Görlitz: Filmpremiere zum Bonehaus, dem Haus des Dichters

Görlitz, 9. März 2016. Gelegentlich hatte der Görlitzer Anzeiger über den "künstlerischen Raum" (Danielle Höfler) im Görlitzer Haus Obermarkt 26, auch bekannt als "Haus des Dichters" oder kurz "Bonehaus", berichtet. Nun hat ein halbstündiger Film über dieses hochästhetische Kunstwerk Premiere. Zugleich drängt der Streifen auf eine Lösung für die Zukunft dieses Kleinods, eines "in Europa einzigartigen künstlerischen Raums" (Prof. Roland Günter, früherer Vorsitzender des Werkbunds Deutschland) inmitten der Stadt Görlitz, die sich doch so gern als Kulturstadt versteht und sogar einen eigenen Kulturservice firmieren lässt. Der Görlitzer Anzeiger rechnet es sich als Ehre an und verbindet Vergnügen damit, die an die Öffentlichkeit gerichtete Premiereneinladung des Görlitzer Dichters Steeven Fabian Bonig zu veröffentlichen. Der Text ist behutsam redigiert, das Original mit sprachlichen Anleihen aus früheren Zeiten ist am Ende des Textes zum Download bereitgestellt.
Abbildung oben: Der Dichter Steeven Fabian Bonig ist der gute Geist im Haus Obermarkt 26. Wem die gelegenheit gegeben, das Gebäude zu erforschen, der findet wohlarrangiert Spuren und Zusammenhänge.

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Öffentliche Einladung zur Filmpremiere in Görlitz

7. März 2016

Steeven Fabian Bonig,
Görlitz Obermarkt Ecke Verrätergasse

Einladung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
geschätzte Stadträte und Rätinnen,
liebe Mitmenschen in Görlitz Stadt und Land,

mit dieser offenen Post hier möchte ich mir erlauben Ihre wertvolle Aufmerksamkeit für eine informative Feierlichkeit zu beanspruchen. Sollten Sie diese Feierlichkeit verpassen, so haben Sie hernach die Möglichkeit die Aufzeichnung dieser künstlerischen Darbietung in unserem heimatlichen Fernsehprogramm zu finden. Und danach im weltweiten Netz.

Um dem Anspruch der geladenen Gäste gerecht zu werden ist als Veranstaltungsort das prachtvolle Theater im Hause "vino et cultura" angefragt und zumindest noch nicht abgesagt. Der Termin ist Montag, den 21. März 2016. Frühlingsanfang und Weltpoesietag, und da nun kein anderer als Dichter bezeichneter Mensch in unserer Stadt zu diesem weltweiten Feiertag ein Publikum einzuladen pflegt, will ich dieses hiermit tun.

Um auf das Informative zu verweisen: Es wurde voriges Jahr auf dem Obermarkt Ecke Verrätergasse das Betreten des Literatursalons verboten, aber nicht weil dort sonst immer dieser Feiertag begangen wurde. Trotzdem berührt diese Sache das Thema dieses Feier- und Gedenktages. Der Rest des Gebäudes ist den salonfernen Kreisen als Bonehaus-Gesamtkunstwerk bekannt; bis vor zwei Jahren war die häufigste Vokabel "Haus des Dichters" - und da der Mensch vom Anblick schöpferischer Kunstwerke selbst in Anregung gerät, hauptsächlich zu reden - und dieses wiederum nicht inhaltsreicher als der Redende kundig sein kann, war folgerichtig alle Kunde vom Bonehaus ein wirres Knäuel von eitlen Bruchstücken und turbulenten Unklarheiten.

Vielleicht ist ja gerade das, das Turbulente, das eigentliche Kunstwerk. Eine gewisse Auf- oder Anregung sollten Kunstwerke schon zu leisten vermögen, sonst sind sie ja praktisch nutzlos.

Darüber ist im letzten Jahr ein Film entstanden, mit etwa einer halben Stunde Länge. Eine mutige Schar freier Künstler, mutmachend als Produktionskostenersatz um einen Kameramann und Sach-Filmemacher, dessen Filme längst und unbemerkter Weise vor aller Fernsehaugen gezeigt wurden, war erfolgreich auf Jagd, begleitet von zwei überaus reizenden Regieassistentinnen, durch die jüngeren Geschichten des Kosmos dieses Hauses.

Repräsentative und sicher auch aufregende Personen kommen stellvertretend zu Wort, umrahmt mit erstmaligen Kameraperspektiven und baulichen Einblicken in das Gebäude, wo bisher immer das Betreten verboten war. Meisterhaft portätiert der Schnitt einen Hauch vom Leben und Wirken dieser Kulturstätte, weit mehr als nur so gut gelungen, wie es eben möglich ist, mit diesem Medium einen Einblick in einen solchen Komplex und seine Fundamente zu konstruieren.

Freuen Sie sich auf ein Meisterwerk der Dramaturgie und dazu aber auch auf einen klärenden Fingerzeig zu einer akut gewordenen Problematik, die erschreckend ernsthaft in Frage stellt, ob dem Ruf unserer Heimatstadt dieser kleine Felsen der intellektuellen Attraktivität erhalten werden kann. Sie dürfen ein exzellentes Filmwerk erwarten.

Ein sinnvoller Lösungsvorschlag, der zu einem Weiterbestehen führen könnte, setzt natürlich eine umfassende Kenntnis von der Entstehung dieses Kunstwerkes voraus, von den genaueren Mühen der Arbeit, den Kosten, überhaupt von den praktisch technischen Angelegenheiten und dem hoheitlichen Regularium im Umgang mit diesem Gegenstand und seiner Sache. Das ist filmtechnisch freilich nicht zu erfassen und würde ohne genannt zu werden dieses Filmkunstwerk zu einem privaten Werbefilm degradieren, der die abgelichteten Schönheiten des Gebäudes und die Aufregung seiner Bedeutung für eine sachfremde und eigennützige Sache missbraucht. Richtig kauft oder nimmt man ein Kunstwerk, um es zuerst zu erhalten, als zweites als Schmuck, denn umgekehrt gehen Raub und Zerstörung.

Obgleich ich als einzige Person mit so einem umfassenden Überblick bisher wenig gefragt worden bin, habe ich dennoch die Gedanken aus meiner Kenntnis und die Erfahrungen aus fast zehn Jahren mit über fünfzigtausend Besuchern zum Grunde eines Lösungsvorschlags gelegt, welchen ich im Anschluss an diese Vorführung gern und kurz vorzutragen gedenke (freilich auf meine dichterische Weise, denn es ist Weltposietag und ich werde nicht selten auch Stadtpoet genannt - warum, zeigt sich seit über zwanzig Jahren). Das Haus ist auch nicht mein erstes und längst nicht der größte Steinhaufen, den ich in Schwung gebracht habe.

Um Sie an dieser Stelle vorzu-ent-warnen: Ich unterstehe ausdrücklich freiwillig und gern der Hoheit des Intendanten Walkowiak, und zweitens: Es wird nicht aufregender sein, als ich mich vom Grinsen der aktiven Verderber eben weniger schrecken lasse als vom drohenden Trauern der vielen Freunde. Es geht ja auch darum, ob ich das Werbepüppchen für den Verkauf eines einzelnen Hauses gewesen bin oder das selbe für eine ganze Stadt ... bleiben werde.

Soweit alle Zusagen bestehen bleiben, wird diese Premiere im Rahmen eines kleinen Abendprogramms stattfinden, an dem noch weitere Freunde des Hauses mit ihren Beiträgen die Wichtigkeit dieser zweifellos längst öffentlichen Angelegenheit würdigen möchten.

Wenn im Anschluss eine gesprächige Runde entstünde, wie man den Weltpoesietag besser als ich und als höhere literarische Kultur - sinnlich weit über der bloßen Lust, irgendwas vorzutragen, gestalten könnte ... es ist ja jedes Jahr ein neuer Weltpoesietag!
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Persönliche Einladungen sind auch persönlich gemeint.
Programmbeginn ist pünktlich 20 Uhr.

Ich wünsche allen Wohlwollenden und Beteiligten für ihr Engagement,
dass sie dafür anderweitig ebenso beschenkt werden.

In diesem Sinne ... liebe Miteingeborene: Euer "Bone"

Download!

Die Einladung zur Filmpremiere in Görlitz im Original (ca. 50KB)

Lesen Sie weiter über das Bonehaus im Görlitzer Anzeiger!


    Kommentar:

    Ich habe einen Traum. Ich habe den Traum, dass die festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlich subventionierten Kunst- und Kulturbetriebs freiwillig zehn Prozent Ihres Einkommens an freie Künstler abgeben. An jene, die ihr Geld mit dem Hut in der Hand verdienen, die oft genug herausragende Qualität erreichen und mit hundertmal mehr Herzblut bei der Sache sind als manche in Routine ersoffene Künstler im Schichtbetrieb.

    Ja, ich weiß schon, sollen doch die anderen... Klar wäre es einfacher, gleich zehn Prozent der Gaben beispielsweise eines Kulturraums für Kleinkunst zu reservieren, für so eine Art Künstlersozialbezahlung, ein Grundeinkommen für Kreative. Gerecht wäre das allemal.

    Für eine Verwaltung ist es freilich einfacher, die Zahl der Ansprechpartner respektive Bittsteller zu reduzieren, indem man "Zentren" aller Art einrichtet. Die sind dann auch so schön abhängig von den Finanzspritzen. Zugleich wird jede Vielfalt im Keim erstickt: Wenden Sie sich doch mit Ihrer Idee an dieses Zentrum und an jene Servicegesellschaft, die prüfen Ihre Idee und setzen Sie dann um, vielleicht sogar mit Ihnen gemeinsam. So wird dem Kreativen die Entscheidungshoheit über sein Projekt aus der Hand genommen, jegliche Motivation erlischt, das Ruder übernehmen jene, die die größte Routine beim Ausfüllen der Fördermittelanträge entwickeln. Fuck the Uhu, pflegt meine Freundin zu sagen.

    Aber bleiben wir sachlich (warum eigentlich sachlich, wenn es auch persönlich geht?). Wer unter'm Strich Millionen in sozio-kulturelle Projekte, die vielleicht eher Beschäftigungsprogramme sind, pumpen will, für die der Bedarf zudem umstritten ist, dem sollte es ein Leichtes sein, einer nachgewiesen höchst lebendigen freien Künstlerszene das Überleben im Haus Obermarkt 26 zu sichern.

    Denn Orte wie das Bonehaus, erst die machen die Stadt wirklich besonders,

    meint Ihr Thomas Beier

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  • Quelle: red | Kommentar: Thomas Beier | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 08.03.2016 - 21:00Uhr | Zuletzt geändert am 08.03.2016 - 23:03Uhr
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