Bundes- und Landesregierung sollen Siemens Görlitz nachhaltig sichern

Görlitz, 26. Oktober 2017. Gestern mittag trafen sich Görlitzer Siemens-Betriebsräte mit dem Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege und dem Landtagsabgeordneten Octavian Ursu (CDU) am Tisch von Landrat Bernd Lange (CDU), um sich zu Wegen zur langfristigen Sicherung des Siemens-Standortes Görlitz abzustimmen.
Abbildung: Landrat Bernd Lange am 22. Oktober 2017 vor dem Görlitzer Siemenswerk.

Anzeige

Soll die Politik in reif gewordene Entscheidungen der Wirtschaft eingreifen?

In einem einstündigen Gespräch einigten sich die Beteiligten auf einen Anforderungskatalog, der gegenüber der Bundes- und Landesregierung aufgemacht werden soll. Darin wird ein eindeutiges Bekenntnis der Siemens-Konzernleitung zum Erhalt des Standortes Görlitz sowie aller deutschen Standorte eingefordert.

Der Entscheidungsprozess zur Restrukturierung der Sparte "Power & Gas" soll, so die Runde, transparent gehalten werden. Außerdem wird die Unterstützung bei einer fairen Lösungsfindung für die Standorte in Deutschland durch wirtschaftliche Beratung und Expertise angemahnt. Ferner sollen sich Bund und Land bei der Mitgestaltung eines tragfähigen und nachhaltigen Konzeptes zum Erhalt des Kompetenzzentrums Görlitz und einer Fixierung von Maßnahmen für eine positive Weiterentwicklung in der Zukunft einbringen.

Weiter heißt es in einer Mitteilung aus dem Landratsamt Görlitz: Siemens Görlitz steht für Industriedampfturbinenbau und ist in diesem Sektor Weltmarktführer. Der Einsatz von Industriedampfturbinen dient der Energieeinsparung in vielen Produktionsprozessen und ist damit zukunftsfähig. Im Vergleich zu anderen deutschen Standorten besticht das Werk in Görlitz außerdem mit seiner Effizienz und Ren­ta­bi­li­tät. Allein die vorhandene Unterstruktur mit Forschung, Entwicklung und Engineering, die ihren historischen Ursprung in Görlitz hat, muss Standortgarantie genug sein.

Kommentar:

Es ist schon eine blöde Situation für ein Unternehmen, Weltmarktführer in einem schrumpfenden Marktsegment zu sein. Jetzt aber Siemens "wirtschaftliche Beratung und Expertise" für die deutschen Standorte zu empfehlen, irritiert – jedoch der Gedanke, Forderungen an ein Wirtschaftsunternehmen, das kein "Volkseigener Betrieb" ist, mittels Anforderungskatalog an die Bundes- und Landesregierung zu richten, würde belustigen, wenn es für die Siemensianer nur nicht so bitter ernst wäre und um die Wurst ginge. Und historische Leistungen als Einflussfaktor für die Zukunft? Once upon a time...

"Wirtschaftliche Beratung und Expertise" ist vielmehr der Politik und den Gewerkschaften zu empfehlen – nicht etwa, um sterbende Technologien an den Tropf zu hängen, sondern um frühzeitig für Arbeitsplätze außerhalb niedergehender Branchen rund um die Kohleverstromung zu sorgen. Hier wurde lange genug geschlafen. Es reicht eben nicht, einmal im Jahr ein Kraftwerk bunt anzuleuchten, sondern es geht um strategische und damit zeiterfordernde Prozesse, die Alternativen für Wirtschaft und Beschäftigung aufzeigen.

Alles andere ist gesagt im Kommentar vom 20. Oktober,

meint Ihr Thomas Beier

Stichörter Stichwörter
Kommentare Lesermeinungen (3)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Energie

Von Jens am 31.10.2017 - 13:16Uhr
Ich kann nur sagen, der "Görlitzer" hat Recht. Technisch und wirtschaftlich sinnvolle Weiterentwicklung der sog. "erneuerbaren Energie" macht Sinn, aber nur so, nicht als ideologische Kampfansage!

Die Physik können auch noch so grüne Pseudowissenschaftler nicht außer Kraft setzen. Es gilt nach wie vor der Energieerhaltungssatz, nach dem Energie nicht erzeugt sondern nur umgewandelt wird.

Genauso verhält es sich mit der Netzstabilität (Spannung und Frequenz) die nur durch eine stabile Grundlast gewährleistet werden kann. Nachdem unsere ratlose Politik die AKW als stabile Grundlastkraftwerke abgeschaltet hat und die deutsche Steinkohle politisch tot gemacht worden ist, bleiben nur noch die Braunkohlekraftwerke und die Steinkohle aus Australien (was daran ökologisch ist, hat noch keiner gesagt, allein der Transport...). Aber wir Verbraucher bezahlen ja den ganzen grünen Wahnsinn mit, z.B. dass Offshore Winkraftanlagen mit großen Dieselgeneratoren in Bewegung gehalten werden müssen, weil die Übertragungsleitungen nicht fertig (Umweltschutz) sind und dass WKA-Betreiber, auch wenn ihre Anlagen wegen Überangebot (auch die Überlandleitungen werden ja von den Grünen verhindert) abgeschaltet werden, so bezahlt werden, als ob sie Strom einspeisen würden. Wir sind dem Blackout näher, als viele glauben und was dann abgeht, das mag man sich gar nicht vorstellen.

Also mit technischer und wirtschaftlicher Vernunft kann man viel erreichen, aber nicht mit grüner Ideologie und Lobbyismus (inzwischen werden horrende Gewinne mit dem Wahnsinn gemacht!).
Sparsame Energienutzung ist der einzige und beste Weg, um die Entwicklungsprozesse zeitlich abzufedern und in dieser Zeit brauchen wir auch noch eine zuverlässige Grundlast auch aus den Braunkohlekraftwerken.

Stromerzeugung aus Kohle

Von Ein Görlitzer am 30.10.2017 - 16:25Uhr
Sehr geehrter Herr Beier,

was sollen denn die Auflistungen absoluter Zahlen von Emissionen einer Industrieanlage bringen? Wichtig sind die ausgestoßenen Mengen pro m³, alles andere ist sehr unseriös betrachtet. Und da sind Großfeuerungsanlagen an die 13. BImSchV §4 gebunden. Oder wollen Sie behaupten, das BMUB hat keine Ahnung von Immissionsgrenzwerten und setzt die Bevölkerung bewusst einem erhöhten Gesundheitsrisiko aus? - Übrigens wären (nicht existierende) Studien zur Kohlekraft und deren Auswirkungen in der Lausitz sehr interessant, besonders, da hier seit knapp zweihundert Jahrhunderten der Braunkohlebergbau erfolgt und seit knapp 100 Jahren die Stromerzeugung stattfindet.

Des Weiteren sollte Ihnen auch bewusst sein, dass zum Bau von Wind- und Photovoltaikanlagen anderswo in der Welt die Luft verschmutzt wird, da man ebenfalls Stahl, Kunststoffe, seltene Erden etc. benötigt. Aber das ist natürlich alles weit weg... - Kurzum: Jede Technologie, egal ob grün oder nicht, erzeugt in irgendeiner Art und Weise Schadstoffe (und je größer der Bilanzkreis gezogen wird, desto schlimmer wird es).

Zu Ihren Zitaten:
"Siemens produziert Dampfturbinen für Kohlekraftwerke"
Richtig, wie der Name schon sagt, wird für den "Antrieb" der Turbine thermische Energie in Form von Dampf benötigt, der in Dampferzeugern umgewandelt wird. Mit welchem Brennstoff dieser "eingeheizt" wird, legt Siemens nicht fest. Es kann also Kohle sein, muss es aber nicht.

"Es ist natürlich auf den ersten Blick immer einfacher, bestehende Zustände zu zementieren..."
Das ist falsch. Aber so leicht wie Sie kann man es sich auch nicht machen. Denn an der Stromerzeugung aus Braunkohle hängen neben den direkten Industriearbeitsplätzen auch Jobs in anderen Branchen dran. Noch wichtiger ist allerdings, dass Kohle die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet. Denn Ihre "Zukunftstechnologie", damit meinen Sie sicher die Erneuerbaren Energien, liefern 1% gesicherte Leistung (mit 50GW installierten WKA und 40GW Solaranlagen), konventionelle Kraftwerke hingegen 99%. Nun verraten Sie mir mal, wo in Zukunft rund um die Uhr der Strom herkommen soll?

Mit freundlichen Grüßen

Ein Görlitzer
###

Offenbar möchten Sie ein persönliche Diskussion führen.

Nach Ihrer Logik wäre es also in Ordnung, wenn sehr viele Kubikmeter schadstoffhaltiger Luft erzeugt werden, wenn nur die Schadstoffkonzentration gering ist? Dann wäre ja mit Luftverdünner das Problem zu lösen.

Spaß beiseite: Ich denke, wenn Umweltschädigungen technologisch vermeidbar sind, dann sollten sie vermieden werden. Man kann über Windkraftanlagen denken, wie man will – lieber als ein Kraftwerksschlot sind sie mir allemal.

Zu Gesundheitsgefährungen durch die Kohleverstromung gibt es vieldiskutierte Studien betreffs der Auswirkungen, die Faktenbasis jedoch unbestritten, bspw.
- http://www.tagesspiegel.de/berlin/mediziner-warnen-vor-kohlekraftwerken/7278428.html
- https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article207790153/Studie-EU-Kohlewirtschaft-schaedigt-ganzen-Kontinent.html
- https://www.lr-online.de/ratgeber/gesundheit/braunkohlekraftwerke-in-der-lausitz-kosten-uns-7000-lebensjahre-pro-jahr_aid-5216713

Ein weiterer Fakt: Aus den "Erneuerbaren Energien" kommen heute ca. ein Drittel allein in der Stromversorgung (siehe http://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/erneuerbare-energien-in-zahlen#textpart-1).

Wichtig ist doch, angemessene Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten für Leute zu finden, die wegen ihrer Bedeutung zurückgehender Technologien ihren Arbeitsplatz verlieren. Das betrifft doch nicht allein die kohlebasierte Industrie.

Thomas Beier

Kommentare des Herrn Beier...

Von Ein Görlitzer am 30.10.2017 - 08:40Uhr
Sehr geehrter Herr Beier,

Ihr Wissen rund um die Kohleverstromung scheint sehr begrenzt und gleicht eher dem deutschen Mainstream bzw. dessen Halbwissen.

1. Was haben die Görlitzer 250MW-Turbinen mit Braunkohle-Großkraftwerken (wie in der Lausitz) zu tun? Görlitz lieferte in der Vergangenheit vornehmlich an Stadtwerke (oder Äquivalente).

2. Wieso ist die Braunkohle eine aussterbende Technologie? Nur weil das die "Ökodeutschen" so festgelegt bzw. die Grünen im Wahlkampf kein anderes Thema mehr gefunden haben. Schauen Sie nach Tschechien, wo der Braunkohleausstieg rückgängig gemacht wurde oder nach Polen, wo ein neuer Block in Turow entsteht und in Guben sogar ein neuer Tagebau öffnet. Oder schauen Sie nach Pakistan, wo die größten Braunkohlereserven der Welt schlummern, die jetzt durch chinesische Firmen erschlossen werden und das Land zu einem asiatischen Big Player machen sollen. (Quelle: https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-03-21/coal-addiction-spreads-as-chinese-workers-dig-in-pakistan-desert)

3. Was sind denn Ihrer Meinung nach Zukunftstechnologien? Windkraft? Photovoltaik? Sorry, das ist nicht Ihr Ernst! Volatile Energiequellen können Sie bestenfalls in einer Bananenrepublik anpreisen, aber nicht in einem Industrieland wie Deutschland (Grundlast, stabile Netzfrequenz etc. müssen rund um die Uhr gewährleistet sein). Und von Großspeichern sind wir weit entfernt, auch wenn die Medien das gern anders suggerieren.

4. Anstatt alles Bewährte schlecht zu reden, sollte man darüber nachdenken, wie man die bestehende Technik sinnvoll weiterentwickeln kann. Die Japaner machen es vor, die übrigens weitaus weniger Rummel um ihre Energiewende veranstalten wie die Deutschen. Bestes Beispiel ist die Entwicklung von Kohle-Hybridkraftwerken (Quelle: http://www.trendsderzukunft.de/japan-ingenieure-entwickeln-neues-kohle-hybridkraftwerk-mit-55-prozent-wirkungsgrad/2017/06/10/).

Man könnte hier noch x weitere Dinge aufzählen. Fakt ist jedoch, dass die Kohleverstromung weltweit noch lange nicht ausgedient hat, auch wenn das die deutschen Medien gern so orakelt. Kohle ist billig, grundlastfähig und nach wie vor in riesigen Mengen verfügbar (z.B. in der Lausitz für knapp 250 Jahre – Stand jetzt). Und das Potential ist da: Wenn man die tausenden Kohlekraftwerken global upgraden würde, um die teils miserablen Wirkungsgrade zu erhöhen, wäre für die Umwelt und das Klima viel getan (Frage ist nur, ob das die grüne Lobby will – wohl eher nicht oder?). Und genau da könnte das deutsche Knowhow helfen, leicht und kostengünstig CO2 einzusparen. Alle Kraftwerke von heute auf morgen abzuschalten, funktioniert vielleicht im grünen Deutschland, aber nicht weltweit (zumal es auch ökonomischer Unsinn ist).

Mit freundlichen Grüßen

Ein Görlitzer
###

Konkrete Anrede, konkrete Antwort, aber zunächst: Wenn das alles Fakten sind, warum dann anonym?

Fakt ist: Siemens produziert Dampfturbinen für Kohlekraftwerke im Bereich ab 120 MW (Quelle: https://www.energy.siemens.com/hq/pool/hq/power-generation/steam-turbines/downloads/new/coal-fired-steam-power-plants_EN.pdf).

Es ist natürlich auf den ersten Blick immer einfacher, bestehende Zustände zu zementieren. Das Beunruhigendste an der Kohleverstromung ist doch, dass das Lebensmittel Nr. 1, die Atemluft, so sehr verschmutzt wird wir kein anderes Lebensmittel.

Allein das moderne Kraftwerk Boxberg/O.L. emittierte im Jahr 2013
- 370 Kilogramm Quecksilber und Verbindungen,
- 58 Kilogramm Arsen und Verbindungen,
- 324 Kilogramm Blei und Verbindungen,
- 460.000 Kilogramm Feinstaub

Weitere Emissionen inklusive Tendenz hier einsehbar:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Boxberg#Emission_von_Schadstoffen_und_Treibhausgasen

Das sind Einflüsse, die uns auch hier im Landkreis Görlitz betreffen. Da ist jedes Kilo weniger ein Beitrag zur Gesundheit. Deutschland kann dabei Technologieführer sein. Darum geht es.

Thomas Beier

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: red | Fotos: Matthias Wehnert
  • Erstellt am 25.10.2017 - 22:56Uhr | Zuletzt geändert am 26.10.2017 - 07:09Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige