Breslau nicht abkoppeln!

Dresden | Görlitz | Breslau (Wrocław), 25. April 2015. Die Einstellung der direkten Bahnverbindung zwischen Dresden und Breslau trifft die Oderstadt doppelt, denn auch die direkte Verbindung zwischen Breslau und Hamburg (über Berlin) gibt es nicht mehr. Im Vorfeld der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen am 27. April 2015 fordert die noch junge "Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr" (nicht zu verwechseln mit der politischen Initiative, die sich im Bahnhof Görlitz gegründet hatte) setzt sich für die Wiederherstellung der eingestellten Linien und für eine generelle Verbesserung des grenzüberschreitenden Schienenpersonenverkehrs ein.

Anzeige

Appell an deutsche und polnische Regierung

Die Bahn kommt! - aber nicht aus der Hüfte. So wurden in den zurückliegenden Jahren die Zugverbindungen zwischen Deutschland und Polen bis auf wenige Ausnahmen vernachlässigt. Folge: Zugfahren ist im größten Teil der deutsch-polnischen Grenzregion für Tagespendler, aber auch für andere Reisende kaum noch attraktiv. Als i-Punkt auf dieser Entwicklung wurden binnen kurzer Zeit gleich zwei Bahnverbindungen zwischen deutschen Großstädten und Breslau eingestellt: Der EC Wawel von Hamburg via Berlin nach Breslau im Dezember 2014 sowie der Dresden-Breslau-Express zum März 2015.

Michael Zimmermann aus Schöpstal, der selbst der Initiative angehört, schreibt dazu: "Wir alle verlieren durch die Abschaffung dieser Bahnverbindungen ein allgemein zugängliches, umweltfreundliches Transportmittel, das uns regionale und grenzüberschreitende Mobilität ermöglichte. Für die Bevölkerung stellt diese Entscheidung einen erheblichen Einschnitt im Alltagsleben dar, insbesondere für jene Personengruppen, die auf öffentliche Verkehrsverbindungen als günstige Transportmittel angewiesen sind – Studierende, Rentnerinnen und Arbeitspendler. Auch für die Wirtschaft und den Tourismus in der deutsch-polnischen Grenzregion hat die Einstellung der beiden Linien eine empfindliche Verschlechterung der Verkehrsanbindung zur Folge."

Als Folge der Abschaffung des Dresden-Breslau-Expresses haben sich Deutsche und Polen zusammengefunden und die zivilgesellschaftliche "Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr" aus der Taufe gehoben. Zimmermann: "Mit unserer Initiative möchten wir den Nutzerinnen und Nutzern der grenzüberschreitenden Bahnverbindungen mehr Gehör verschaffen.
Die Initiative ist überparteilich und wird von Vereinen und Einrichtungen der deutsch-polnischen Kooperation unterstützt. Darüber hinaus steht unsere Bürgerinitiative im Austausch mit Politikerinnen und Politikern beider Länder, die sich auf Kommunal-, Regional- und Bundes- bzw. zentralstaatlicher Ebene für besseren deutsch-polnischen Bahnverkehr einsetzen. Wir möchten uns in Zukunft mit weiteren Akteuren und Interessentinnen vernetzen, um dem deutsch-polnischen Bahnverkehr eine größere Lobby zu verschaffen."

Fotoaktion

Im Hinblick auf die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen am 27. April 2015 in Warschau hatte die Initaitive eine Fotoaktion gestartet. "Menschen aus Deutschland und Polen haben uns ihre Stellungnahmen per Foto und Video geschickt", erläutert Zimmermann. Darunter seien Polen und Polinnen, die in Sachsen arbeiten und mit dem Dresden-Breslau-Express ihre Familie in Polen besuchen konnten; Deutsche und Polen, die mit der Bahn Ausflüge ins Nachbarland unternommen haben; Studierende und Wissenschaftler beider Länder, die schnelle und häufig verkehrende Verbindungen benötigen, um im Alltag zwischen ihren Arbeits- und Studienorten Dresden und Breslau auch ohne Auto zu pendeln. Besonders ärgerlich für Zimmermann: "Außerdem sind gerade jene am stärksten betroffen, die den Austausch zwischen Deutschland und Polen unterstützen und fördern: Organisatorinnen von Jugendbegegnungen, Verantwortliche für die Hochschulkooperation, Reiseleiter und andere mehr."

Hier einige Zitate, die zur Aktion eingingen:

    • "Seit Jahren nutzten wir diese Verbindung, um jeweils für einige Tage die Stadt Breslau zu besuchen, unsere Polnischsprachkenntnisse zu festigen und Neues zu entdecken. Wir können es noch immer nicht glauben, dass es damit nun vorbei ist. Das ist doch ein Rückschritt! Die Alternative kann doch nicht der PKW sein! Bitte suchen Sie sowohl auf deutscher als auf polnischer Seite nach Lösungen, um diese Verbindung wieder einzurichten!“

    • "Nach meinem Erasmus-Semester in Breslau bin ich immer wieder in die niederschlesische Hauptstadt gefahren - nicht nur allein, häufig mit Freunden aus Berlin, Cottbus oder Dresden, denen ich diese großartige Stadt näherbringen wollte. Und das mit Erfolg. Nebenbei wollte ich dem oft negativen Polen-Bild etwas entgegensetzen. Zumindest am Wochenende war der Zug gut gefüllt: Ausflügler, die auf unkomplizierte Weise das Nachbarland kennenlernen wollten, saßen neben Wochenendpendlern, die in Dresden, Görlitz oder Breslau studieren oder arbeiten und Familie im Nachbarland haben. […] Während zwischen Deutschland und Tschechien sogar Bahnstrecken zwischen Kleinstädten (Sebnitz - Rumburk, Selb - Asch) wieder aufgebaut und im Taktverkehr betrieben werden, schafft man es zwischen Deutschland und Polen noch nicht einmal, zwischen benachbarten Großstädten ein Minimalangebot von drei Zügen täglich aufrechtzuerhalten."

    • "Ich bin aus Breslau. Seit 2010 wohne ich in Deutschland und arbeite im deutsch-polnischen Integrationsbereich. Dadurch habe ich genügend Leute kennengelernt, die oft die Grenze an der Neiße und Oder überschreiten, um eigene Bekannte zu besuchen. Ich kenne Leute, die die Bahnverbindung Dresden-Breslau beruflich und privat genutzt haben. Ich kenne Leute, die die ihre Flugreise von weit Weg nach Dresden geplant haben, den Flughafen in Breslau berücksichtig habe (und umgekehrt), wegen eben der vorzüglichen, direkten Verbindung. Das fantastische Euro-Neiße-Ticket hat für mich seine Macht in den Verbindungen mit Polen verloren. Ich bin oft mit dem Zug gefahren. Der Zug war immer voll, auf beiden Seiten der Grenze. Was mir am meisten Leid tut, ist der Fakt, dass nach mehreren Jahren meines „Vagabundenlebens” in Deutschland, habe ich mich entscheiden nach Dresden zu ziehen und hier mein Zuhause finden, da die Entfernung von meiner Heimstadt klein ist und eine direkte, bequeme und schnelle Zugverbindung gibt. Ich bin im Februar eingezogen. Im März würde die Verbindung gestrichen.“

    • „Ich habe die Bahnstrecke jedes Jahr mehrfach genutzt, um meine Familie in Polen zu besuchen, oder für einen Kurzbesuch in Wrocław oder in Verbindung mit dem Euro-Neisse-Ticket zum Besuch des grenznahen Gebietes in Polen mit dem Fahrrad. Auch meine Tochter, die in Polen verheiratet ist und weit hinter Warschau wohnt, war der direkte Zug von Wrocław nach Dresden eine wichtige Einrichtung für die Hin- und Rückreise. Sie wurde von ihr und der Familie jedes Jahr mehrfach genutzt. Es ist für mich ein Skandal und großes Armutszeugnis, dass es der gemeinsamen Politik nicht gelingt, diese wichtige Verbindung aufrecht zu erhalten. Deutsche und Polen haben sich in den vergangenen 25 Jahren als wichtige Nachbarn entdeckt und viele Freundschaften geschlossen. Leider ist dieser wichtige Prozess vom Bahnverkehr immer mehr missachtet worden. Wrocław wird 2016 Kulturhauptstadt Europas. Toll! Aber erreichbar ist diese wundervolle Stadt momentan nur mit dem Auto - oder mit abenteuerlichen und unkalkulierbaren Umsteige-Manövern zwischen Görlitz und Zgorzelec.“

    • "Ich bin Polin und wohne seit drei Jahren in Dresden. Ich studiere im Regelstudium in Dresden und zugleich im Fernstudium Computergrafik und Visualisierung in Wrocław. Wegen des Studiums benutze ich alle zwei Wochen den Regionalexpress Dresden-Wrocław, fahre am Freitag um 18:09 Uhr los und komme am Sonntag oder am Montag wieder zurück. Da jetzt diese Verbindung fehlt, ist es für mich die Anfahrt schwierig geworden, zumal es so plötzlich in der Prüfungszeit passierte.“

    Im Namen all dieser Betroffenen appelliert die Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr an die am kommenden Montag gemeinsam tagenden Mitglieder der Regierungen der Republik Polen sowie der Bundesrepublik Deutschland, die Wiederherstellung der Verbindungen Dresden-Breslau und Berlin-Breslau mit Dringlichkeit zu verfolgen und für dauerhafte und verlässliche Lösungen zu sorgen. Die generelle Verbesserung des deutsch-polnischen Schienenpersonenverkehrs muss höhere Priorität erhalten.

Kommentare Lesermeinungen (7)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Zug nach Bad Flinsberg

Von Kociol am 19.02.2017 - 23:21Uhr
Zug Görlitz - Bad Flinsberg (Swieradów Zdrój)?

Gute Idee?

Artikel Zugverbindung Breslau

Von Lothar am 19.08.2015 - 22:37Uhr
Ha, ha. Oderstadt! Und das vom "Görlitzer Anzeiger".

Das meint die Redaktion:
Wir schrieben "Die Einstellung der direkten Bahnverbindung zwischen Dresden und Breslau trifft die Oderstadt doppelt, denn auch die direkte Verbindung zwischen Breslau und Hamburg (über Berlin) gibt es nicht mehr." Und genau so ist es gemeint, Breslau als Oderstadt ist doppelt betroffen. Görlitz als Neißestadt hingegen ist nur von der Einstellung der Bahnlinie zwischen Dresden und Breslau betroffen.

Züge nach Polen

Von Wanderer am 01.05.2015 - 20:41Uhr
Und was nützt es, dass die Züge von Zgorzelec nach Jelenia Gora fahren, soll man Fuß durch die Neiße gehen?

Ich würde auch gerne mit dem Zug ins Riesengebirge zu fahren! Es gibt aber keine Züge in die polnischen Berge - zur Not fahre ich eben in die tschechischen Berge.

Züge nach Breslau

Von Tom am 28.04.2015 - 19:15Uhr
Hallo Peter, von Zgorzelec fahren täglich mehrere Züge nach Hirschberg, dauert zwar etwas, aber passt, da die Strecke interessant ist. Die weitere Anbindung nach Schreiberhau per Bus oder Zug ist recht schnell und bequem.

Die Breslau-Verbindung über Görlitz war für einen Tagestripp viel zu spät und die Deutschen Tickets im Vergleich zu den polnischen Biletys überteuert. Außerdem waren die eingesetzten Nahverkehrstriebwagen äußerst unbequem für die lange Fahrtzeit.

Zgorzelec - Jelenia Gora

Von Boblinger am 28.04.2015 - 15:04Uhr
Diesen Zug gibt es bereits seit zwei Jahren. Die Niederschlesische Eisenbahn verkehrt mehrmals täglich ab Zgorzelec-Ujazd (Moys) über Lauban nach Hirschberg. Ohne Umsteigen. Arno Schmidts alte Abiturstrecke, im übrigen. Nur fährt der Zug eben leider nicht übers Viadukt. Beschwerden bitte an die beteiligte Politik sowie die Verkehrsverbünde.

Gute Idee!

Von Klaus Eckstein am 27.04.2015 - 11:13Uhr
@ Peter: Es ist eine gute Idee!

Ich bevorzuge es auch, ins Riesengebirge anstatt nach Breslau zu gehen.

Züge nach Breslau

Von Peter am 27.04.2015 - 00:32Uhr
Züge nach Breslau sind unattraktiv für deutsche Touristen. Besser wäre ein Zug nach Hirschberg (Jelenia Gora) und weiter ins Riesengebirge (z.B. Schreiberhau).

Ich bin nicht überrascht, dass die Züge in der gegenwärtigen Form wegen Mangel an Passagieren abgebrochen wurden.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: red | Foto: Initiative deutsch-polnischer Schienenpersonenverkehr
  • Erstellt am 25.04.2015 - 11:09Uhr | Zuletzt geändert am 25.04.2015 - 13:13Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige