Sollte die Mittelschule Seifhennersdorf Opfer einer Polit-Intrige werden?

Seifhennersdorf, 14. Oktober 2012. Die Mittelschule Seifhennersdorf hatte im September 2012 mit einem von den Eltern selbst organisierten "Protestunterricht" für die fünfte Klasse für Aufsehen gesorgt. Lehrer, die bereits im Ruhestand sind, sowie Selbständige vermittelten den Unterrichtsstoff. Hintergrund: Es fehlten zwei Schüler zur Erreichung der Mindestanzahl für die Einrichtung einer fünften Klasse. Das hatte auch das Bautzener Oberverwaltungsgericht so festgestellt. Doch so einfach liegt der Fall nicht, wie durch die Übergabe eines Appells der betroffenen Eltern an die Mitglieder der Kreistages Görlitz und Landrat Bernd Lange am 10. Oktober 2012 deutlich macht. Sie wollen sich nicht "als Gesetzesbrecher und gewaltbereite Störer des sozialen Friedens abstempeln" lassen. Hintergrund des empörten Aufschreis ist die Warnung vor Strafen durch die Sächsische Bildungsagentur und ein bekannt gewordenes Antwortschreiben der von der Stadt Seifhennersdorf als Schulträger beauftragten Rechtsanwälte Schmidt, Günther & Lattermann an das Sächsische Staatsministerium für Kultus und Sport aus dem Jahr 2011, das die Eltern den Kreisräten ebenfalls übergeben haben.

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Eine politische Intrige der CDU gegen die parteilose Seifhennersdorfer Bürgermeisterin?

Die nachstehend zitierten oder im Wortlaut wiedergegebenen Dokumente geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern jeweils die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

Im Abschnitt "C. Persönliche Anmerkung / Politische Bedeutung" des erwähnten Antwortschreibens stellt Rechtsanwalt Torsten Schmidt die Rechtslage klar und weist auf einen Verdacht hin: "Schulträgerangelegenheiten gehen den Landrat nichts an. Auch das Sächsische Staatsministerium für Kultus und Sport kann nicht im Vorfeld irgendwelche Vereinbarungen über Schulstandorte treffen, sondern kann allenfalls Anmeldezahlen abwarten und dann auf dieser Tatsachengrundlage einen ausschließlich am Gesetz und den Anforderungen an das öffentliche Bedürfnis genügenden Gesetzesvollzug veranlassen. Es besteht grundsätzlich kein Raum für irgendwelche "Vereinbarungen", Absprachen oder sonstigen Übereinkünfte. Vor allem geht es nicht zulasten und ohne Kenntnis der als Schulträgerin eigentlich betroffenen Stadt Seifhennersdorf derartige Treffen und Absprachen, die den Landrat nichts angehen, auf gesetzeswidrige Vereinbarungen hinauslaufen, die zudem dem Landkreis nur erhebliche zusätzliche Aufgaben aufbürden. Sie nähren den Verdacht einer im Geheimen geführten "politischen Intrige" zwischen dem der CDU angehörigen Staatsminister und dem der CDU angehörenden Landrat gegen eine Bürgermeisterin, die nicht der CDU angehört." Und weiter unten findet sich der Hinweis auf die "Sonderbarkeit", dass "sowohl das Sächsische Staatsministerium für Kultus und Sport als auch die Sächsische Bildungsagentur bereit sind, offenen Gesetzesbruch vorzunehmen, um Anmeldungen an der Mittelschule Seifhennersdorf zu verhindern und die Anmeldezahlen - wenn auch knapp - unter der gesetzlichen Mindestschülerzahl zu halten."

Rechtsanwalt Torsten Schmidt kennt sich aus auf diesem Gebiet, wurde ihm doch im Januar 2012 auf Basis seiner Dissertation "Schulnetzplanung - Verfassungs-, europa-, völker- und verwaltungsrechtliche Fragen der räumlichen Planung des Schulwesens - dargestellt an der Schulnetzplanung im sächsischen Schulrecht" sowie der öffentlichen Verteidigung am 5. Januar 2012 der akademische Grad eines Doktors der Rechte (Dr. iur.) durch die Juristenfakultät der Universität Leipzig verliehen.


Appell der Seifhennersdorfer Eltern an den Kreistag Görlitz und Landrat Bernd Lange
(überreicht vor der Sitzung des Kreistages am 10. Oktober 2012 an alle Kreisräte und Besucher)

Sehr geehrte Mitglieder des Kreistages Görlitz,
werter Herr Landrat,

wir Eltern der Mittelschule Seifhennersdorf bitten und appellieren an Sie! Verweigern Sie uns nicht lhre Hilfe und Unterstützung!

Bitte hören Sie uns zu, bitte reden Sie mit uns, bitte geben Sie uns eine Gelegenheit Ihnen alle "Verfahrensfehler und Ungereimtheiten zu diesem Schulstreit" vortragen zu können, bitte überprüfen Sie die Fakten und beenden Sie diese schlimme unzumutbare Konfliktsituation politisch! Es liegt in Ihrer Hand!

(Am Freitag, den 12.10.2012 findet 19 Uhr, im KIEZ Seifhennersdorf ein weiteres Gespräch zwischen Sächs. BA *, Landrat/Landkreis und Eltern statt. Dazu laden wir Sie herzlich ein)

Verständnis und Unterstützung erhalten wir bisher NUR von LINKS (Partei die Linke, SPD) und RECHTS (NPD) + einer breiten Öffentlichkeit aus ganz Deutschland

Warum lässt uns die "Demokratische Mitte" im Stich?
Warum verweigert uns die Regierungskoalition eine vernünftige Lösung?

Hier geschieht eindeutig großes Unrecht unter Verletzung demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien, lassen Sie sich von uns die Beweise vorlegen - wir haben Akteneinsicht genommen und sind erschüttert!
Die beiliegende** "politische Bedeutung und Anmerkung" des Rechtsanwaltes der Stadt Seifhennersdorf, Dr. Schmidt vom 31.03.2011 hat sich in den vergangenen 1 1/2 .Iahren leider in schlimmster Form bestätigt.

Wir sind doch ganz normale Bürger und sorgeberechtigte Eltern dieses Landkreises!

Wir lassen uns weder als Gesetzesbrecher und gewaltbereite Störer des sozialen Friedens abstempeln, noch von Staatsschutz und Kriminalpolizei verfolgen und überwachen.

Ein entscheidender Auslöser sämtlicher hässlicher Querelen und Kämpfe um die Mittelschule Seilhennersdorf ist der Beschluss zum Schulnetzplan vom 23.06.2010. Nur Sie können nachbessern, ändern, eine vernünftige Lösung herbeiführen.
Bitte übernehmen Sie Verantwortung und verhindern Sie weiteres Unrecht!

* Anmerkung der Redaktion: Sächsische Bildungsagentur
** Nachstehend der an den Görlitzer Anzeiger übermittelte Wortlaut des Schreibens.



Aus dem Schreiben der Rechtsanwälte Schmidt, Günther & Lattermann an das Sächsische Staatsministerium für Kultus und Sport aus dem Jahr 2011:

"C.
Persönliche Anmerkung / Politische Bedeutung

Ungeachtet der vorstehenden rechtlichen Erwägungen erlaubt sich der Unterzeichner den Hinweis, dass das im vorliegenden Fall beobachtete Verfahren einige Sonderbarkeiten aufweist, die sich rational nicht erklären lassen, aber möglicherweise einer politischen Motivierung entspringen:

Zunächst ist es sonderbar, dass der Landrat des Landkreises Görlitz ein derart vehementes lnteresse an einer schnellen Schulschließung zeigt, obwohl er nicht Schulträger ist und auch sonst vom Fortbestehen der Mittelschule Seifhennersdorf überhaupt nicht tangiert sein dürfte. Es ist zu erinnern daran, dass ein Tangieren der Belange des Landkreises und damit auch des Aufgabenfeldes des Landrates nur in Bezug auf die Schülerbeförderung denkbar ist und die Aufhebung oder teilweise Aufhebung der Mittelschule Seifhennersdorf für den Landkreis nur Nachteile in Form von zusätzlichen, bisher nicht notwendigen Beförderungsleistungen notwendig macht. So ist nicht nachvollziehbar, warum sich der Staatsminister mit dem Landrat trifft und beide noch vor Vorliegen der Anmeldezahlen und trotz der im Übrigen schwebenden gerichtlichen Verfahren über den Bescheid vom 14.05.2011 einen neuen Mitwirkungswiderruf vereinbaren.

Die Notwendigkeit zu einem Treffen zwischen Staatsminister und Landrat bestand nicht: Schulträgerangelegenheiten gehen den Landrat nichts an. Auch das Sächsische Staatsministerium für Kultus und Sport kann nicht im Vorfeld irgendwelche Vereinbarungen über Schulstandorte treffen, sondern kann allenfalls Anmeldezahlen abwarten und dann auf dieser Tatsachengrundlage einen ausschließlich am Gesetz und den Anforderungen an das öffentliche Bedürfnis genügenden Gesetzesvollzug veranlassen. Es besteht grundsätzlich kein Raum für irgendwelche "Vereinbarungen", Absprachen oder sonstigen Übereinkünfte. Vor allem geht es nicht zulasten und ohne Kenntnis der als Schulträgerin eigentlich betroffenen Stadt Seifhennersdorf derartige Treffen und Absprachen, die den Landrat nichts angehen, auf gesetzeswidrige Vereinbarungen hinauslaufen, die zudem dem Landkreis nur erhebliche zusätzliche Aufgaben aufbürden.

Sie nähren den Verdacht einer im Geheimen geführten "politischen Intrige" zwischen dem der CDU angehörigen Staatsminister und dem der CDU angehörenden Landrat gegen eine Bürgermeisterin, die nicht der CDU angehört. Eine derartige Einmischung in Angelegenheiten, die noch gar nicht spruchreif sind, hätten den Staatsminister dazu führen müssen, derartige Gesprächsanfragen und Treffen von vornherein abzulehnen und den Landrat darauf zu verweisen, dass das Sächsische Staatsministerium für Kultus nach dem Gesetz vorgeht und gegebenenfalls gemeinsam mit der Stadt Seifhennersdorf, dem Landkreis und sonstigen Betroffenen nach einer Lösung sucht.

Eine vergleichbare "Sonderbarkeit" stellt der Umstand dar, dass sowohl das Sächsische Staatsministerium für Kultus und Sport als auch die Sächsische Bildungsagentur bereit sind, offenen Gesetzesbruch vorzunehmen, um Anmeldungen an der Mittelschute Seifhennersdorf zu verhindern und die Anmeldezahlen - wenn auch knapp - unter der gesetzlichen Mindestschülerzahl zu halten.
Nur so ist es verständlich, dass durch hochrangige Ministerialbeamte, die Leiterin der Sächsischen Bildungsagentur und auch dem Leiter der Regionalstelle derart rechtswidrige Festlegungen getroffen werden.

Es lässt sich der Eindruck nicht vermeiden, dass es unterdessen "politischer Stil" ist, mit rechtswidrigen Mitteln zulasten betroffener Schulträger die Tatsachengrundlage zu gestalten. Während man derartige Vorgänge bei nachgeordneten Referenten der Kultusverwaltung oder dem einen oder anderen juristisch nicht geschulten Schulleiter noch als Versehen oder als Rechtsunkenntnis abtun könnte, ist dies bei einem Ministerialdirigenten, der Leiterin der Sächsischen Bildungsagentur und auch einem Regionalstellenleiter sowie den tagtäglich mit vergleichbaren Vorgängen befassten Referenten nicht mehr anzunehmen. Derart vorsätzlicher Rechtsbruch wider besseren Wissens kann (unlesbar) nur politisch motiviert sein."

Kommentar:

In Görlitz ist mit der Wahl des parteilosen neuen Bürgermeisters, unterstützt u.a. von der CDU, der von diesem immer wieder ins Feld geführte Begriff der "Netzwerke" ins Gerede gekommen. Was wird mit "Netzwerk" - auch "human network" oder "Seilschaft" genannt - eigentlich umschrieben?

Positiv gesehen haben persönliche Netzwerke zwei Eigenheiten. Zunächst vereinfachen sie die Zusammenarbeit, weil man sich kennt. Man kommt schneller auf den Punkt, kann offener miteinander reden, weiß, was man erwarten kann und was nicht. Außerdem dienen Netzwerke dem Stärkenausgleich: Man kann sich an den wenden, der sich am besten auskennt oder die besten Handlungsoptionen hat.

Aber es gibt auch die negativen Aspekte, die, wenn sie auftreten, Netzwerke zum Filz machen: Seilschaften, die ihre Mitglieder an wichtigen Stellen positionieren und auf Gedeih und Verderb zum "Mitmachen" zwingen.

Wenn man sich mal auf der Zunge zergehen lässt, wo eine bestimmte Partei und deren Nachwuchsorganisation im Landkreis überall ihre Mitglieder installiert haben, können Zweifel am Willen zum demokratischen Miteinander aufkommen. Regiert der Filz ist Handlungsunfähigkeit die Folge, denn eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. So erleben die Seifhennersdorfer Eltern, dass neben der an demokratischen Traditionen reichen SPD, die das Wörtchen "sozial" immerhin im Namen führt, nur die Rattenfänger des linken und des rechten Randspektrums sich ihrer Sorgen annehmen.

Was sich in Seifhennersdorf zeigt, sind die konkreten Probleme des demografischen Wandels in der Oberlausitz. Wenn diese aber instrumentalisiert werden sollten, um eine parteipolitisch unabhängige Bürgermeisterin für den Ersatz durch einen linientreuen Parteigänger reifzuschießen,

dann wäre der Filz nicht nur dunkelschwarz, sondern würde dazu auch noch stinken,

meint Ihr Fritz R. Stänker


Der Zittauer Anzeiger berichtete am 11. September 2012:
Gute Gründe für fünfte Klassen an Mittelschule Seifhennersdorf


Andere Stimmen:
Mirko Schultze, Linkspartei, Kreisrat, zur Schulproblematik Seifhennersdorf


http://www.seifhennersdorf.de

Kommentare Lesermeinungen (3)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schulstreit

Von Donath, Uwe am 23.10.2012 - 11:11Uhr
Ich kann es nicht mehr hören und lesen, tausende Kinder steigen in den Bus und fahren zu einer Schule in der Nähe. Was wäre das für ein Chaos, wenn jedes Elternteil sich dagegen wären würde. Die Gesetze sind nun mal so.

Den betroffen Eltern geht es doch gar nicht mehr um die Kinder, sie wollen den Behörden zeigen, wie stark sie sind.

Hohe Strafen und eine Wiederholung der 5. Klasse würde ich anordnen, wenn ich Bürgermeister von Seifhennersdorf wäre.

Schulpolitik Sachsen

Von Görzelec am 20.10.2012 - 17:53Uhr
Die sächsische Schulpolitik ist bereits seit Jahren ein Skandal. Hier wird einfach nach der Methode "der Letzte macht das Licht aus" Strukturpolitik gegen den Ländlichen Raum gemacht. Und zwar mit Absicht und Kalkül.

Die selben Politiker sind sich aber nicht zu schade dazu, über Werte wie "Heimattreue" zu schwadronieren, die man unterstützen muss. Ja, die erwirbt man sich besonders in mehrstündigen Busfahrten zur Schule während der Kindheit.

Aber das macht man dann eben mit ein bisschen "volkstümlicher Musik" im MDR wieder wett.

Mittelschule Seifhennersdorf

Von Klaus Stenzel am 20.10.2012 - 14:16Uhr
Meiner Meinung nach machte die ganze Entwicklung von Anfang an den Eindruck, daß es hierbei um verletzte Eitelkeiten von höherer Stelle geht, was sich mittlerweile immer mehr bestätigt. Hier soll auf Biegen und Brechen bewiesen werden, wer hier das Sagen hat, leider.

Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen, daß zum Stichtag genügend Schüler angemeldet waren.

Allen Streitern wünsche ich Durchhaltevermögen und hege die Hoffnung, daß sich auf höherer Ebene Vernunft durchsetzen möge.

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  • Quelle: Fritz Rudolph Stänker
  • Erstellt am 14.10.2012 - 20:32Uhr | Zuletzt geändert am 10.05.2021 - 10:43Uhr
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