Keine Ende um Prof. Stöcker

Görlitz, 11. März 2015. Von Thomas Beier. Es gibt Themen, da gibt es nur Fettnäpfe, wenn man vom "politisch korrekten" Weg abweicht, so beispielsweise die Asylpolitik. Politiker kennen das: Wegen großer Widersprüchlichkeiten auf diesem Gebiet und einiger unbequemer Wahrheiten flüchten sie sich in Grundsatzerklärungen, wo von vielen Bürgern "klare Linie" erwartet wird. Klare Ansage machen wollte auch Prof. Winfried Stöcker (ein Mann, dem man schlicht-dumpfes Denken nun weißgott nicht unterstellen kann), als in Görlitz in seinen Räumen ein Benefizkonzert für Asylbewerber stattfinden sollte und er das untersagte. Seine drastischen Worte liefen letztendlich darauf hinaus, keine extra Anreize für eine Flucht nach Deutschland zu setzen und lieber für Verbesserungen in den Herkunftsländern zu sorgen. Die Journalisten der Lokalausgabe einer Tageszeitung, die das Interview abdruckte, hatten Stöcker offenbar nicht darauf hingewiesen, wie seine knappen Aussagen "rüberkommen" würden. Anstelle das zu Durchschauen, setzten eigentlich doch mehr oder minder kluge Leute auf political correctness und gingen auf Distanz zu Stöcker. Im Fall der Universität zu Lübeck hat das jetzt dazu geführt, dass Stöcker der Alma Mater keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung stellt, so lange der aktuelle Präsident im Amt ist.

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Die Pressemitteilung im Wortlaut: EUROIMMUN AG stellt Unterstützung an die Universität zu Lübeck ein

Die Asylpolitik ist zurzeit ein vieldiskutiertes Thema, das unsere Gesellschaft in zwei Lager aufspaltet. Im Dezember 2014 wollte die Verwaltung der Stadt Görlitz in meinem Görlitzer Kaufhaus ein Benefizkonzert für Asylbewerber abhalten. Weil die meisten der Gäste aus Ländern kamen, die offiziell als sicher eingestuft werden, habe ich das Konzert unterbunden. Daraufhin wurde ich zu einer Stellungnahme in der Zeitung aufgefordert. Im Interview wollte ich die Bedenken der schweigenden Mehrheit über die aktuelle Asylpolitik zum Ausdruck bringen und Anstoß geben für eine sachliche Diskussion, und damit als Staatsbürger und Privatperson meiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden.

Meine Äußerungen sind leider etwas knapp und provokant geraten, sie wurden daher missverstanden. Die Presse in Görlitz und in Lübeck hat die Formulierungen noch etwas verdreht und sie als Sensation aufgebauscht. Viele haben aber erkannt, dass hinter jeder Aussage des Interviews ein begründeter und konstruktiver Kerngedanke steckt, und keine herzlose Fremdenfeindlichkeit und kein Rassismus. In ernsthaften und ausführlichen Zuschriften haben sie mir für meinen Mut gedankt und bekundet, ich hätte ihnen „aus dem Herzen gesprochen“.

Unmittelbar nach dem missglückten Interview sah sich der neue Präsident der Lübecker Universität, Prof. Hendrik Lehnert, zu folgender Mitteilung veranlasst: „Toleranz, Weltoffenheit und ein klares Bekenntnis zu multikulturellem Denken und Handeln sind unveräußerliche Werte unserer Campus-Kultur. Von dem Gedankengut, das Prof. Dr. Winfried Stöcker in seinem Interview mit der Sächsischen Zeitung geäußert hat, distanzieren wir uns daher auf das Nachdrücklichste.“

Das war nicht fair. Der Präsident hätte sich erst einmal über die Hintergründe dieses entstellten Interviews informieren sollen. Er kennt die Firma EUROIMMUN in ihrer ganzen Breite, und ihm kann nicht entgangen sein, dass gerade dieses Unternehmen und sein Vorstandsvorsitzender an Toleranz und Weltoffenheit nicht zu überbieten sind. Bei uns gehen Wissenschaftler der ganzen Welt ein und aus. Ich achte jeden Menschen ohne Ansehen seiner Herkunft oder seines Geschlechts. Ich sorge für Gerechtigkeit und würdige Arbeitsbedingungen. Wer immer die von mir gegründete und geleitete Firma besucht, gleich an welchem Standort in der Welt, lobt die freundliche und familiäre, nicht diskriminierende Atmosphäre. Hinsichtlich Frauenfreundlichkeit hat man uns gerade auf Platz 7 von 620.463 Bewertungen deutscher Unternehmen gesetzt (siehe Internet: „kununu“).

Und ich lasse mir von keinem Präsidenten, Journalisten oder Politiker vorschreiben, was ich zu denken und zu sagen hätte. Es steht unserer Gesellschaft nicht gut zu Gesicht, dass manche Musterdemokraten ihr Weltbild den Andersdenkenden aufzwingen wollen und sie als sittlich unterlegen brandmarken und diskriminieren.

Vor lauter Angst, dass seine Universität einen kleinen Kratzer abbekommen könnte, lässt er einen hochverdienten Wissenschaftler und internationalen Unternehmer, der so viel für die Lübecker Universität getan hat, wie kaum ein anderer, als es ihrer Universitätsmedizin an den Kragen gehen sollte, wie eine heiße Kartoffel fallen.

Noch zwei Monate später hat Prof. Lehnert seine Studenten belehrt (zitiert am 21.02.2015 in den Lübecker Nachrichten), er sei dankbar über den Vorfall mit dem Stöcker-Interview in Görlitz, „weil wir daran klarmachen können, was wir sind und wofür wir stehen, für Weltoffenheit und Toleranz“. Unterricht in Pharisäertum – sich an Nichtigkeiten stören (der hat „Neger“ gesagt! – was von mir nicht diskriminierend gemeint war) und den Zusammenhang nicht sehen wollen oder können. Vergessen hat er noch das christliche „Gedankengut“, wie Nachsicht und Vergebung. Herr Professor Lehnert: Für das alles stehe ich schon lange, mit ganzem Herzen und mit meinen Taten, darüber hinaus auch für Rücksichtnahme, Großzügigkeit, Vernunft, Weitsicht, und vor allem für Demokratie und Respekt vor der Meinung des anderen. Aber nicht für Hetzkampagnen gegen unabhängige Geister.

Anlässlich einer Feier Anfang Januar 2015, bei der die Lübecker Universität zu einer Stiftung umfirmiert wurde, betonte ein studentisches Senatsmitglied, „schließlich kann Geld auch stinken“, mögliche Zuwendungen von EUROIMMUN-Chef Winfried Stöcker sollten konsequent abgelehnt werden. „Seine rassistischen Entgleisungen in einem Zeitungsinterview sind durch nichts zu entschuldigen“. So war es in den „Lübecker Nachrichten“ zu lesen. Die beste Gelegenheit, dem Boss eines erfolgreichen Unternehmens seine Grenzen aufzuzeigen. Aber auch ein Affront gegen meine 2.000
fleißigen und kreativen Mitarbeiter, von denen die bereitgestellten Mittel (von fast einer Million Euro pro Jahr) auf ehrliche Weise erarbeitet wurden.

Von einem Widerspruch seitens des Präsidenten der Universität gegen solche ungezogenen Äußerungen war nichts zu lesen. Man muss also davon ausgehen, dass er diese Auffassung teilt, oder er fürchtet sich vor den Studenten. Und jetzt kommt eine klare Ansage: EUROIMMUN wird der Universität freiwillig keine Mittel mehr zur Verfügung stellen, solange dieser Präsident im Amt ist. Er hat geschafft, was vor fünf Jahren der Landesregierung nicht gelungen ist: Dass sich Lübecks international führendes Biotechnologie-Unternehmen EUROIMMUN einen neuen Standort für seine Expansion suchen wird und mehrere äußerst erfolgreiche und beispielhafte Kooperationsprojekte abgebrochen werden müssen!

Lübeck, 9. März 2015

Prof. Dr. med. Winfried Stöcker
Vorsitzender des Vorstandes der EUROIMMUN AG

Kommentar:

Das muss man schon auseinander halten: Die Flüchtlings- und Asylbewerberproblematik als Ganzes und das Schicksal des Einzelnen - will sagen: Den einzelnen Flüchtling, dem es - vielleicht mit seiner Familie - gelungen ist, sich bis nach Deutschland durchzuschlagen, kann man nicht verantwortlich machen dafür, dass es auch Wohlstandsflüchtlinge gibt oder Kommunen mit der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert scheinen. Jeder einzelne Mensch, der uns begegnet, verdient Respekt und die nötige Unterstützung. Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Parallel jedoch muss diskutiert und nachgedacht werden, wie die Migration besser gesteuert werden kann, wozu auch die Vermeidung falscher Anreize gehört.

So, wie von Migranten erwartet wird, sich den Verhältnissen in Deutschland anzupassen, werden auch die Deutschen nicht umhin kommen, sich ein Stück weit der mitgebrachten Kultur zu öffnen. Multikulturell heißt doch nicht, dass die unterschiedlichsten Kulturen voneinander abgegrenzt parallel existieren, sondern dass sie Gemeinsamkeiten suchen, sich entwickeln und Toleranz üben.

Zu den vielen Fehlern, die der Bundespolitik anzulasten sind, gehört es, dass das Entstehen "bildungsferner Schichten", die sich inzwischen selbst reproduzieren, zugelassen wurde. "Bildungsfern" bezieht sich dabei nicht zwangsläufig auf formale Qualifikationen, sondern auf interkulturelle Kompetenzen. So kann der Ingenieur, der sich montagabends in der Masse wohlfühlt, eben was den Umgang mit anderen Kulturen betrifft ungebildet (oder von den Medien gebildet, was oft das Gleiche ist), unerfahren und verunsichert sein. Andererseits: Wer mit "Neger Nobi" von Ludwig Renn aufgewachsen ist, für den ist "Neger" nichts als ein Synonym für "farbig", keinesfalls diskriminierend - auch wenn er das Wort "Neger" in vorauseilender Selbstdisziplinierung vielleicht lieber meidet.

Der latente Rassismus in Deutschland zeigt sich nicht darin, ob man "Neger" sagt oder nicht, die deutsche Unkultur verdeutlicht die Geschichte einer guten Freundin etwas dunklerer Hautfarbe, sie schrieb neulich: "Ich lebe scheinbar immer am denkbar schlechtesten Ort... Paris, du fehlst mir von Tag zu Tag mehr... Es macht halt schon 'nen Unterschied, ob einem jemand "Quelle fille magnifique!" ("Was für ein schönes Mädchen!") oder "Eh, kauf Bananen aus deinem Land!" hinterherruft..."

Noch Fragen?

Ihr Thomas Beier


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22.12.2014: Ein Professor, die Flüchtlinge und ein Kaufhaus

Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Kein Ende um Prof. Stöcker

Von Uli Suckert am 17.03.2015 - 06:53Uhr
Langsam sollte man sich mit der Görlitzer SZ beschäftigen. Das ist keine Pressefreiheit, sondern Monopoldiktatur. Die Methode Faxinterview ist sowas von unautorisiert und unseriös, eben moderne Meinungsmache.

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  • Quelle: red | Thomas Beier
  • Erstellt am 11.03.2015 - 09:33Uhr | Zuletzt geändert am 18.03.2015 - 09:49Uhr
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