Die Stadt, die Kultur und der Lärm

Die Stadt, die Kultur und der LärmEuropastadt Görlitz-Zgorzelec, 28. Juli 2019. Als am Abend des 26. Juli die Görlitzer Luft von Musik erfüllt war, rätselten viele, "was denn da wieder los" sei, gar wurde die Polizei gerufen. Die sorgte auf deutscher Seite für Stille bei jenen, die das polnische Musikspektakel auch auf das deutsche Neißeufer ausdehnen wollten. Schade – im nächsten Anlauf im Jahr 2020 kann es nur besser werden, wenn es dann wieder heißt: Musik liegt in der Luft!
Abbildung oben: Die Polizei unterband die Geräuscherzeugung am deutschen Neißeufer. Der Görlitzer Anzeiger möchte den abgebildeten Polizisten keinesfalls verhohnepipeln, meint aber, dass biometrisch auswertbare Bilder von bestimmten Berufsgruppen im Dienst und von Kindern nicht ins Web gehören, sofern diese Bilder nicht bereits online sind

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2020 wird es noch besser

2020 wird es noch besser
Schließlich ist die Feiergemeinde der Einschätzung der Polizei gefolgt

Hintergrund war das "Soundsystem Street Festival Zgorzelec 2019", von dem sogar Bürgermeister Rafał Gronicz in begeisterten Kurzvideos auf facebook berichtete. Leider war das fröhliche Sommernacht-Tanzen auf deutscher Seite weithin unbekannt, obwohl es doch auf Websites wie zgorzelec.eu, zgorzelec.info oder basta-club.net angekündigt war und schon bei seiner Erstauflage 2018 den Wettbewerb um die Kofinanzierung als bestes niederschlesisches Kulturprojekt gewonnen hatte.

2019 ist das Soundsystem Street Festival Zgorzelec internationaler geworden und sollte auch den deutschen Teil der Europastadt erfassen. Nur wussten darum eben zu wenige, ein facebook-Kommentator schrieb zum Link auf www.facebook.com/GoerlitzerAnzeiger: "Das Soundsystem auf deutscher Seite wurde sogar von den Polizisten dazu gezwungen, weit vor 22 Uhr den Sound auszuschalten. Dabei hatten sie eine eindeutige Genehmigung bis 22 Uhr. Aber angeblich waren dann, als es die ersten Beschwerden gab, doch irgendwelche Formulare nicht korrekt und ausreichend... Schade, aber wie gesagt, typisch deutsch..."

Eigentlich hätte ein kurzer Spaziergang über die Altstadtbrücke ausgereicht, um zu gucken, woher immer dieser Lärm kommt und mitzutanzen. Doch ein anderer facebook-Kommentator wirbt um Verständnis und schreibt: "Bis 22 Uhr wäre ja o.k. gewesen. Aber wenn man hundemüde von einer Reise kommt und das Gedröhne bis weit nach um Zehn in der ganzen Stadt bis hinter zur Reichenbacher Straße zu hören ist, ist irgendwann Schluss mit lustig!" Und noch eine Meinung, die wieder in die andere Richtung geht: "Immer wieder liest man, dass sich die Görlitzer aufregen, sollten froh sein, wenn auf Görlitzer bzw. auch auf polnischer Seite was geboten wird. Hier am Niederrhein und im Ruhrgebiet ist immer was los!"

Zugute halten muss man den tanzfröhlichen Zgorzelecern, dass die feuchtwarme Luft dieses Abends den Schall besonders gut transportiert. Und man muss sich am deutschen Ufer schon fragen, ob man gleich dem Reflex seines Aufmerksamkeitszentrums im Hirn folgen und seinen Ärger dann auch noch soweit steigern muss, bis man die Polizei ruft. Warum nicht einfach zu den "Lärmverursachern" gehen und fragen, was los ist? Einen aggressiven Eindruck machten die wahrlich nicht. Die Frage ist doch nicht dieses piesepamplige ob jemand etwas darf, sondern, ob man bereit ist, auch wenn's selber nicht gefällt, den anderen ein paar Stunden gute Laune zu gönnen. Auch das gehört zur viel zitierten Toleranz.

Vielleicht hätte die Polizisten auch lieber mitgetanzt, aber Dienst ist Dienst und Reggae ist Reggae und gestörter Bürger ist gestörter Bürger. Die Polizei macht jedenfalls einen guten Job, es ist nämlich nicht einfach, konsequent und so freundlich wie möglich mit Leuten jedweden Schlags umzugehen.

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Kommentare Lesermeinungen (3)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Aus Polen kam die Musik vom 26. Juli?!

Von Thomas John am 30.07.2019 - 03:56Uhr
Hatte diese laute und arg bassdröhnende Musik beim Spieleabend bei einer Freundin vernommen. Auf dem Nachhauseweg nach Königshufen war ich der Meinung, es müsste aus dem Kidrontal kommen! Wenn das von über der Grenze aber kam, dann ist das wirklich abartig laut gewesen, ich möchte da echt nicht in der Altstadt wohnen.

Was soll dieser Unfug, Musik so irre laut zu machen? Die Leute, die da vor Ort waren, müssen schon taub gewesen sein, sonst wären sie's vor Ort geworden.

Toleranz ist eine Tür, die nach beiden Seiten schwingt. Das Schlafbedürfnis der Bewohner scheint den Musikmachern und Genießern völlig egal gewesen zu sein. Bässe, die bis nach Mitternacht im gesamten Stadtgebiet zu hören sind, halte ich für inakzeptabel.

Streetfestival Zgorzelec

Von Siegfried Klemm am 29.07.2019 - 17:56Uhr
Wo war denn da M U S I K? Es sah ziemlich leer aus am "Bulvar Grecki", wahrscheinlich alle vom Digitalmaschinenlärm verjagt.

Wir können doch nicht, nur weil wir 2019 schreiben in einer Welt. die "sich politisch, sozial und in Umweltfragen im Chaos befindet" (Stephen Hawkings), auch noch die letzten kulturellen Maßstäbe über Bord werfen. Kultur ist der Umgang der Menschen miteinander und irgendwie gehört dazu auch ein wenig Bildung und Rücksichtnahme.

Und wer es "kapitalistisch" mag : Förderlich für Tourismus und Ruf der Stadt war das nicht – eher das Austoben von Provinzlern, die das, was sie taten, in einer Großstadt niemals genehmigt bekommen hätten.

In meinen Wohnstädten Bochum, Essen, Mainz, Göttingen, Freiburg, Bremen und Bremen-Nord wäre so etwas Mieses nicht möglich gewesen. Allerdings hätte es in diesen Städten auch für eine Rockband oder ein Blasorchester etc. gereicht.

Ein Anwohner zum Soundsystem Street Festival Zgorzelec

Von Reichardt am 28.07.2019 - 12:39Uhr
Unsere Familie lebt gern und zielgerichtet in der Hotherstraße – und die Leute vom Basta sind prima und machen einen tollen Job. Kurze Wege zum Untermarkt, nach Zgorzelec, "mitten drin im Altstadtfest" alles prima. Jahresfeier des Basta: kein Problem, wir geben auch gern den Strom für die Events auf der grünen Wiese an der Vierradenmühle.

Nur was am Freitag lief, war leider nicht mehr grenzwertig, das war schon recht heftig. Zwei Lautsprecheranlagen á vier mal vier Meter, voll aufgedreht, und, keine Übertreibung, die Haustür und Fenster vibrierten, die Bässe, ebenfalls keine Übertreibung, brachten die Holzfussböden zum "Schwingen". Wegen der Stadtmauer und dem Waidhaus verfingen sich die Schallwellen, was wohl einen Steigerungseffekt hatte. Nun zu sagen, dann "feiert einfach mit", ist - mit Verlaub - unreflektiert daher gesagt. Hätte ich viellecht dennoch gern (obwohl Reggae für mich nahezu die unanspruchloseste Musik ist), aber mit Hörschutz sieht man albern aus.

Es ist auch nicht sinnstiftend, Musik um der Lautstärke willen zu veranstalten; die Anlage war einfach überdimensioniert. Bei der etwaigen Neuauflage sollte das Ordnungsamt vorab die Veranstaltungssituation checken, entsprechende Dezibel-Auflagen machen und ggfs. während der Veranstaltung überprüfen, so wird das in anderen Städten bei Innenstatdtevents organisiert. Eine Ankündigung zwei bis drei Monate eher wäre auch wünschenswert, dann können Anwohner planen, nehmen sie es hin oder fahren sie übers Wochenende weg. Dann klappt es auch mit den Nachbarn.

Hinweis: Ich habe die Polizei nicht angerufen. Ich wäre gegen 21.30 Uhr zum DJ gegangen, hätte mir die Genehmigung zeigen lassen (Dezibel-Begrenzung) und hätte ihn um Herunterfahren der Lautstärke gebeten. Da schien aber bereits jemand den Weg über die Polizei beschritten haben.

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  • Quelle: TEB | Fotos: Matthias Wehnert, Foto Maske: vojta_kucer / Vojtěch KučeraPixabay, Lizenz CC0 Public Domain, Fotomontage: Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 28.07.2019 - 09:42Uhr | Zuletzt geändert am 08.05.2020 - 15:19Uhr
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