Oberbürgermeister widerspricht Verschleuderung städtischen Eigentums

Görlitz-Zgorzelec. Der Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick hat dem Beschluss-Nr. 146/09-14 des Stadtrates der Großen Kreisstadt Görlitz vom 25. Februar 2010 widersprochen und wendet sich damit gegen den Auftrag zu Verhandlungen mit dem Landkreis Görlitz über einen sogenannten Finanzausgleich.

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Außerordentliche Stadtratssitzung zu verfahrenener Kiste

In der Tat steht ein umfassendes und komplexes Verhandlungspaket zur Debatte. Im Einzelnen geht es um die Übergabe der Theateranteile der Stadt Görlitz an den Landkreis Görlitz, die Neuordnung des jährlichen Nahverkehrszuschusses des Landkreises Görlitz an die Stadt Görlitz, die Teilübernahme von Altschulden der Stadt Görlitz, die Übergabe der Trägerschaft der Gymnasien, die Beteiligung des Landkreises Görlitz an der Stadthalle Görlitz, die Neuordnung der Anteile an der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien, die Bildung einer Klinikum-Holding sowie der Übergang bzw. die finanzielle Beteiligung des Landkreis an der unteren Denkmalbehörde und des Bauaufsichtsamtes Görlitz.

Nach dem mehrheitlichen Willen des Stadtrates soll zunächst eine Arbeitsgruppe aus fünf vom Verwaltungsausschuss gewählten Vertretern gebildet werden. Die Verhandlungen sollen dann bis Mitte März 2010 aufgenommen werden. Zudem soll der Oberbürgermeister den Verwaltungsausschuss in jeder Sitzung umfassend über den Verhandlungsstand informieren.

Triftige Gründe sprechen gegen das Ansinnen der Stadtratsmehrheit


Nach Auffassung des Oberbürgermeisters ist der genannte Beschluss des Stadtrates materiell rechtswidrig. Dafür führt er gleich mehrere Gründe an: So fehlt von vornherein für eine solche Verhandlung mit dem Landkreis Görlitz die gesetzliche Grundlage. Bereits das Sächsische Finanzausgleichsgesetz (FAG) regelt den Finanzausgleich zwischen den Kommunen des Freistaates über die Verteilung der Finanzausgleichsmasse. Lediglich zur Wahrnehmung überregionaler oder überörtlicher Aufgaben soll zwischen den beteiligten Kommunen nach § 25 SächsFAG ein direkter Lastenausgleich auf Basis freiwilliger Vereinbarungen erfolgen, soweit notwendig und geboten.

Wenn die Stadt Görlitz überörtliche oder überregionale Aufgaben ohne zusätzliche finanzielle Ausstattung wahrnimmt, ist ein Lastenausgleich notwendig, den die Stadt gegenüber dem Landkreis geltend machen kann. Ein kommunaler Lastenausgleich kann sich jedoch immer nur auf die Zahlung von Geld richten, nicht aber auf die Übergabe einer Aufgabenträgerschaft, so die Verwaltungsspitze.

Das Gesetz sehe nicht vor, dass die Leistung erbringende Gebietskörperschaft sich diesen Lastenausgleich durch freiwillige Abgabe von Vermögenswerten erkaufen muss. Dem stünde ohnehin das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 72 SächsGemO) entgegen.

Somit besteht auch kein Raum für das vom Stadtrat formulierte „Verhandlungspaket“, welches die Schenkung von Vermögenswerten oder die Abgabe von Aufgabenträgerschaften der Stadt an den Landkreis Görlitz vorsieht, teilt die Stadtverwaltung mit.

Vieles ist längst geregelt


Für die Rechtsfolgen aus dem Verlust der Kreisfreiheit gibt es klare Spielregeln, sie sind entweder Gegenstand einer Vereinbarung nach § 7 Abs. 1 SächsKrGebNG (Auseinandersetzungsvereinbarung) oder einer Entscheidung der Landesdirektion, soweit eine Vereinbarung nicht zustande kommt, nach § 7 Abs. 2 SächsKrGebNG.

Bereits geregelt sind:
· die Aufgabenträgerschaft ÖPNV nach § 3 Abs. 1 S. 3 SächsÖPNVG und damit der jährliche Zuschussanspruch der Stadt Görlitz,
· die Teilübernahme von Altschulden der Stadt Görlitz,
· die Trägerschaft der Gymnasien,
· die Trägerschaft der Sparkasse,
· die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Denkmalbehörde und der unteren Bauaufsichtsbehörde.

In der Auseinandersetzungsvereinbarung vom 3. April 2008 sind verbindlich geregelt:
· die Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV,
· die Trägerschaft der Gymnasien,
· die Trägerschaft der Sparkasse durch den Sparkassenzweckverband Sparkasse Oberlausitz Niederschlesien, dem auch die Stadt Görlitz angehört,
· die Wahrnehmung der Aufgaben der unteren Denkmalbehörde und der unteren Bauaufsichtsbehörde.

In den Händen der Landesdirektion Dresden liegen derzeit gemäß § 7 Abs. 2 SächsKrGebNGt:
· die Höhe des jährlichen Nahverkehrszuschusses des Landkreises,
· die Übernahme von Altschulden sowie Altfehlbeträgen der Stadt Görlitz.

Daraus zieht die Stadtverwaltung den Schluss, dass diese Angelegenheiten nicht Gegenstand eines „Finanzausgleiches“ nach § 25 SächsFAG sein können, weil sie bereits nach § 7 SächsKrGebNG geregelt sind oder noch geregelt werden.

Weitere Argumente

Der Verhandlungsauftrag an den Görlitzer Oberbürgermeister ist auch deshalb rechtswidrig, weil das Gesetz eine freiwillige Leistung zur Stärkung des Vermögens und der Finanzkraft des Landkreises neben der Kreisumlage nicht vorsieht. Und rechtswidrig ist der Beschluss auch deshalb, weil der Vollzug von Beschlüssen des Stadtrates nach § 52 Abs. 1 SächsGemO dem Oberbürgermeister obliegt. Insofern überschreitet der Stadtrat nach Meinung der Stadtverwaltung seine Kompetenzen, wenn er den an der Verhandlung zu beteiligenden Personenkreis festlegen will. Auch einzelne Gemeinderäte dürfen nicht mit dem Vollzug betraut werden. Sache des Stadtrates und seiner Ausschüsse ist die politische Willensbildung und die Überwachung ihres Vollzuges, nicht aber die unmittelbare oder mittelbare Teilnahme daran.

Mit dem Landkreis über eine Einbringung des städtischen Klinikums in eine Klinikum-Holding zum Zwecke eines interkommunalen Finanzausgleiches zu verhandeln, verstößt ebenfalls gegen geltendes Recht. Eine Veräußerung wäre zudem nur möglich, wenn dadurch die Aufgabenerfüllung nicht beeinträchtigt wird.

Fazit: Die nächste außerordentliche öffentliche Stadtratssitzung

Zur erneuten Befassung in dieser Angelegenheit hat der Oberbürgermeister die Stadträte zu einer außerordentlichen öffentlichen Stadtratssitzung für den 11. März 2010 um 19.00 Uhr eingeladen.


Kommentar:

Der Bauch sagt meist die Wahrheit, und mein Bauchgefühl sagt mir, dass es hier längst viel mehr um Machtspiele und Eitelkeiten geht als um sachliche Lösungen zur Interessenabwägung von Stadt und Landkreis. Indikator sind die von der Verwaltung als rechtswidrig benannten Stadtratsbeschlüsse, die auf tief sitzende Feindbilder schließen lassen.

Landkreis und Stadt könnten ihre Kräfte besser auf die Lösung der von den Bewohnern empfundenen Probleme konzentrieren als Zeit, Geld und Energie mit nicht zielführenden Diskussionen zu verschleudern.

Spielereien, Neckereien, Raufereien, Zänkereien und Handlungen ähnlicher Art sind zu unterlassen . . .

Ihr Fritz R. Stänker

Kommentare Lesermeinungen (2)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schwieriges Kasperle-Theater

Von Ko.bold am 10.03.2010 - 11:55Uhr
Man sollte als Stadtrat auch einen Rat geben können. Auf diesen Rat wartet der von Görlitzer Bürgern gewählte Oberbürgermeister aber bei fast jeder Sitzung der sogenannten Räte.Vielleicht leitet sich das Wort Rat ja bei unseren Stadträten von dem Wort "raten" ab. Soll also nun der Bürgermeister er-raten,was unsere Stadträte so im Schilde führen oder gibt es auch einmal offene ehrliche Gespräche, die dem Wohl der Stadt dienen sollten und nicht zur Selbstverherrlichung einzelner Personen führen?

In dieser Sondersitzung sollte außer einem mathematisch gut funktionierenden Oberbürgermeister auch ein Wirtschafts-Stratege beisitzen, um den Rat-losen Bürgern den Plan einer gut funktionierenden Stadt zu erläutern. Ist das dann am Ende der Sitzung wieder nicht gelungen, weil die Herren Räte dagegen stimmen, wäre eine neue Namensbezeichnung verschiedener Räte von Nöten. Ich hätte da einen Namensvorschlag, der da lauten könnte: - Schild-Bürgerrat f.G. -

An die Bürger denken

Von Hermann Schwiebert am 05.03.2010 - 18:15Uhr
@Fritz R. Stänker: Sie haben es mal wieder auf den Punkt gebracht. Das Ziel, gutes für die Stadt und für die Bürger zu tun, haben alle Parteien längst aus den Augen verloren. Es geht nur noch darum, sich gegenseitig lächerlich zu machen. Gekränkte Eitelkeiten, Kinder!

So bekommt man Verdrossenheit in Politik und Schreie nach einem "starken Mann" irgendwann wirklich frei Haus geliefert. Schade.

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  • Quelle: red
  • Erstellt am 04.03.2010 - 18:06Uhr | Zuletzt geändert am 04.03.2010 - 19:10Uhr
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