Leuchtermännchen in Görlitz vereint

Görlitz, 7. August 2018. In Görlitz sind nun die Kopie und das Original des lange für verloren gehaltenen "Ullersdorfer Leutermännchens" in einer Vitrine des Kulturhistorischen Museums im Barockhaus Neißstraße 30 vereint. Für die Kulturhistoriker und Museologen der Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur und interessierte Bürger ist das ein großer Glücksmoment.
Abbildung: Ein glücklicher Museumsleiter Dr. Jasper von Richthofen zeigt das originale Ullersdorfer Leuchtermännchen, bevor es zur Kopie in der Vitrine kommt.

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Die Geschichte des Ullersdorfer Leuchtermännchens

Thema: Ausstellungen in Görlitz und Umgebung

Ausstellungen in Görlitz und Umgebung

Görlitz verfügt nicht nur über fast 4.000 Baudenkmale, sondern ist eine Stadt der Museen und Ausstellungen. Hier befinden sich beispielsweise das Kulturhistorische Museum, das Schlesische Museum zu Görlitz, das Museum der Fotografie und das Senckenberg Museum für Naturkunde, im polnischen Teil der Europastadt das Lausitz-Museum. Darüber hinaus gibt es häufig Sonderausstellungen an anderen Orten, auch im Umland der Stadt sowie in der Dreiländerregion von Sachsen, Tschechien und Polen.

Dass das Leuchtermännchen nun als Dauerleihgabe ins Görlitzer Museum kam, ist einem riesigen Zufall zu verdanken – immerhin war es 270 Jahren lang unterwegs und niemand wusste, wohin. Bekannt war allerdings, woher der kleine Messingmann, ein Narr mit Narrenkappe, stammte: Er diente als Mittelteil eines spätgotischen Leuchters aus der Zeit um 1400, wo er auf einem dreifüßigen Sockel verlötet war. Die Arme ausgebreitet – fast wie im Anbetungsgestus (Orantenstellung) – waren an seinen Händen wohl Kerzentüllen mit Traufschalen befestigt, die allerdings ebensowenig wie der Sockel erhalten sind.

Das Leuchtermännchen war im Jahr 1744 beim Bau der Menagerie am Lustgarten am Schloss Ullersdorf (obgleich erhaltenswürdig im Jahr 1984 im Einvernehmen von lokalen SED-Funktionären und Kulturbanausen des Agrarbetriebs gesprengt, um im Dorf zwei große Plattenbau-Wohnblöcke zu errichten) gefunden worden. 1746 wurde die Figur abgefeilt, weshalb die einstige Befestigung der Kerzentüllen nicht mehr erkennbar ist. Auch die Oberfläche der Figur weist intensive Spuren dieser rabiaten Bearbeitung, die vermutlich der Reinigung dienen sollte, auf. Das so neugestaltete Leuchtermännchen wurde anschließend mit einer runden Bodenplatte aus Messing verlötet. Das ist gut nachvollziehbar, denn auf der Unterseite der Platte fand sich die Inschrift "Dieser Abgott ist 1744 beyn Menagegebäude ausgegraben reno. (?) Nov 1746".

Doch mehr noch musste der kleine Mann erleiden: Eine Reparaturstelle am Hals zeigt, dass der Kopf abgebrochen gewesen sein muss. Archäometallurgische Untersuchungen durch das Reiß-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie sollen im Herbst 2018 Aufschluss über die genauere Zusammensetzung der Legierung aus Kupfer und Zink geben. Davon versprechen sich die Görlitzer Forscher Hinweise auf die Herstellungstechnik und die Möglichkeit, Reparaturen und Ergänzungen aus dem Jahr 1746 von der ursprünglichen Figur unterscheiden zu können.

Wegen des vermeintlichen Anbetungsgestus wurde die Figur nach ihrem Fund als heidnische slawische Gottheit Flintz gedeutet. Erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert weiß man, dass derartige Figuren Leuchtermännchen sind – und die sind selten: Insgesamt sieben Leuchtermännchen in Narrengestalt sind in Mitteleuropa bekannt.

Die Beschriftung des Kästchens, in dem das Leuchtermännchen aufbewahrt wurde, zeigt, dass das originale Männchen 1764 in das Geschlechterarchiv der Familie von Nostitz gelangte. Damit reimt sich die Geschichte des Leuchtermännchens zusammen: Offenbar kam nur der wohl anlässlich der Überarbeitung 1746 angefertigte Zinnabguss in die Altertumssammlung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, die Spur des Originals verlor sich jedoch, es schien verloren.

Dank eines Hinweises von Dr. Stefan Krabath, ehemals Landesamt für Archäologie, wurde im Jahr 2015 zufällig bekannt, dass die Leuchtermännchenfigur samst Holzkästchen und Rosshaarpolsterung bei der Familie von Nostitz noch existiert. Nach Verhandlungen konnte 2018 ein Dauerleihvertrag mit der Familie geschlossen und das Stück wieder in seine Heimat Oberlausitz gebracht werden. Im Kulturhistorischen Museum der Neißestadt wird es im Barockhaus Neißstraße 30 neben der Kopie von 1746 gezeigt.

Sehenswert!
Die Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur vereinen das Kulturhistorische Museum mit seinen Ausstellungsorten Barockhaus Neißstraße 30, Kaisertrutz und Reichenbacher Turm und die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften, eine aktive regionale Wissenschaftsbibliothek, mit ihrem historischen Büchersaal.

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  • Quelle: red | Foto: Wu Mengru / Gölitzer Sammlungen
  • Erstellt am 07.08.2018 - 11:59Uhr | Zuletzt geändert am 07.08.2018 - 12:47Uhr
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