Ungewisse Förderung für Mehrgenerationenhäuser

Görlitz | Großhennersdorf | Rothenburg/O.L. „Die Bundesregierung hat dem Druck der SPD endlich nachgegeben und kündigt ein neues Programm für die Mehrgenerationenhäuser ab 2012 an. Viele Fragen bleiben ungeklärt: Wie viele und welche Träger in Zukunft weitergefördert und wie die Förderbedingungen ausgestaltet werden, sagt das zuständige Bundesfamilienministerium nicht“, teilt der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gunkel mit.

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Kleine Anfrage der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag soll Licht ins Dunkel bringen

Der Sozialdemokrat sorgt sich um die Zukunft des Mehrgenerationenhäuser im Landkreis Görlitz, die in Großhennersdorf, Görlitz und Rothenburg/O.L. stehen: „Das Familienministerium hat monatelang wertvolle Zeit verstreichen lassen. Nun drängt die Zeit, um eine nachhaltige Anschlussförderung auszuarbeiten. Die Träger müssen mit weiteren Monaten der Ungewissheit rechnen, bis ein neues Bundesprogramm ausgeschrieben wird. Sie werden sich neu bewerben müssen, da die Bundesförderung nicht automatisch verlängert wird."

Um mehr Licht ins Dunkel zu bringen, hat die SPD-Fraktion diese Woche eine Kleine Anfrage in den Deutschen Bundestag eingebracht. Mit der Antwort der Bundesregierung ist Anfang Februar zu rechnen.

„Das Ministerium darf sich in seinen Antworten um wichtige Details nicht länger herumdrücken. Die Frage nach einer Übergangsfinanzierung für Häuser, deren Förderung bereits 2011 endet, drängt.“
Wolfgang Gunkel setzt sich dafür ein, dass die erfolgreiche Arbeit der Mehrgenerationenhäuser fortgesetzt werden kann und keine Projektruinen entstehen.

Die schwarz-rote Koalition hatte im Jahr 2006 das Aktionsprogramm „Mehrgenerationenhäuser“ gestartet, um den sozialen Zusammenhalt der Generationen vor Ort zu stärken.


Der Entwurfstext der Kleinen Anfrage der SPD-Fraktion im Bundestag:

Weiterförderung der Mehrgenerationenhäuser


Die Aktivitäten in den Mehrgenerationenhäusern reichen von der Kinderbetreuung über regelmäßige Mittagstische für Seniorinnen und Senioren, Familienbildung, haushaltsnahe Dienstleistungen, Weiterbildungsangebote, Freizeitaktivitäten bis hin zu Beratungen bei Gesundheitsfragen. Das Angebot soll den Dialog zwischen mehreren Generationen fördern und berücksichtigt die unterschiedlichen Anforderungen vor Ort. Insbesondere in den neuen Ländern und im ländlichen Raum konnten somit neue Bausteine der sozialen Infrastruktur geschaffen werden. Inzwischen werden etwa 500 Mehrgenerationenhäuser in ganz Deutsch-land aus Bundesmitteln und Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.

Ziel des von der Bundesregierung geschaffenen Förderprogramms war es, verlässliche und auch nach Beendigung der Bundesförderung bestandsfähige Strukturen zu schaffen. Jedes Mehrgenerationenhaus wird fünf Jahre lang mit jährlich 40.000 Euro gefördert. Darüber hinaus notwendige Mittel tragen Länder, Kommunen, aber auch Vereinen und (Bürger-)Stiftungen.
Ab Herbst 2011 läuft sukzessive die Bundesförderung aus. Für viele Städte, Gemeinden und Landkreise bedeutet dies eine große Herausforderung: die Mehrgenerationenhäuser haben sich bewährt und sind beliebt, aber die weitere Finanzierung ist von finanzschwachen Kommunen nicht zu leisten. Es droht die Zerstörung von generationsübergreifenden Strukturen, die mit viel Engagement und gesellschaftlicher Verantwortung aufgebaut wurden.

Werden finanzschwache Städte, Gemeinden und Landkreise nicht mit den notwendigen Haushaltsmitteln ausgestattet, kann dies zu einem Bruch in der Gesellschaft führen. Diese Gefahr besteht in vielen Kommunen. Die massiven Streichungen im Bundeshaushalt 2011, z.B. im Bereich Städtebauförderung - Programm Soziale Stadt - wird prekäre Situationen vor Ort zusätzlich verschärfen. Um so wichtiger ist es, die wertvolle Arbeit der Mehrgenerati-onenhäuser vor Ort weiter zu unterstützen und keine „Projektruinen“ entstehen zu lassen.

Die Bundesregierung hat im Dezember 2010 angekündigt, ein Anschluss-Programm ab 1. Januar 2012 mit einer Laufzeit von drei Jahren zu starten. Hierzu ergeben sich noch zahlreiche Fragen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann endet die Förderung der derzeit bestehenden Mehrgenerationenhäuser durch Bundes- bzw. ESF-Mittel? (bitte aufschlüsseln nach Name des Hauses bzw. des Trägers, Postleitzahl/Kommune sowie Art der Förderung und Monat/Jahr des Auslaufens der Förderung)

2. Wie bewertet die Bundesregierung den bisherigen Erfolg der Förderung von Mehrgenera-tionenhäusern durch den Bund?

3. Wie viele ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter/innen sind schätzungsweise in den Mehr-generationenhäusern aktiv? (bitte aufschlüsseln nach Ländern, haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen)

4. Wie viele und welche der geförderten Mehrgenerationenhäuser (aufgeschlüsselt nach Bundesländern) wurden in bereits bestehenden Sozialeinrichtungen errichtet und wie viele Mehrgenerationenhäuser sind seit 2006 neu entstanden?

5. Bei wie vielen und welchen Mehrgenerationenhaus-Projekten wurde während der Lauf-zeit der Förderung durch den Bund ein Trägerwechsel vollzogen? (bitte Namen des Hauses bzw. Trägers sowie entsprechende Postleitzahl/Kommune nennen)

6. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung zu welchem Zeitpunkt unternommen, um die Pläne zur Weiterfinanzierung der Mehrgenerationenhäuser mit Vertreterinnen und Vertretern von Ländern, Kommunen und Trägern zu erörtern und abzustimmen?

7. Bei wie vielen und welchen Mehrgenerationenhäusern ist bereits eine über den aktuell laufenden fünfjährigen Zeitraum hinaus gehende Finanzierung gesichert? (bitte aufschlüsseln nach Name des Hauses bzw. des Trägers, Postleitzahl/Kommune sowie Jahr des Auslaufens der Förderung)

8. Welche Finanzierungsmodelle sind der Bundesregierung bekannt, mit denen Mehrgenerationenhäuser ohne Beteiligung des Bundes über den Zeitraum von fünf Jahren hinaus bestehen können?

9. Bei wie vielen und welchen Mehrgenerationenhaus-Projekten steht eine Schließung infolge des Auslaufens der Förderung des Bundes bevor bzw. ist ein Weiterbetrieb nicht gesichert? (bitte aufschlüsseln nach Name des Hauses bzw. des Trägers und Postleit-zahl/Kommune)

10. Welche besonderen Probleme sieht die Bundesregierung für Mehrgenerationenhäuser in strukturschwachen bzw. finanzschwachen Kommunen und inwieweit setzt sich die Bundesregierung dort besonders für eine Anschlussförderung ein?

11. Welche speziellen Hilfen für Mehrgenerationenhaus-Projekte in struktur- und finanz-schwachen Kommunen prüft die Bundesregierung bzw. führt sie durch?

12. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, die Mehrgenerationenhäuser dauerhaft - auch außerhalb einer öffentlichen Förderung - zu sichern?

13. In welcher gesellschaftspolitischen Verantwortung sieht sich die Bundesregierung, dass auch ggf. nach Beendigung einer Bundesförderung wichtige bestandsfähige Strukturen in den Mehrgenerationenhäusern erhalten bleiben?

14. Welche Ergebnisse hat die vom Bundesfamilienministerium eingerichtete Arbeitsgruppe zur Frage der Weiterfinanzierung von Mehrgenerationenhäusern erzielt und mit welchen Partnern werden bzw. wurden diese Ergebnisse diskutiert?

15. Wer war bzw. ist an dieser Arbeitsgruppe beteiligt? (bitte Funktionen bzw. Institutionen aufzählen)

16. Besteht seitens des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Bereitschaft, unter Einbindung anderer Bundesministerien weiterhin eine Finanzierung oder Teilfinanzierung der Mehrgenerationenhäuser sicherzustellen? Wenn ja, inwiefern?

17. Welche Initiativen ergreift die Bundesregierung, um für die weitere Förderung der Mehrgenerationenhäuser eine Förderung aus EU-Mitteln zu erzielen und bis wann rechnet sie mit konkreten Ergebnissen?

18. In welcher Höhe hat der Bund (aufgeschlüsselt nach Jahren) Begleitkosten für das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser getragen (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; Serviceagentur; Wirkungs- und Begleitforschung)?

19. Stehen im Bundeshaushalt 2011 für die unter Frage 18 erfragten Kosten noch finanzielle Mittel zur Verfügung? Wenn ja, in welcher Höhe und wofür sollen diese Mittel eingesetzt werden?

20. Was meint die Bundesregierung konkret mit ihrer Aussage in der Pressemitteilung vom 9.12.2010, dass „die Kommunen eine stärkere Rolle als bisher übernehmen sollen, „auch in Form einer Beteiligung an der Finanzierung“?

21. Wie wird sich die Bundesregierung zu einer Übergangsfinanzierung für diejenigen 157 Mehrgenerationenhäuser, deren Förderung ab Herbst 2011 ausläuft, bis zum 01.01.2012 verhalten und inwieweit ist mit einer Unterstützung seitens der Bundesregierung zu rechnen?

22. Wie soll die Implementation von bis zu zwei Freiwilligendienstplätzen in den Mehrgenerationenhäusern aus Sicht der Bundesregierung gestaltet werden?

23. Welche gesetzlichen Maßnahmen prüft die Bundesregierung, um den Einsatz von Bundesfreiwilligendienstleistenden arbeitsmarktneutral auszugestalten bzw. den Ersatz professioneller Arbeitskräfte durch Freiwilligendienstler zu verhindern?

24. Inwiefern plant die Bundesregierung, die bessere Versorgung Demenzkranker und ihrer Angehörigen, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, in den Mehrgenerationenhäusern umzusetzen und welche Funktion sollen dabei die Freiwilligen haben?

25. Inwieweit plant die Bundesregierung eine gesonderte finanzielle Förderung der Betreuung von demenziell erkrankten Menschen und ihrer Angehörigen?

26. Welche Voraussetzungen müssen die Mehrgenerationenhäuser aus Sicht der Bundesregierung konkret erfüllen, um einen Pflegestützpunkt einzurichten?

27. Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, Gespräche zu führen bzw. führt sie bezüglich der Unterbringung von Pflegestützpunkten in Mehrgenerationenhäusern? Falls ja, wer ist an diesen Gesprächen beteiligt?

28. Inwieweit wurden die Freiwilligenagenturen bzw. der Bundesverband der Freiwilligenagenturen in die Überlegung zur Weiterführung des Programms Mehrgenerationenhäuser mit einbezogen, insbesondere hinsichtlich der neuen Schwerpunktsetzung des zukünftigen Programms?

29. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung von der Einbettung des geplanten Bundesfreiwilligendienstes in das neue Programm für Mehrgenerationenhäuser?

30. Welche Zielgruppe soll zukünftig als Bundesfreiwilligendienstleistende in den Mehrgenerationenhäusern eingesetzt werden?

31. Welche Voraussetzungen sollen nach Ansicht der Bundesregierung die Mehrgenerationenhäuser erfüllen, um sich als Einsatzstelle für den Bundesfreiwilligendienst zu empfehlen?

32. Wie will die Bundesregierung eine inhaltliche Überfrachtung der Mehrgenerationenhäuser durch die vier neu gesetzten Schwerpunkte, die jeweils unter dem Dach eines Hauses bestehen sollen, vermeiden?

33. Wie sehen die konkreten Förderkriterien für das neue Programm aus und ab und bis wann können sich Antragsteller um eine Förderung bewerben?

34. Inwieweit erhöhen sich die Chancen eines Antragstellers auf Förderung, je mehr Schwerpunkte unter einem Dach bedient werden?

35. Inwieweit ist eine Abstimmung des neuen Programms mit Ländern, Kommunen und Trägern geplant und welche Möglichkeiten haben diese Beteiligten, Veränderungen an dem Programmentwurf vorzunehmen?

Berlin, den ... Januar 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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  • Quelle: red
  • Erstellt am 22.01.2011 - 11:36Uhr | Zuletzt geändert am 22.01.2011 - 11:48Uhr
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