Berufsprofilen gehören, die am Arbeitsmarkt immer wieder gefragt sind
Symbolfoto: louisehoffmann83, Pixabay License (Bild beschnitten)

Wer heute seine Kinder bei der Berufswahl unterstützen möchte, kann oftmals nicht mehr seine eigene Lebenserfahrung zu Rate ziehen. Ähnlich ist es übrigens bei jenen, die sich beruflich neu orientieren oder auf Basis ihrer Qualifikationen den nächsten Karriereschritt angehen wollen: Stets ist eine gehörige Portion Unsicherheit ausgerechnet dann im Spiel, wenn sich jemand an der Sicherheit der künftigen Arbeitsplatzes orientieren möchte. Auf der Suche nach Sicherheit ist es gerade im Landkreis Görlitz beliebt, schon als Azubi in einer Verwaltung unterzuschlüpfen – in der Hoffnung, dort die Zeit bis zur Rente zu verbringen. Je nach den persönlichen Prämissen für sein Leben kann man das höchst unterschiedlich bewerten.

Bei der beruflichen Orientierung – ganz gleich, in welchem Alter – gibt es zwei ganz grundlegende Bereiche. Stark vereinfacht auf den Punkt gebracht steht zum einen die Frage, ob man sich lieber fachlich – geistig oder handwerklich – spezialisiert, ob man eher ein unaufgeregtes und berechenbares Arbeitsumfeld sucht oder etwa als Führungskraft die Herausforderungen und Auseinandersetzung mit anderen Leuten braucht.

Wer als Führungskraft geeignet ist, der hat mit dem zweiten Bereich kein Problem: Nämlich dem, welche Qualifikationen immer gebraucht werden. Dazu zählen grundsätzlich ausgeprägte Führungseigenschaften, gepaart mit Führungswissen und -erfahrung. Anders ist das bei der fachlichen Spezialisierung: Hier ist – öfter als mancher denkt – das Risiko im Boot, dass die Qualifikation irgendwann veraltet oder wegen eines Technologiewandels nicht mehr oder nur noch in weit geringerem Umfang benötigt wird. Wer dann nicht auf neue Felder umschwenken kann, hat verloren und landet schnell auf dem beruflichen Abstellgleis.

Ein bestimmter Wirtschaftsbereich allerdings giert aktuell und mit einiger Sicherheit auch in Zukunft nach qualifizierten Arbeitnehmern: die Software-Industrie. Allerdings muss man auch hier gleich aufs richtige Pferd setzen, um seine Karriere zukunftsrobust zu gestalten. So sind Fachinformatiker für Systemintegration ebenso wie SAP Entwickler und SAP Berater wohl nie wieder aus der Arbeitswelt wegzudenken. Wer SAP Jobs finden möchte, trifft auf Unternehmen, bei denen diese Berufsgruppen dringendst gesucht werden. SAP steht für die 1972 gegründete Fünf-Mann-Firma "Systemanalyse Programmentwicklung", die heute mit mehr als 100.000 Mitarbeitern weltweit einer der führenden Anbieter von Software ist, die Geschäftsprozesse abbildet und diese steuern und optimieren kann.

Intelligenz, die keine ist

Eines der spannendsten Themen im Bereich der Informationstechnologien (IT) ist die Künstliche Intelligenz (KI), etwas ungenau abgeleitet aus dem englischen Artificial Intelligence (AI) – ein Begriff, den der US-Informatiker John McCarthy bereits 1955 einführte. Ungenau deshalb, weil der Intelligenz-Begriff im Englischen nicht so breit belegt ist wie im Deutschen, sondern sich eher auf die Fähigkeit reduziert, auch unter vielfältigen Rahmenbedingungen zu verwertbaren Aussagen und Handlungen zu gelangen. Deshalb ist "Künstliche Intelligenz" heute eher ein Marketing-Begriff, der eher gedankenlos benutzt wird.

Es geht also bei der "Künstlichen intelligenz" noch längst nicht um Intelligenz, sondern um die Verarbeitung großer Datenmengen, um unter Einbeziehung der Fähigkeit zur Selbstkorrektur daraus automatisierte Entscheidungen – Automatic Decision Management (ADM) – abzuleiten. Viele denken dabei zuerst an das automatisierte Fahren, bei dem eine "Künstliche Intelligenz" entscheiden muss, wie sich ein Fahrzeug etwa in einer Gefahrensituation verhält.

Intelligente Systeme als Wachstumsfeld

Dabei sind solche ADM-Systeme doch bereits im Einsatz oder sind zumindest denkbar, etwa bei Personal-, Kredit- oder Versicherungsentscheidungen, für die eine riesige Wolke an Datenspuren, die ein Bewerber oder Kunde hinterlassen hat, herangezogen werden können. So erlaubt §37 des Bundesdatenschutzgesetzes etwa der Versicherungswirtschaft die automatisierte Entscheidungsfindung, während Artikel 22 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eine Entscheidung allein auf Grundlage der automatisierten Verarbeitung einschließlich Profiling weitgehend untersagt, jedoch nicht ohne Ausnahmen und Rahmenbedingungen zu nennen.

Doch es geht nicht immer um Personen: Bei SAP nennt man es "Business Intelligence", wenn aus der SAP Analytics Cloud in Echtzeit vorausschauende Analysen für die Unternehmensplanung abgeleitet werden. Das ist nicht allein aus Sicht der Informatik enorm spannend, sondern berührt zudem Fragen der Wirtschaftsethik, denn wenn auf Basis objektiver Daten auch Annahmen über weitere Daten und Entwicklungen getroffen werden, dann ist der Weg, auf dem eine automatisierte Entscheidung gefunden wurde, schließlich nicht mehr nachvollziehbar. Soll man einem technischen System vertrauen, nur weil es wahrscheinlich beziehungsweise in den meisten Fällen bessere Entscheidungen trifft als Menschen?

Fakt ist: Auch wenn die Rechtslage jetzt noch in vielen Fällen dagegen spricht, werden automatisierte Entscheidungen den Alltag immer mehr durchdringen, von der Altenpflege bis zur Optimierung des Energieverbrauchs, vom Rechts- bis zum Gesundheitswesen. So verweist auch die Europäische Union bei Thema Datenschutz darauf, "Profiling und automatisierte Entscheidungsfindung sind in einigen Sektoren gängige Praxis, z. B. im Bank- und Finanzwesen, im Steuerbereich und in der Gesundheitsversorgung. Sie kann effizienter, aber weniger transparent sein und Ihre Wahl einschränken." Anders gesagt: Es wird besser und zugleich schlechter, aber es kommt. Das Recht, das Eingreifen einer natürlichen Person zu erwirken und das Recht auf Anfechtung einer automatisierten Entscheidung dürften beide in vielen praktischen Fällen, so ist zumindest anzunehmen, weitgehend ausgehebelt werden.

Bei Berufsentscheidung auch Bereitschaft zum Wohnortwechsel überdenken

Bestimmte Berufswege bleiben jenen vorbehalten, die bereit sind, der Arbeit hinterherzuziehen. Ein hochqualifizierter Programmierer oder IT-Spezialist etwa muss bereit sein dort zu arbeiten, wo die Projektteams sind – die Annahme, berufsbedingt laufe in der IT-Branche alles digital und man brauche deshalb überhaupt nicht vor Ort zu sein, ist naiv. Ebenso naiv wäre die Meinung, Hochqualifizierte bestimmter Branchen würden in der Oberlausitz – ja doch, von Ausnahmen abgesehen – angemessene Arbeitsplätze finden. Auch wer seine Ansprüche herunterschraubt, stößt auf Ablehnung, denn auch "Überqualifizierte" sind ebenso nicht gefragt.

Bitte nichts falsch verstehen: Natürlich sind auch in der Oberlausitz gut qualifizierte Leute gern gesehen. Wer hier arbeiten und leben möchte, wird bei regionalbezogenen Job- und Karriere-Initiativen fündig. Immerhin hat ein Leben außerhalb der Ballungszentren seine Vorteile und von außen kommende Entwicklungshelfer sind für strukturschwache Regionen immer von besonderem Wert. Ob das aber anerkannt wird? Es gab vor Jahren eine Gruppe hochqualifizierter – á la Betriebswirtschaftsstudium mit Bestnoten plus Marketing-Jahr in den USA – Absolventinnen, die alle in die heimatliche Oberlausitz zurückkehren wollten. Nicht eine einzige der Frauen fand hier eine Anstellung, weil: eben überqualifiziert, vielleicht sogar mit ihrem hohen Bildungsstand anderen Angst machend. Inzwischen gehören sie ausnahmslos zu jenen klugen jungen Frauen, die aus der Oberlausitz weggegangen und damit vor Ort Mangelware sind, woanders aber mit Kusshand eingestellt wurden.

Inzwischen wird – auch im Zuge des Strukturwandels weg von der braunkohlebasierten Wirtschaft – mit Vehemenz versucht, hochwertige Arbeitsplätze in der Oberlausitz anzusiedeln. Man darf gespannt sein, wer kommt, wer bleibt.

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  • Quelle: Thomas Beier | Bildquelle Mädchen: Jill, Pixabay License; Foto Büro: louisehoffmann83, Pixabay License
  • Erstellt am 04.02.2021 - 09:25Uhr | Zuletzt geändert am 04.02.2021 - 11:19Uhr
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