Ländliche Regionen abkoppeln?

Berlin. Sachsens Ministerpräsident Milbradt sprach heute auf dem 1. Demographiegipfel der Zeitung "Behördenspiegel" von Chancen des demografischen Wandels und betonte: "Mit isolierten Reaktionen und kurzatmigen Aktionen ist dem demographischen Wandel nicht zu begegnen."

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Im demografischen Wandel sollen Mindeststandards für ländliche Regionen erhalten bleiben

Die Veranstalter hatten Milbradt eingeladen, zum Thema "Neue Anforderungen an die Stadt- und Landesentwicklung am Beispiel Sachsens" zu referieren. Sachsens Bevölkerungszahlen gehen seit 1967 zurück, besonders dramatisch jedoch seit der Wende. 1950 hatte Sachsen noch 5,7 Mio. Einwohner, 1988 waren es knapp über 5 Mio., heute sind es nur noch knapp 4,3 Mio.

Milbradt forderte, planerische Entscheidungen nicht nur mit Blick auf den Status quo zu treffen: "Wenn die Bevölkerung schrumpft, passiert das gleiche mit der Steuerbasis und der Zahl der Gebührenzahler. Vor jeder Entscheidung muss daher eine Demographiefolgenabschätzung getroffen werden, und die muss sich an den lokalen und regionalen Trends orientieren. Alles andere gefährdet die künftige finanzielle Stabilität."

Weitere Erkenntnis aus den bisherigen Erfahrungen sei, dass die demographische Entwicklung in Sachsen sehr unterschiedlich verlaufe. Eine Raumordnungspolitik, die auf gleichwertige im Sinne von fast identischen Lebensverhältnissen zielt, ist Milbradt zufolge nicht mehr realistisch. Vielmehr werde man einen gewissen Mindeststandard definieren müssen, der auch in den dünn besiedelten Gemeinden und Regionen garantiert werde. Zu dieser Mindestausstattung gehöre, jedem Bürger Zugang zu Bildung, Telekommunikation und Gesundheitsvorsorge zu gewährleisten. Anders als bisher solle jedoch kein einheitliches Modell vorgegeben werden, mit dem diese Garantie eingelöst wird. Vielmehr müssten neue Wege im Denken beschritten werden, um für die demographisch und wirtschaftlich unterschiedlichen Regionen maßgeschneiderte Lösungen zu finden.

"Die Herausforderung für die Stadt- und Landesentwicklung besteht darin, hier differenziert zu steuern", so der Ministerpräsident weiter. "Wir müssen alle Gesetze, Verwaltungsvorschriften und Förderprogramme darauf überprüfen, ob sie mit dem Subsidiaritätsprinzip kompatibel sind. Dort, wo uniforme Vorgaben maßgeschneiderte Lösungen verhindern, sollten wir sie lockern oder ganz abschaffen. Denkbar wären zum Beispiel Öffnungs- und Experimentierklauseln in der Bauordnung, im Denkmalschutzgesetz, in der kommunalen Zusammenarbeit oder im Landesplanungsgesetz."

Der Ministerpräsident sieht im demographischen Wandel die Chance, die Politik auf das Notwendige zu fokussieren und den Vollzug der Politik noch effizienter zu organisieren.

Allerdings sei es für die Bürger nicht leicht, Schrumpfungsprozesse und infolgedessen mehr Unterschiedlichkeit zu akzeptieren. Umso wichtiger sei es, die Bevölkerung umfassend und transparent über die Veränderungen zu informieren. Um eine alle Bereiche umfassende Strategie zu entwickeln, hatte Milbradt 2004 eine Expertenkommission eingesetzt, deren Empfehlungen für eine Neuausrichtung von Politik und Verwaltung er im Herbst erwartet. Er lud die Anwesenden ein, die Empfehlungen mit ihm auf dem 2. Sächsischen Demographiegipfel am 8. November in Dresden zu diskutieren.

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  • Quelle: /SSK
  • Erstellt am 23.08.2006 - 21:30Uhr | Zuletzt geändert am 23.08.2006 - 21:37Uhr
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