INTERREG-Jahrestagung in Görlitz

Görlitz, 4. Oktober 2018. Bei allem Jubel über die gelungene deutsche Einheit, wie er gestern zu erleben war, darf der europäische Annäherungsprozess auch an mittel- und osteuropäische Länder nicht vergessen werden. Im Landkreis Görlitz, der entlang der Lausitzer Neiße die komplette sächsische Verbindungsnaht nach Polen stellt, sind die mit Hilfe des Kooperationsprogramms INTERREG Polen-Sachsen 2014-2020 abgreifbaren Fördermittel der Europäischen Union besonders interessant. Die Jahrestagung dieses Programms fand unter dem Titel "Grenzüberschreitende Bildung – eine Investition, die sich lohnt" am 26. September 2018 im Annen-Augustum-Gymnasium Görlitz statt.
Abbildung oben: Schüler des Annen-Augustum-Gymnasiums

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Kommentar: Grenzen nicht überschreiten, sondern verschwinden lassen

Mit der "grenzüberschreitenden Bildung" soll als Programmziel Zusammenarbeit vertieft werden, um so Entwicklungsbarrieren in den Regionen beiderseits der Lausitzer Neiße abzubauen. Mit der zurückliegenden Tagung in Görlitz sollte über die Auswirkungen von gemeinsamen sächsisch-polnischen Projekten im Bereich Bildung informiert werden, zugleich der Erfahrungsaustausch gefördert.

Entsprechend wurden

  • die Ergebnisse der grenzüberschreitenden Bildung präsentiert,
  • eine Podiumsdiskussion mit den Projektträgern durchgeführt,
  • der Zeitplan der kommenden Aufrufe (sogenannter calls) für die Projekteinreichung bekanntgegeben und
  • der aktuelle Umsetzungsstand des Kooperationsprogramms vorgestellt.

Wen das interessiert

An der Konferenz waren das Ministerium für Investitionen und Entwicklung der Republik Polen, das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft des Freistaates Sachsen, die niederschlesische Schulaufsichtsbehörde und das Sächsische Landesamt für Schule und Bildung hochrangig vertreten. Zu den "übrigen Teilnehmern" zählt das Gemeinsame Sekretariat Kooperationsprogramm INTERREG Polen–Sachsen 2014-2020 die Projektträger, Schulangehörige aus dem sächsisch-polnischen Grenzland und Erasmus-Plus-Studierende.

Welche deutsch-polnische Bildungsprojekte hat INTERREG gefördert?

Das gemeinsame deutsch-polnische Bildungsangebot richtet sich an Schüler und Lehrer und umfasst Sprachkurse, Schüleraustauschinitiativen, Praktika, Studienbesuche sowie Innovations- und Servicelabore, darunter auch Initiativen für Behinderte. Ziel ist es, dass die Projektteilnehmer neue interkulturelle Kompetenzen, Sprachkenntnisse und internationale Erfahrungen erwerben. Sie sollen sowohl neue Ideen und Unternehmergeist entwickeln als auch die Rahmenbedingungen der Arbeitsmärkte erfahren.

Zu diesen Zwecken ins Leben gerufene Projekte heißen beispielsweise
  • RegionalManagement. Berufskompetenzen und -perspektiven in der sächsisch-polnischen Grenzregion
  • Mobile Innovationslabore und -services zum Aufbau von Innovationskapazität im sächsisch-polnischen Grenzraum (TRAILS)
  • Berufsorientierung ohne Grenzen ERL – Educatio, Repetitio, Labora – Lebenslanges Lernen für Menschen mit Behinderung
  • Groß für Klein – Duzi dla małych: Grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur Förderung der interkulturellen und nachbarsprachigen Bildung im Bereich der Vorschulerziehung
  • Deutsch-Polnisches Praktikums- und Vernetzungsprojekt "Entdecke Dein Nachbarland - Poznaj Kraj Sąsiada!"
  • Grenzüberschreitende Bildung im grünen Klassenzimmer für eine bessere Zukunft

Dabei handelt es sich um Kooperationsinitiativen zwischen Schulen, Hochschulen, Berufsbildungseinrichtungen, lokalen Verwaltungen und Vereinen, die einen Beitrag zur Qualität und Vielfalt des regionalen deutsch-polnischen Bildungsangebotes darstellen.

Wie sieht die Gebietskulisse aus?

Das Kooperationsprogramm INTERREG Polen – Sachsen 2014-2020 wird auf der polnischen Seite innerhalb der Unterregion Hirschberg (Jelenia Góra) in der Woiwodschaft Niederschlesien (Dolnośląskie) und innerhalb des Landkreises Sorau ( Żarski) in der Woiwodschaft Lebuser Land (Lubuskie), auf der deutschen Seite in den beiden sächsischen Landkreisen Görlitz und Bautzen umgesetzt. Dafür fließen 70 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) nach Deutschland zurück.


Kommentar:

Gut gewollt, schlecht kommuniziert. Längst hat das EU-Förderwesen eine verklausulierte, oft aus der Aneinanderreihung von Stereotypen bestehende Sprache hervorgebracht, die sich zudem durch eine Häufung von Substantiven und des Genitivs auszeichnet. Sei's drum, es dient ja einem guten Zweck.

Nur an einer Stelle ist Kritik verdient: Die ständige Betonung der Grenzen zwischen den europäischen Staaten, wie sie eben mit Worten wie "grenzüberschreitend" und "Grenzraum" geschieht. Sprache verrät, wie jemand denkt, hier das Denken in Grenzen. Vielleicht ist dieses begrenzte Denken sogar gewollt, denn immerhin beschäftigen die innereuropäischen Grenzen eine ganze Fördermittelindustrie, von den Fördermittelgebern über die Fördermittelverwalter bis hin zu den Fördermittelnehmern, Kontrolleure und Evaluierer nicht zu vergessen.

Wenn es nicht für Zitate nötig ist, haben wir im Görlitzer Anzeiger den national geprägten Grenzbegriff schon seit längerem verbannt: Wir finden es eben zeitgemäßer, statt vom "Grenzfluss Neiße" von der Neiße zu sprechen, die Sachsen und Polen verbindet.

Grenzen überwinden und verschwinden lassen, nicht überschreiten,

meint Ihr Thomas Beier

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  • Quelle: red | Bilderquelle: Gemeinsames Sekretariat Kooperationsprogramm INTERREG Polen–Sachsen 2014-2020
  • Erstellt am 04.10.2018 - 07:22Uhr | Zuletzt geändert am 04.10.2018 - 08:37Uhr
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