Zwei Görlitzer Stadtratsfraktionen vereinbaren Zusammenarbeit

Görlitz, 7. Dezember 2014. Die Stadtratsfraktion der CDU und jene der Bürger für Görlitz/Grüne/Piraten haben vorgestern im Kleinen Sitzungssaal des Görlitzer Rathauses eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit in der Wahlperiode 2014 bis 2019 unterzeichnet. Das Papier steht unter der Überschrift "Gemeinsam für Görlitz". Im Text werden auf Grundlage der jeweiligen Wahlprogramme Themen aus Wirtschaft, Tourismus, Stadtentwicklung, Kultur, Freizeit, Familie, Soziales, Senioren, Behinderte, Sport, Gesundheit, Jugendkultur, Bildung, Ordnung, Sicherheit sowie die Zusammenarbeit von Görlitz und Zgorzelec dargestellt, die die beiden Fraktionen als gemeinsame Ziele erreichen wollen.

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Hehre Absichten

"Das Bündnis aus CDU, Bürger für Görlitz/Grüne/Piraten verfügt im Stadtrat über eine stabile Mehrheit von 24 von 39 Sitzen. Es ist auch für das Rathaus wichtig zu wissen, wohin die Mehrheit des Stadtrates will“, machte CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg anlässlich der Unterzeichnung der Vereinbarung deutlich.

Mit der Vereinbarung setzen die Fraktionen ihr bereits in der vergangenen Wahlperiode begonnene Zusammenarbeit fort. Dabei wollen die Bündnispartner unter anderem weiterhin die Meinungsbildung der jeweiligen Fraktion miteinander abstimmen und sich für kurze Entscheidungsprozesse mit dem Oberbürgermeister und Bürgermeister einsetzen.

Die Vereinbarung der beiden Stadtratsfraktionen liegt dem Görlitzer Anzeiger vor, so dass sie nachstehend im Wortlaut wiedergegeben werden kann:


"Gemeinsam für Görlitz"

Vereinbarung
der CDU-Fraktion und
der Fraktion BÜRGER FÜR GÖRLITZ/GRÜNE/PIRATEN
Im Stadtrat der Großen Kreisstadt Görlitz
Wahlperiode 2014 - 2019


Die Görlitzer Wählerinnen und Wähler haben bei der Kommunalwahl am 25. Mai 2014 ihre Entscheidung getroffen. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die uns die Bürgerinnen und Bürger übertragen haben, und sorgen mit dieser Vereinbarung für verlässliche und stabile politische Mehrheiten im Görlitzer Stadtrat.

Ausgehend davon, dass kommunalpolitische Entscheidungen von konsensfähigen Lösungen geprägt sein müssen und deshalb ein hohes Maß an interfraktioneller Zusammenarbeit erfordern, schließen die CDU-Fraktion und die Fraktion BÜRGER FÜR GÖRLITZ/GRÜNE/PIRATEN eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit im Stadtrat der Großen Kreisstadt Görlitz.

Im Rahmen der Stadtmodernisierung unterziehen wir die Stadt Görlitz einer umfassenden Aufgaben-, Ausgaben- und Strukturkritik mit dem Ziel, ihre Handlungsfähigkeit durch eine verantwortungsbewusste Haushalts- und Finanzpolitik zu sichern.

    • Die Wirtschaftsförderung der Stadt Görlitz ( EGZ ) strebt eine enge Zusammenarbeit mit dem Landkreis an. Priorität haben dabei die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen.

    • Die Zusammenarbeit in der Europastadt Görlitz/Zgorzelec muss auf kommunalpolitischer und verwaltungstechnischer Ebene intensiviert werden.

    • Entscheidungen des Stadtrates, die den Landkreis berühren, werden vorab mit Vertretern des Kreistages und den Verwaltungen beraten, um eine bessere Zusammenarbeit von Stadt und Landkreis zu erwirken.

    • Die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung muss weiter verbessert werden. Die Geschäftskreise und die Hauptsatzung sind entsprechend anzupassen

    • Die beiden Fraktionen streben an, den Findungsprozess für einen möglichen gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten für 2015 und einen gemeinsamen Oberbürgermeister-Kandidaten im Jahr 2019 in den jeweils dafür zuständigen Gremien und nach außen zu unterstützen und konstruktiv zu begleiten.

    Die Wahlprogramme der drei Parteien und der Wählervereinigung BfG sind Grundlage für die Zusammenarbeit im Stadtrat. Aus diesen Zielen sind insbesondere folgende Schwerpunkte gemeinsam festgelegt worden:

    Stärkung der Wirtschaft und des Tourismus

    • Anpassung des Angebotes von Gewerbegebieten und Gewerberäumen an den aktuellen und zukünftigen Bedarf für Ansiedlungen und Erweiterungen
    • Stärkung des Handels durch Infrastrukturmaßnahmen
    • Entwicklung des Berzdorfer Sees als wichtigen wirtschaftlichen Faktor für die Region
    • Entwicklung und Umsetzung eines Konzeptes für den nachhaltigen Ausbau der touristischen Infrastruktur am Berzdorfer See
    • Unterstützung zur Existenzgründung und Bedarfspflege
    • Schaffung eines innerstädtischen Parkraumkonzeptes für Bus, Caravan und PKW Stellplätze
    • Kooperation mit Zgorzelec

    Stadtentwicklung

    • Entwicklung eines zukunftssicheren Finanzkonzeptes für den Erhalt des Görlitzer Nahverkehrs als Verbund von Straßenbahn und Busverkehr über das Jahr 2017 hinaus.
    • Ausbau des innerstädtischen Radwegenetzes sowie von Radwander- und Wanderwegen auf beiden Seiten der Neiße unter Nutzung von EU-Förderprogrammen
    • Fortsetzung der Umgestaltung des Postplatzes

    Kultur, Freizeit und Familie

    • Erhalt des Musiktheaters und Einleitung weiterer Sanierungsmaßnahmen
    • Sicherung und Substanzerhalt des Baudenkmals Stadthalle unter Verwendung von Fördermitteln mit Eigenbeteiligung der Stadt mit dem Ziel der Vorbereitung eines abschließenden und wirtschaftlich tragbaren Sanierungs- und Betreiberkonzepts. Suche nach Kauf- und/oder Betreiberinteressenten für die Stadthalle.
    • Erhalt und Förderung der Musikschule und Volkshochschule
    • Förderung von Via Thea, Altstadtfest, Jazztage, Christkindelmarkt und Tippelmarkt
    • Erhalt und Ausbau des Tierparks
    • Unterstützung der Entwicklung eines Wasserspielplatzes im Helenenbad auf Grundlage der bisherigen Stadtratsbeschlüsse

    Soziales, Senioren, Behinderte

    • Intensivierung der kommunalen Seniorenpolitik und intensivere Einbeziehung des Seniorenbeirates in die Stadtratsarbeit
    • Schaffung von sicheren und barrierefreien Übergängen bei grundhaftem Ausbau von Straßen und Wegen
    • Unterstützung von Investoren bei Projekten des Mehrgenerationenwohnens

    Sport

    • Ersatzneubau der Hirschwinkel-Turnhalle
    • Schrittweise Erneuerung des “Stadion der Freundschaft“
    • Stärkung der bewährten Vereinsstruktur durch eine stabile und zuverlässige Sportförderung und einer Fortschreibung der Sportstättenleitplanung

    Gesundheit

    • Eine langfristige Gewährleistung und Sicherstellung der breiten medizinischen Versorgung durch ein wirtschaftlich starkes Städtisches Klinikum, das intensiv am weiteren Ausbau von Kooperationen arbeitet, und die mögliche Vernetzungen mit anderen Krankenhäusern voranbringt. Die Kooperation mit niedergelassenen Ärzten, Pflegeeinrichtungen, ambulanten Diensten und dem Zgorzelecer Krankenhaus ist anzustreben und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten umzusetzen
    • Unterstützung von Maßnahmen, um Haus- und Fachärzte für die Arbeit in der Stadt Görlitz zu interessieren und freiwerdende Praxissitze zu besetzen
    • Erhalt eines hochwertigen Rettungsdienstes

    Jugendkultur und Bildung

    • Schaffung eines Jugendzentrums (soziokulturelles Zentrum)
    • Fortsetzung der bedarfsgerechten Schulsanierung
    • Ausbau der modernen Medien in den Schulen
    • Förderung und Unterstützung der Erweiterung des Hochschulstandortes Görlitz

    Ordnung und Sicherheit

    • Schaffung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sauberkeit auf den Gehwegen, Containerstellflächen, Parks und öffentlichen Plätzen
    • Stetige Verbesserung der technischen und materiellen Ausstattung von Berufs- und Freiwilliger Feuerwehr
    • Neubau von Feuerwehrgerätehäusern in Kunnerwitz und Stadtmitte für die Freiwillige Feuerwehr
    • Enge Zusammenarbeit gegen Drogenkriminalität mit allen Sicherheitsbehörden und dem Landkreis
    • Präventionsmaßnahmen zur Erhöhung der inneren Sicherheit

    Zusammenarbeit Görlitz – Zgorzelec

    • Regelmäßige Treffen beider Oberbürgermeister und Stadträte, um gemeinsam Konzepte zur Stadtentwicklung, Feuerwehr, dem Rettungsdienst und Katastrophenschutz abzustimmen
    • Zusammenarbeit bei Projekten, welche durch europäische Fördermittel im Bereich Sportstätten, Wirtschaftsansiedlung und Kultur unterstützt werden
    • Unterstützung des Europamarathons als größtes Sportevent der Europastadt Görlitz/Zgorzelec

    Zur Erreichung dieser Ziele verständigen sich die Stadtratsfraktionen der CDU und der BÜRGER FÜR GÖRLITZ/GRÜNE/PIRATEN auf folgende Verfahren einer sachdienlichen Entscheidungsfindung:

    • rechtzeitig abgestimmte Meinungsbildung in der jeweiligen Fraktion

    • Beratung der Fraktionsvorstände mit dem Oberbürgermeister und Bürgermeister, um Entscheidungsprozesse zu verkürzen und abzusichern

    • Projekte, welche nicht mehrheitlich vom Vertragspartner getragen werden können, werden gemeinsam überprüft, um anzustreben dennoch einen mehrheitsfähigen Beschlussvorschlag zu erarbeiten bzw. eine gemeinsame Beschlussvorlage vorzulegen

    • die Pressearbeit soll zwischen den Fraktionsvorständen abgestimmt werden

    • die Fraktionen und deren Mitglieder vereinbaren bei grundsätzlichen oder unüberbrückbaren Meinungsunterschieden, Toleranz in der Öffentlichkeit und ein faires Miteinander

    Unabhängig von diesem Verfahren werden beide Fraktionsvorstände beraten, um sich auf kommunalpolitische Entscheidungen vorzubereiten und Themen von grundsätzlicher Bedeutung, wie z.B. wichtige Personalentscheidungen, zu klären. Gemeinsame Fraktionssitzungen sind dazu möglich.

    Transparentes Verhalten ist Voraussetzung für eine offene Atmosphäre im Stadtrat. Sachliche Auseinandersetzung schließt dabei sowohl emotionales Engagement als auch eine ebenso vorgetragene Meinung ein.

    Die Fraktionen verpflichten sich, diese Vereinbarung im politischen Handeln und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Görlitz umzusetzen. Die Vereinbarung gilt für die Dauer der laufenden Wahlperiode.

    Ergänzungen dieser Vereinbarung sind im Einvernehmen der beiden unterzeichnenden Fraktionen jederzeit möglich.

    Dieter Gleisberg
    Vorsitzender der CDU-Fraktion im Stadtrat von Görlitz

    Dr. Rolf Weidle
    Vorsitzender der Fraktion BFG/GRÜNE/PIRATEN im Stadtrat von Görlitz

    Kommentar:

    Einigkeit macht stark. Allerdings: Was da zu Papier gebracht wurde, sind weiß Gott keine Ziele, allenfalls Absichtserklärungen.

    Vor allem fehlen immer wieder klare Kriterien, an denen sich eine Ziellerreichung im Jahr 2019 messen lassen kann. Aussagen wie "strebt an" oder "muss weiter verbessert werden" erinnern fatal an das vor 25 Jahren überwundene System der organisierten Verantwortungslosigkeit.

    Aber damals war ja eine Beurteilung "hat sich stets bemüht" tatsächlich positiv gemeint.

    Wir sehen: Der Görlitzer Stadtrat bemüht sich.

    Abgerechnet wird zum Schluss,

    meint Ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (2)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Bürgerfreundlichkeit

Von Jens am 13.12.2014 - 18:07Uhr
Bei aller Unverbindlichkeit, welche aus der Vereinbarung der "mächtigen" Stadtratsfraktionen herauslächelt, ist mir doch bei einem Satz fast das Lachen im Halse stecken geblieben:
"Beratung der Fraktionsvorstände mit dem Oberbürgermeister und Bürgermeister, um Entscheidungsprozesse zu verkürzen und abzusichern"

Was sagt uns das? Ich verstehe es so: Damit im Stadtrat keine öffentliche Diskussion mehr stattfindet oder diese, wenn sie zu kritisch wird, schnell mit Geschäftsordnungsanträgen abgewürgt werden kann, wird alles schon vorher von den "Eliten" abgenickt und der Rest der "mächtigen" Fraktionen hat dann zu folgen. "Wir haben ja die Mehrheit!", so lautet die Zusammenfassung.

Es ist schon verwunderlich, dass die Piratin da mitmacht, aber das süße Gift der Macht wirkt wohl schon. Dieses "Mach(t)werk" trägt in keinem Falle zu mehr Transparenz und Bürgerfreundlichkeit im Stadtrat von Görlitz bei. Es dient allein der Absicherung der Macht, um die eigenen Projekte (nicht die für die Stadt wichtigen!) zu verwirklichen.

Schöne Demokraten bei der CDU und den Bürgern für Görlitz!

Görlitzer Bündnis

Von Seensüchtiger am 08.12.2014 - 14:59Uhr
Was steht in dieser Vereinbarung an Inhalten, die nur umgesetzt werden können, wenn es diese Vereinbarung gibt? Wer soll etwas gegen Wirtschafts- und Tourismusstärkung haben? "Entwicklung des Berzdorfer Sees als wichtigen wirtschaftlichen Faktor für die Region" - Dazu reicht die Engelstudie, aber kein Zweckverband? "Erhalt und Ausbau des Tierparks" - Wie steht das Bündnis zum Eurasienpark? "Unterstützung von Investoren bei Projekten des Mehrgenerationenwohnens" - Nur, wenn es von den "Richtigen" gemacht wird?

Die Formulierungen sind so freundlich, dass sie unverbindlich bleiben. Unsere Lokalpolitiker müssen lernen, für selbstgewählte Aufgaben einzustehen, hinter die man nach fünf Jahren einen Haken machen kann oder nicht. Einzig das Helenenbad ragt hier positiv heraus.

Diese Vereinbarung ist Wahlkampfdeutsch. Wählerwillen haben die Bündispartner vielleicht umgesetzt. Von Bürgerwille zu sprechen, ist Spekulation.

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  • Quelle: red | Kommentar: Fritz Rudolph Stänker | Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 06.12.2014 - 22:42Uhr | Zuletzt geändert am 07.12.2014 - 20:38Uhr
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