Häuserkampf in Görlitz: Ursu will moderieren
Görlitz, 26. November 2020. Von Thomas Beier. Endlich hat der Görlitzer Anzeiger auch mal eine reißerische Headline, im biederen Görlitz ist die Gelegenheit dafür gar nicht so einfach zu finden. Nur in den Augen einiger weniger ist die Diskussion um zwei im Stadtbild kaum wahrnehmbare Häuser am Postplatz eine Art Glaubenskampf für selbstdefinierte soziokulturelle Freiräume.
Stadt, Investor und Denkmalschutz im Gespräch
Vorgestern hatten sich der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu, Prof. Dr. Winfried Stöcker, der als Investor das historische Görlitzer Kaufhaus im Zuge der Entwicklung eines Marktzentrums wiederbelegen möchte, und Landeskonservator Alf Furkert im Landesamt für Denkmalpflege in Dresden zu einem Gespräch, das Ursu angeregt hatte, getroffen. Auch Baubürgermeister Dr. Michael Wieler war mit von der Partie.
Im Mittelpunkt standen das von Stöcker geplante Marktzentrum und die Erweiterung des zugehörigen Parkhauses und damit zwangsläufig auch der mögliche Abriss der beiden leerstehenden Häuser am Postplatz. Oberbürgermeister Ursu bestätigte danach eine lösungsorientierte Diskussion. Sein Anliegen ist es, einen guten "Interessenausgleich zwischen einerseits den wirtschaftlichen Interessen und andererseits den Denkmalschutzvorgaben" zu erreichen. Es sei Aufgabe der Stadt, "diesen Prozess zu moderieren und zu einem erfolgreichen Ende zu bringen". Das Gespräch soll schon bald fortgesetzt werden.
Unklar ist demnach noch immer, ob die Denkmalpflege einem Abriss der beiden Häuser, eins verfallener als das andere, überhaupt zustimmen könnte – würde diese Option jedoch nicht bestehen, bräuchte man die Gespräche nicht fortzusetzen. Ob eventuelle Ausgleichsmaßnahmen, etwa in Form der Fassadengestaltung des Parkhauses, möglicherweise als Argumente in die Waagschale geworfen werden, ist momentan ebenso reine Spekulation wie die Suche nach einer ganz anderen Lösung.
AfD wünscht sich historisierende Fassade
Nach der Linkspartei – der Görlitzer Anzeiger berichtete – haben sich inzwischen weitere Parteien zu Wort gemeldet. So begrüßt die Görlitzer AfD-Stadtratsfraktion Stöckers Baupläne und hat einen entsprechenden Beschlussantrag, der auch den Abriss der beiden Häuser am Postplatz einschließt, eingereicht. Bei der Fassadengestaltung des Parkhauses möchte die AfD Anlehnungen an die alten Gebäude sehen.SPD will diskutieren und Kompromisse
Andere Sorgen hat der Görlitzer SPD-Ortsverein: Der will hinterfragen, ob "das Konzept für das Kaufhaus inklusive ausgedehnter innenstädtischer Parkflächen im 21. Jahrhundert noch zeitgemäß ist" und denkt – ganz solidarisch – an das kaufmännische Risiko des Investors. Die Görlitzer SPD-Genossen meinen, dass die Pläne des Investors zur Erweiterung von Lieferzone und Parkhaus nicht nur Privatgrund angreifen, sondern "Flächen und Plätze in der Innenstadt, die den Görlitzern und Görlitzerinnen gleichberechtigt gehören – ob vermögend, besitzend, reich oder nicht". Sie wünschen sich eine öffentliche Diskussion und Kompromisslösungen unter Einbeziehung der Bürger und formulieren im Anweisungston: "Die Diskussion ist gesamtheitlich für das Projekt zu führen." – Sätze, die man gar nicht ernst genug nehmen kann.So mag ein Ortsverein funktionieren, der auf den nächsten Vereinigungsparteitag zusteuert – die Wirtschaft allerdings nicht. Investitionsentscheidungen sind keine Laienspielbühne für Leute, die sich politisch profilieren möchten. Wenn Katrin Treffkorn, Co-Vorsitzende des Görlitzer SPD-Ortsvereins, verdeutlicht “Rechte, Pflichten und Gesetze gelten für jeden – unabhängig von Einkommen und vermeintlichem gesellschaftlichen Status”, dann schwingt der Vorwurf mit, dem könnte nicht so sein. Das erinnert eher an Donald Trump als an konstruktive Politik.
Mehr erfahren in der Ortspresse
Über die Hintergründe der Gegenwehr gegen die Planungen, die vor allem zur Wiedereröffnung des historischen Görlitzer Kaufhauses führen sollen, hat Frank Seibel in einem Gastkommentar in der Sächsischen Zeitung am 23. November 2020 geschrieben. Die hat den Artikel zwar inzwischen hinter der Bezahlschranke versenkt, wer aber keinen Zugang hat und den Trick zur Umgehung der Bezahlschranke nicht kennt (Anfragen zwecklos, der Görlitzer Anzeiger gibt keine Auskunft dazu), sollte ruhig die wenigen Euros für einen Onlinezugang investieren: Die Presse und guter Journalismus werden nämlich gebraucht.Kaufhaus vs. Kultur
Von Vornichtzurückläufer am 07.12.2020 - 09:15Uhr
Wie sich der Blickwinkel verschiebt und vor allem sich Interessen verschieben, wenn ein goldener Investor/in von weitem leuchtet,ist schon fast ein Markenzeichen dieser Stadt.
Doch sieht/hört man genauer hin dann stellt man fest, es ist noch extremer wenn dieser jene Investor/in vor Ort ist und vor lauter leuchten,man seinen/ihren Schatten nicht mehr sieht.
Zum Beispiel die zwei ,,Abriss,,Häuser auf dem Postplatz,
wie kann es denn sein,das die Stadt(bzw. Komm -Wohnen) mit genau diesen Häusern wirbt, nach Görlitz zu ziehen,und im Umkehrschluss alles dafür in die Wege leitet, diese Häuser einem kulturellen und finanziellen schwarzen Loch zu übergeben.
Abgesehen von der (umworbenen),,Kultur,, die in einem der Häuser auf einem sehr hohen Niveau stattfand,nicht umsonst wurde damit geworben.
Es ist erschreckend zu beobachten wie fast die gleichen Personen, dass jetzt ,,angeblich,, linksversüffte-dreckige-Häuserbesetzerpack,denuzieren und abwerten wo sie vor nicht allzulanger Zeit noch dass mit hohen Tönen und Samtstimme umwobene Werberädchen für sich selbst drehten und nutzen.Mit den gleichen Menschen aus diesen Häusern,und wunderschönen Räumen,mit Konzerten und Kerzenlichtromantik.Aber wenn der Investorenschein leuchtet,dann ist es heller als Kerzenschein,dass ist sehr schade und sollte überdacht werden.
Denn es ist und bleibt die Kulturszene und die Hochschulen Jugendverbände, Club´s ect.die junge Menschen nach Görlitz holen,da können sich die Gegner dieser Meinung auf den Kopf stellen(was gut wäre dann würden sie auch mal sehen was unten so los ist),kein Hotel kein Kaufhaus kann junge Menschen in diese Stadt locken,und wem das Egal ist,das junge Menschen hier herziehen oder noch viel wichtiger,dass junge Görlitzer hier bleiben,der hat nichts verstanden wie zukunftsorientiertes Denken und Handeln einer weltoffenen Stadt aussieht.Für diese man sich ja in der Öffendlichkeit so forciert hält und präsentiert.
Also selbst wenn nun doch wieder ein Kaufhaus statt ein Kulturhaus,gefördert wird bzw. überlebt,egal ob Obermarkt-Kulturhaus,Kühlturgebiet Weinhübel oder viele ander so verächtete Soziokulturstätten gescheitert werden oder ununterstützt bleiben, dann so liebe Görlitzer,wundert euch nicht, wenn es weder ein Kulturhauptstadt-Titel gibt noch die Altstadtmillion(Kulturmillionen;) weiter fließt,oder der Altersdurchschnitt sich weiter ins Großmütterliche verschiebt,dann wird genau dass euer Erbe sein...: eine alte leere Stadt!
Ihr alle malt die Zukunft,und auch der ehrenwerte Stadtrat malt eifrig und schnell mit,die Frage ist ob man am Ende ein Bild mit schönen Farben haben will oder ein Schwarz/weiß-Bild?
Danke
Kaufhaus für immer zu? Könnte klappen
Von Seensüchtiger am 02.12.2020 - 21:24Uhr
Unternehmer heißen Unternehmer, weil sie etwas unternehmen. Die Stadt Görlitz hat mit (zu) viel Geld ein soziokulturelles Zentrum geschaffen, welches wohl auch die Wächter eines Hauses als Zielgruppe im Blick haben könnte. Dort ist große Kreativwirtschaft. Es geht um zwei Häuser am Postplatz. Nicht um die Baulücke Landskronstraße, einfach so ein Haus abgerissen. Gab Gründe dafür. Nicht um die vielen Häuser, wegen deren Einsturzgefahr Straßen ewig gesperrt oder zu Einbahnstraßen werden.
Ist schon mal aufgefallen, dass die markanten Görlitzer Werbefassaden der 20er und 30er Jahre nur noch auf Fotos vorhanden sind? Weil zumeist auf den Zustand der Entstehungszeit der Häuser und des Viertels abgestellt wird. Schade, wenn Phasen städtischen Erscheinungsbildes verschwinden. Nicht denkmalgeschützt. Der Denkmalschutz hat hoffentlich nicht nur alte Buden im Visier. Auch Bauten der DDR stehen unter Denkmalschutz.
Die Görlitzer Bürgerschaft steht vor der Frage, ob sie in diesem Kaufhaus nochmal flanieren oder statt dessen wie vor der Stadthalle stehend jammern wollen. Das Kaufhaus allein kann mit selbst generierten Einnahmen nicht betrieben werden. Dass Professor Stöcker das Kaufhaus wie eine Modelleisenbahn Schauinteressenten vorführen will, kann niemand erwarten. Eine Bewahrungskultur, die in Beharren ausartet, verbannte jeglichen Neubau an die Ränder der Stadt. Was wurde eigentlich für das Kaufhaus abgerissen?
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- Quelle: Thomas Beier | Fotos: © BeierMedia.de
- Erstellt am 26.11.2020 - 08:14Uhr | Zuletzt geändert am 26.11.2020 - 08:53Uhr
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