B 178: Meyer krempelt die Ärmel hoch

Landkreis Görlitz, 5. Februar 2015. Die Nachricht könnte aus Schilda stammen: Eine vierspurige Straße soll - kurz vor ihrem Ziel - dreispurig fertiggebaut werden. Real stammt die Nachricht aus dem sächsischen Verkehrsministerium (SMWA), das Sachsens zweitwichtigstes Straßenbauprojekt buchstäblich ausdünnen will. Der Zittauer Anzeiger hatte schon am 31. Januar die Pläne des SPD-geführten Ministeriums publik gemacht. Jetzt hat der Landtagsabgeordnete Dr. Stephan Meyer (CDU) an in einem Schreiben Minister Martin Dulig (SPD) den Standpunkt der Region verdeutlicht. Er spricht von einem "Schlag ins Gesicht" und einem ablehnenden Signal an die Oberlausitz.

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Meyer: Eignung von DEGES und SMWA hinterfragen

Der Görlitzer Anzeiger, dem das Schreiben an Dulig vorliegt, veröffentlicht den Wortlaut:

Zittau, 05. Februar 2015

Sehr geehrter Herr Staatsminister,

die jüngsten Presseinformationen aus Ihrem Hause hinsichtlich des Planungsstandes zum Neubau der Bundesstraße 178 sorgen derzeit für Irritationen in unserer Region.

Nach über fünf Jahren der Planung ist festzuhalten, dass die bisherigen Planungen für den Neubauabschnitt 1.1. offensichtlich vollständig verworfen werden sollen und eine Neuplanung avisiert wird.

Um es deutlich auszudrücken - es wird von der Mehrzahl der Menschen als „Schlag ins Gesicht“ und als ablehnendes Signal an die Region Oberlausitz betrachtet.

Seinerzeit wurde die Planungsgesellschaft DEGES seitens des Freistaates Sachsen beauftragt, um eine zügige Planfeststellung für den Anschluss der Bundesstraße an die Autobahn A4 zu erreichen. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen ist die Eignung der DEGES beziehungsweise die Steuerung durch das SMWA für die weiteren Planungen zu hinterfragen.

Der vierspurige Neubau der B178 wird als zweitwichtiges Vorhaben nach der A17 durch den Freistaat Sachsen benannt. Dieser positiven Einordnung muss auch eine entsprechende Priorisierung mit einer engagierten Maßnahmenbegleitung folgen. Die angeführte neue Verkehrsprognose, welche angeblich einen nur noch dreispurigen Neubau der B178 zulässt, erweckt den Eindruck einer selbsterfüllenden Prophezeiung durch die lange Zeit fehlende Anbindung der Region an das Autobahnnetz.

Die geplante Trasse befindet sich im transeuropäischen Verkehrskorridor E3 und bietet eine topografisch günstige Anbindung nach Tschechien und weiter nach Südosteuropa, wodurch insbesondere ein erhöhter Transitverkehr nach Inbetriebnahme zu erwarten ist. Die angeführte reduzierte Verkehrsprognose spiegelt vielmehr den gegenwärtigen Stand ohne einer leistungsfähigen Verkehrsverbindung wider. Das zu erwartende Wachstum in Südosteuropa infolge der Integration in die Europäische Union und die Zunahme des Binnenverkehrs durch die Hafenlogistik an der Nordsee lassen ein deutliches Anwachsen der Verkehrszahlen erwarten.

Im Rahmen des Planungs- und Abwägungsprozesses ist die internationale Bedeutung der Strecke hervorzuheben und besonders zu berücksichtigen. Die Relevanz der angeführten Umweltaspekte ist sicher nicht gering zu schätzen, jedoch erscheint die gesamtgesellschaftliche Bedeutung dieser Infrastrukturmaßnahme insbesondere vor dem Hintergrund der mit der Flächeninanspruchnahme verbundenen Ausgleichsmaßnahmen zu überwiegen.

Ich halte daher die Aussage zur dreispurigen Planung für verfrüht und erwarte eine tiefgründige Betrachtung der notwendigen Erfordernisse, die ein Festhalten am bisher geplanten vierspurigen Anschluss rechtfertigen.

Das zeitliche Auseinanderfallen des Erörterungstermins am 26. Juni 2014 und der jetzigen Informationen halte ich für fragwürdig und nicht ausreichend transparent, was sich nicht zuletzt an der fehlenden Aktualität der Informationen auf der Webseite der DEGES zum heutigen Tage zeigt. Wiederholt weise ich darauf hin, dass aus meiner Sicht die Eignung des bisherigen Planers DEGES zu hinterfragen ist.

Um ein zügiges Vorankommen der Realisierung der fehlenden Abschnitte 1.1. und 3.3 zu erreichen, halte ich eine zeitnahe Wiederaufnahme der bis 2008 tätigen Arbeitsgruppe zwischen den Planungsbehörden und der Landkreise Bautzen und Görlitz im SMWA für notwendig.
Ich bitte daher um einen kurzfristigen Abstimmungstermin mit Ihrem Hause.
Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen,

gez. Dr. Stephan Meyer


Kommentar:

Sachsen verwendet anteilig mehr Haushaltsmittel für Investitionen als fast jedes andere Bundesland. Das ist gut so. Wer sich an das "DDR"-System mit seinen maroden Straßen und Betrieben, die in der Mangelverwaltungswirtschaft größtenteils nur auf Verschleiß gefahren wurden (die gern gerühmte Improvisationsfähigkeit der Beitrittsdeutschen ist nur eine traurige Folge davon), weiß, wie wichtig es ist, eine leistungsstarke und zuverlässige Infrastruktur zu haben, die zudem nicht ständig Kapazitäten für Flickschusterei bindet.

Mit der Argumentationslogik der Verkehrsministeriums könnte man auch sagen, wozu überhaupt eine Straße auf die grüne Wiese bauen, hier ist doch bisher auch kein Auto gefahren. Fortschritt gibt es so aber nicht.

Einer der allgemeinsten Indikatoren für wirtschaftlichen Erfolg ist Bewegung im weitesten Sinne: Wo beispielsweise viele Waren und Menschen transportiert werden, dort brummt's. Das kann sich aber nur bei einer Infrastruktur entwickeln, an der nicht kurzsichtig gespart wird. Die neue B 178 erschließt der Oberlausitz den Zugang vor allem nach Norden, Westen und Süden - und umgekehrt.

Neue Straßen ziehen Verkehr an (man erinnere sich an die Diskussionen um die Waldschlösschenbrücke in Dresden) - genau das ist aber für die Oberlausitz gewollt.

Also, bitte konsequent bleiben,

meint Ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

...die APO (außerparlamentarische Opposition) spricht bedeutsam...

Von Norbert Starke am 06.02.2015 - 20:50Uhr
Seit vielen Jahren (spätestens 2011) war klar, dass die ursprüngliche Planung der B 178 in keinster Weise gerichtsfest ist. Morlok (wem der Name weniger geläufig ist, einfach den Suchbegriff "Eierschecke" googeln) hat dies wissentlich ausgeblendet, Martin Dulig (vereidigt am 13. November 2014) darf nun für Klarheit sorgen.

Sicher könnte man auch weiterhin so tun, als ob uns planerische Basics (Verkehrsdichte, umweltrelevante Dinge, Belange von Grundstückseigentümern und Landwirten etc.) nicht interessieren. Könnte vermeintlich populär wirken, die Never Ending Story B 178 (seit Anfang der 90-er) würde gleichwohl zum No No Never werden.

Ein dreispuriger Ausbau des Anschlusses ist allemal besser, als nach weiteren verlorenen Jahren einen Umstand zu beklagen, der beklagenswert ist. Die Message mag nicht so richtig populär sein, ist aber endlich mal ehrlich. Briefe schreiben ist übrigens richtig cool, vor allem dann, wenn ein Mitglied der seit fast einem Vierteljahrhundert agierenden Mehrheitsfraktion mal eben so daherschreibt, als ob man ja nun auch mal das Recht haben müsse, was sagen zu dürfen. Gut, dass Herr Meyer nun endlich die Ärmel aber mal so richtig durchkrempelt. Gut gebrüllt Löwe!

Ach da zitiere ich doch gern noch zum Finish die Schilda-Erzählung (Wikipedia): "Die Bürger Schildas waren gemeinhin als äußerst klug bekannt, weswegen sie begehrte Ratgeber der Könige und Kaiser dieser Welt waren."

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  • Quelle: red
  • Erstellt am 05.02.2015 - 11:45Uhr | Zuletzt geändert am 05.02.2015 - 12:27Uhr
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