Brandenburger Freiheitspreis an Zuchthauskäufer

Brandenburger Freiheitspreis an ZuchthauskäuferBrandenburg | Cottbus (Chóśebuz), 24. Oktober 2016. Am 11. Oktober 2016 wurde im Dom zu Brandenburg erstmals der "Brandenburger Freiheitpreis" verliehen. Ausgelobt hatte ihn das Domstift im Vorjahr zum 850-jährigen Dom-Jubiläum. Schirmherr des Brandenburger Freiheitspreises ist Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), erster Preisträger der Menschenrechtszentrum Cottbus e.V., über den der Görlitzer Anzeiger immer wieder berichtet hatte.

Abb.: Installation des in Cottbus inhaftierten politischen Gefangenen Jörg Beier, Schwarzenberg, in der Begleitausstellung zur Verleihung des Brandenburger Freiheitspreises
Fotos: © Görlitzer Anzeiger / BeierMedia.de
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Vorwärts und das SED-Unrecht nicht vergessen!

Vorwärts und das SED-Unrecht nicht vergessen!
Menschenrechtszentrums-Geschäftsführerin Sylvia Wähling überreicht die Dokumentation "Wir wollten doch nur anders leben" an Bundesaußenminister Steinmeier, zugleich Schirmherr des Brandenburger Freiheitspreises
Fotos: © Görlitzer Anzeiger / BeierMedia.de

Thema: Menschenrechte

Menschenrechte

Menschenrechte sind weltweit Thema. Die Erinnerung an die "sozialistische Rechtsprechung" und das SED-Unrecht sowie die vorangegangene Nazi-Diktatur mahnen, auch in Deutschland Menschenrechte und Demokratie nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern immer wieder dafür einzutreten.

Der Menschenrechtzentrum Cottbus e.V. war im Jahr 2007 von ehemaligen Häftlingen des Zuchthauses Cottbus gegründet worden. Hier hatte der SED-Staat wie zuvor schon das Naziregime zum allergrößten Teil politische Häftlinge eingelocht: In der "DDR" vor allem wegen "staatsfeindlicher Hetze", "versuchter Republikflucht" oder wegen Fluchthilfe – Straftatbestände, die es in dieser Form und Auslegung in der freiheitlichen Bundesrepublik gar nicht mehr gibt. Weltweit wohl einmalig ist, dass die ehemaligen Häftlinge über den Verein im Jahr 2011 das Gefängnis, das zunächst in der Bundesrepublik weitergenutzt wurde und dann leer stand, kauften und seit 2012 als Gedenkstätte besonderer Art unterhalten.

Gedenkstätte besonderer Art deshalb, weil hier neben der Dokumentation der Gefangenenschicksale im Unrechtsstaat "DDR" und der Zustände im Zuchthaus vor allem zukunftszugewandt gearbeitet wird. In vielfältigen Projekten versucht der Verein am authentischen Ort , ganz besonders den jungen Leuten zu vermitteln, welcher Bedeutung Freiheit, Demokratie und eine rechtsstaatliche Ordnung haben. Zugleich ist das Menschenrechtszentrum ein Ort der Versöhnung, denn auch einzelne der ehemaligen Wärter – damals "Erzieher" genannt – arbeiten hier mit.

Dass der mit 25.000 Euro dotierte Brandenburger Freiheitspreis an das Menschenrechtszentrum Cottbus ging, würdigt nicht allein das Engagement des Vereins um den Vorsitzenden Dieter Dombrowski, der in Cottbus wegen versuchter Republikflucht saß und heute für die CDU im Brandenburger Landtag sitzt, und Sylvia Wähling, die Geschäftsführerin und Leiterin der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus ist, denn Altbischof Wolfgang Huber, Domdechant des Aufsichtsgremiums des Domstifts und Jurychef des Brandenburger Freiheitspreises lobte, wie das Menschenrechtszentrum Cottbus das ehemalige Zuchthaus mit dem Engagement für politische Bildung und Menschenrechte verbindet. Verwendet werden soll das Preisgeld für Personalkosten; der Verein müsse, so Dombrowski jährlich rund 140.000 Euro selbst aufbringen.

Der Brandenburger Freiheitspreis soll alle zwei Jahre vergeben werden und Menschen oder Einrichtungen hervorheben, die in Kultur, Wirtschaft, Politik oder Religion zur Verwirklichung des Freiheitsgedankens beitragen. Finanziert wird der Preis von der Deutschen Bank und ZF Friedrichshafen.

Ausstellung von Jörg Beier und Gino Kuhnt

Am Tag der Preisverleihung begannt zugleich eine Ausstellung des Schwarzenberger Holzgestalters Jörg Beier und des Berliner Malers Gino Kuhnt, beide selbst ehemalige politische Insassen von Cottbus – Beier nach einer zusammengezimmerten Verurteilung wegen "staatsfeindlicher Hetze", nachdem sich der Verhaftungsgrund "Verdacht auf Vorbereitung der Republikflucht“ nicht bestätigen ließ, Kuhnt wegen Fluchthilfe.

Beiers Holzinstallationen, darunter die bekannt gewordenen Engel, werden ergänzt durch beklemmende Zitate von Borchert, Biermann und Kafka. Kuhnt reflektiert seine Hafterfahrungen in teils großformatigen Gemälden.

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Die Ausstellung ist noch bis zum 28. Oktober 2016 im Dom zu Brandenburg zu sehen.

Neue Dauerausstellung im Menschenrechtszentrum Cottbus: "Hilferufe aus Riesa"

Die neue Dauerausstellung zeigt seit September, wie 79 ausreisewillige DDR-Bürger auf ihr Recht auf Freizügigkeit pochten und von der Stasi mundtot gemacht wurden. Drei von ihnen landeten schließlich im Zuchthaus Cottbus.

Die fast vergessene "Riesaer Petition zur vollen Erlangung der Menschenrechte" ist der größte Zusammenschluss von Gegnern des SED-Regimes zwischen dem 17. Juni 1953 und der friedlichen Novemberrevolution 1989. Im Juli 1976 hatten 79 "DDR"-Bürger aus Riesa und Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz) die Petition unterschrieben und damit ein europaweites Medienecho über die Menschenrechtsverletzungen in der "DDR" ausgelöst. Dabei nahmen sie Bezug auf die Schlussakte der Helsinkier Konferenz für Frieden und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), in der sich die Staatsführung in der Sowjetischen Besatzungszone im Jahr 1975 zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hatte.

Von Beginn an versuchte der SED-Staat den Initiator Dr. Karl-Heinz Nitschke zu kriminalisieren; seine Kontakte zu westlichen Journalisten wurden ihm später als Spionage ausgelegt. Während der Ermittlungen versuchte der Staatssicherheitsdienst (Stasi), die meisten der Unterzeichner zu isolieren. Sie wurden eingeschüchtert, unter Hausarrest gestellt, beobachtet, offensiv verfolgt. Manche verloren ihren Arbeitsplatz. Vor Nitschkes Haus in der Schweriner Straße stand zeitweise ein NVA-Lkw, aus dem heraus die Stasi jeden fotografierte, der das Wohnhaus betrat oder verließ. Mindestens zehn der Unterzeichner wurden verhaftet und zu langen Haftstrafen verurteilt. Einige wenige gaben unter dem Druck auf, viele aber blieben standhaft und erreichten nach jahrelangem Martyrium ihre Ausreise in die Bundesrepublik.

"Hilferufe aus Riesa" erzählt zum ersten Mal ausführlich die Geschichte der Menschen, die hinter der Riesaer Petition standen, und würdigt ihren Mut. Herausgeber der Ausstellung ist die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) aus Frankfurt am Main, die seinerzeit die Unterzeichner unterstützte und die Petition im Westen bekannt gemacht hatte. Die Ausstellung ist zum größten Teil mit finanzieller Unterstützung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur erstellt worden.

Die Ausstellung existiert auch als Wanderausstellung und kann bei Interesse beim Menschenrechtszentrum Cottbus von Einrichtungen aus dem ganzen Bundesgebiet angefordert werden.

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Bautzener Straße 140, 03050 Cottbus.

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  • Quelle: TEB | Fotos: © Görlitzer Anzeiger / BeierMedia.de
  • Erstellt am 24.10.2016 - 08:36Uhr | Zuletzt geändert am 03.12.2021 - 17:05Uhr
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