Landräte wollen nicht von Braunkohle lassen

Landkreise Görlitz und Spree-Neiße | Cottbus, 12. Februar 2015. "Sicherung der Braunkohleförderung zum Schutz ureigenster Lausitzer Interessen" haben Harald Altekrüger, Landrat des Landkreises Spree-Neiße, Bernd Lange, Landrat des Landkreises Görlitz und Holger Kelch, Oberbürgermeister der Stadt Cottbus, eine gemeinsame Presseerklärung überschrieben. Darum geht es: Die drei Regionalvertreter waren vorgestern bei Vattenfall in Berlin vorstellig geworden, um sich für die "qualitativ hochwertigen und vielseitigen Arbeitsplätze in der Braunkohlewirtschaft", die "für die Lausitz unverzichtbar" seien und "zu einem Großteil die sozialen Strukturen in der Region" absichern würden, einzusetzen.

Anzeige

Sind alle Themen auf den Tisch gekommen?

Gesprochen haben die Ober- und Niederlausitzer mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Vattenfall GmbH und Vorstandsvorsitzenden der schwedischen Muttergesellschaft Vattenfall AB Magnus Hall und mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Vattenfall GmbH Tuomo J. Hatakka über die Situation der Braunkohleförderung in Deutschland. "Landräte und Oberbürgermeister dankten der Vattenfall-Unternehmensführung für die jahrelange und gute Zusammenarbeit mit den Ländern Sachsen und Brandenburg sowie den Regionalvertretern auf dem Gebiet der Braunkohlewirtschaft. Das Gespräch war von gegenseitigem Respekt geprägt", heißt es in der Presseerklärung.

Im Kern ging es den Verwaltungschefs darum, die "hohe Stellung der Stromerzeugung aus Braunkohle aus ureigensten Lausitzer wirtschafts-, energie-, ausbildungs- und arbeitsmarktpolitischen Interessen" zu verdeutlichen. Hintegrund ist die geänderte Unternehmenspolitik des schwedischen Staatskonzerns Vattenvall nach der Niederlage der Konservativen bei den schwedischen Parlamentswahlen. Die aktuelle Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen prüft den Verkauf der Braunkohlesparte.

Nach Angaben der aus der Lausitz angereisten Gäste sicherte die Vattenfall-Unternehmensführung zu, dass "derzeit hart an einer Entscheidungsfindung gearbeitet" werde, die Regionalvertreter hingegen unterstrichen die Notwendigkeit einer klaren Entscheidung zum schnellstmöglichen Zeitpunkt im Sinne der betroffenen Region Lausitz. Und sie verwiesen darauf, dass das soziale Engagement des Unternehmens Vattenfall in der Region "auch während des Prozesses der Entscheidungsfindung aufrechtzuerhalten sei". Der Energiemulti fördert Kultur- und Sportveranstaltungen und hat auch die Entwicklung des Tourismus in der Lausitz deutlich geprägt.

"Zur weiteren Sicherung der Lausitzer Interessenslagen ist für spätestens Sommer dieses Jahres ein erneutes Treffen geplant", endet die Presseerklärung.

Kommentar:

Erst Anfang September 2014 hatten die Sorben - die eigentlich von den drei Würdenträgern mit zu vertreten sind - in einem Brief an den schwedischen Finanzminister (der Görlitzer Anzeiger berichtete) ein Ende der Zerstörung ihres Siedlungs- und Kulturraums nach dem jahrzehntelangen Abbau gefordert. Offenbar ist die neue schwedische Regierung - auch durch andere Initiativen - sensibilisiert dafür, wie ihr Staatsbetrieb zugunsten einer sterbenden Technologie auf Mitnahmeeffekte setzt und mit Geld Menschen zur Preisgabe ihrer gewachsenen Kulturräume und Landschaften verlockt (ich hatte bereits Mitte 2013 in einem Kommentar dargestellt, wie eine Befragung der Bewohner von Rohne / Rowno zum Thema Umsiedlung zu Gunsten des Kohleabbaus fehlinterpretiert wurde).

Selbst das hochrenommierte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) stellte fest, dass die von Vattenfall geplanten neuen Tagebaue weder für die Energiewende noch für die Netzstabilität notwendig sind. Hinzu kommt, dass die Braunkohleverstromung trotz verbesserter Technologien noch immer alles andere als umweltverträglich ist. "Atmen sie nicht so viel", hatte ich am 14. Oktober 2014 in meinem Kommentar empfohlen, weil das Vattenfall-Kraftwerk Boxberg/O.L. / Hamor allein im Jahr 2010 236kg Blei und 226kg Quecksilber neben vielen Tonnen anderer Substanzen in die Luft absonderte.

Zum Umweltaspekt der Braunkohleverstromung, der damit verbundenen Landschaftsvernichtung und nicht zuletzt Vernichtung des angestammten sorbischen Siedlungsgebietes samst gewachsener Sozialbeziehungen (auch zwischen Sorben und Deutschen) und zu den gesundheitlichen Folgegefahren der Braunkohleverbrennung in Großkraftwerken gesellt sich ein weiterer Aspekt: Angesichts der traurigen wirtschaftlichen Lage insbesondere des Landkreises Görlitz will man die Braunkohleindustrie wegen der damit verbundenen Arbeitsplätze samst sozialen Engagements erhalten - und zementiert damit doch nur den weiteren Niedergang, weil ein Wandel - für den Badegäste und Tourismus an gefluteten Braunkohlegruben nicht ausreichend sind - nicht stattfindet.

Wie wollen die Verantwortlichen denn wirtschaftliche Entwicklung gestalten, wenn nur auf Sauriertechnologie und möglichst kreis- oder auch stadteigene Gesellschaften gesetzt wird, die zentralbeheizt Aufgaben erledigen, für die früher mittelständische Unternehmer mit Ihrer Innovationskraft und ihrem Zwang zu wirtschaftlichem Denken zuständig waren? Durch solche "Ansprechpartner" wird jede Initiative, die sich nicht unter die Haube diese Gesellschaften begibt, erstickt mit der Folge, dass viele der kreativsten Köpfe ihre Koffer längst woanders ausgepackt haben und vor allem jene bleiben, für die ein sicherer Verwaltungsarbeitsplatz das höchste Gut im Leben ist.

Entsprechend dröge ist das Umfeld für Unternehmer, die mit einer Ansiedlung im Neißeland liebäugeln: "Was haben die Leute hier nur für Ansichten?" wird man dann schon mal gefragt, mancher drückt sich drastischer aus. Vielleicht ist es der nahtlose Übergang von der Ahnungslosigkeit in die Unwissenheit, der die Gegend "da hinten" prägt.

Denker, die auf Grundlage von Wissen und Erfahrung eine Meinung abseits politischer Vorgaben vertreten, haben es schwer in der Lausitz. Erst unlängst hat der sorbische Schriftsteller Benedikt Dyrlich im Görlitzer Anzeiger an die Rettung des Dorfes Klitten / Klětno vor 25 Jahren erinnert. Noch heute tritt Dyrlich konsequent gegen den Braunkohle-Raubbau in der Lausitz und besonders im sorbischen Siedlungsgebiet ein. "Der Herr Dyrlich macht sich das Leben schwer, weil er soviel Initiative entwickelt, ohne sich vorher abzustimmen", erfuhr ich neulich hinter vorgehaltener Hand aus ihm politisch nahestehenden Kreisen. Paradox: Dyrlich ist Träger der Sächsischen Verfassungsmedaille "für seine Verdienste um die in Sachsen lebenden Sorben".

Haben die Landräte Altekrüger und Lange und Oberbürgermeister Kelch mit den Vattenfall-Managern über die Devastierung nicht nur von Dörfern, sondern auch von Kultur gesprochen? Über Umwelt- und Gesundheitsschäden als Folgen der Braunkohleverstromung? Haben Sie auf die Situation der Sorben hingewiesen? Und haben sie irgendwann einmal begonnen nachzudenken, wie eine Lausitz radikal ohne Braunkohlewirtschaft erfolgreich sein kann?

Das gehört zu ihrem Job. Unverzichtbar ist nicht die Braunkohle,

meint ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: red | Kommentar: Fritz Rudolph Stänker
  • Erstellt am 12.02.2015 - 13:26Uhr | Zuletzt geändert am 13.02.2015 - 06:06Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige