Ausflug im Görlitzer Land

Landkreis Görlitz, 5. August 2015. Von Thomas Beier. Gestern war ein großartiger Tag zum Biken durch die Oberlausitz, allerdings nicht etwa mühsam durch die Hitze strampelnd, sondern mit einem reichlichem Liter Hubraum unterm Hintern. So erst macht der Fahrtwind richtig Spaß! Unsere Absicht war, an touristischen Zielen im mittleren Teil des Landkreises Görlitz - dem Görlitzer Land, wo sich Neißeland, Zentrallausitz und Westlausitz in der niederschlesischen Oberlausitz die Hand geben - einen Eindruck zu gewinnen, die diese denn von den Ausflüglern und Urlaubern in der Ferienzeit angenommen werden.

Anzeige

Eine Rundfahrt durch ein Stück Niederschlesische Oberlausitz

Unsere rund 80 Kilometer lange Tour führte zunächst über Königshain, Arnsdorf, Heideberg und Döbschütz zum Schloss Krobnitz. Von 2002 bis 2005 saniert, beherbergt der Alterssitz des preußischen Kriegsministers und Generalfeldmarschalls Albrecht Theodor Emil Graf von Roon heute Ausstellungsräume; auch Hochzeit machen kann man hier.


Tipp: Die Terrasse auf Schloss Krobnitz ist ein einzigartiger Landschafts-Panorama-Balkon, der von hier zugängliche Turm ein lauschiges Plätzchen.

Neben der Daueraussstellung "Albrecht Graf von Roon – Wegbereiter des Kaiserreiches", die das Wissen über den Deutsch-französischen Krieg 1870/71 und die Reichsgründung auffrischt, werden aktuell die Sonderausstellungen "Gläserne Landschaft – Lausitzer Glas aus zwei Jahrhunderten" und "Otto von Bismarck – Ausstellung zum 200. Geburtstag" gezeigt. Für historisch Interessierte dürfte ein Diorama, das die Schlacht an der Katzbach nachstellt, eine Besonderheit sein.

Einziger Makel: Wir waren zur Stunde die einzigen Besucher im weiten Areal der gepflegten Anlage aus Schloss, alter Schmiede, Gut und Park. Erst kurz vor dem Ende der Öffnungszeit konnte der freundliche junge Mann vom Einlass drei weitere Besucher begrüßen.

Fazit: Ein tolles Ausflugsziel unweit der Königshainer Berge und der Autobahn A4 Anschlussstelle Nieder-Seifersdorf, doch an normalen Ferientagen offenbar wenig frequentiert. Wenn der Vergleich erlaubt ist - ja, er hinkt - mit dem Wasserschloss Klaffenbach bei Chemnitz, dann fehlen in Krobnitz Gastronomie, Handel und Events. Da gibt es noch reichlich Entwicklungspotenzial.

Nun denn, Schloss Krobnitz sei für einen Ausflug wärmstens empfohlen, wir aber fuhren weiter über Diehsa und Kollm nach Groß-Radisch auf den Monumentberg.

Hier, in exakt 93,4 Metern Höhe über Normalhöhennull sind ein erst 2001 fertiggestellter, 25 Meter hoher Aussichtsturm und die Baude Lausitzblick zu finden, dazu ein sehr gepflegter, einladender Spielplatz. Alles wirkt sehr sympathisch - doch außer uns ist kein Mensch da. Der Turm steht von 10 bis 18 Uhr offen, und den Lausitzblick, für den eine Spende von einem Euro pro Erwachsenem erbeten wird, lassen wir uns nicht entgehen. Die Perspektive ist ungewohnt: Zwischen den Königshainer Bergen und den Kämpferbergen die Landeskrone, doch auch nach Bautzen und weit ins Böhmische wie ins Polnische reicht der Blick.

Seinen Namen hat der Berg, der früher mal Nostitzberg hieß, von einem Denkmal, an dem sich Witwen ein Beispiel nehmen können, denn die Inschrift lautet: "Dies Denkmal einfach und prunklos wie Du Edler mit blühenden Fluren umgeben die Dir ihre Verbesserung danken errichtete Dir Deine treue Gattin Maximiliane Caroline Amalie verwittwete von Nostitz geb. Freyin von Werthern 1801" - das ist doch schön, oder?

Zurück in die Gegenwart: Die Lausitzblick-Baude mit ihren vielen - auch überdachten - Freisitzflächen macht einen wirklich netten Eindruck, hat aber grad zu, wie immer an den Mon- und Dienstagen. Geöffnet ist hingegen mittwochs von 13 bis 16 Uhr, donnerstags von 11 bis 16 Uhr, freitags von 12 bis ebenfalls 16 Uhr, an den Wochenenden von 10 bis 18 Uhr - oder nach Vereinbarung. Echt schade, so ein alkoholfreies Biker-Bier würde jetzt echt gut tun, auch zu einem Eisbecher bräuchte uns niemand zu überreden. Doch Fehlanzeige!


Weit geht der Blick vom Turm des Monumentbergs, hier über den Stausee Quitzdorf.

Da war doch ein Schild "Freizeitcamp Thräna" und eine 20 Jahre alte Erinnerung an einen urigen Imbiss- und Grill-Pavillon inmitten einer Wiese? Also einen Katzensprung weit den Berg hinab ins Freizeitcamp.


Wildpark, Ziegenpark, Bewirtung, Baden, Camping inmitten der Natur.

Ja, er steht noch - der Pavillon! Nur ist inzwischen der Wild- und Ziegenpark ringsherum gewachsen. Marlies Mitschke, die mit Ihrem Mann die Anlage aufgebaut hat und betreibt, bestätigt: "Ja, die Bäume, die jetzt hier stehen, haben wir vor zwanzig Jahren selbst gepflanzt!". Nahe der Autobahn A4, ziemlich genau zwischen den historischen Oberlausitzer Städten Bautzen und Görlitz, ist hier ein vorzüglicher ruhiger Campingplatz direkt am Wald mit 30 Stellplätzen, separater Zeltwiese und Mietunterkünften entstanden. Geheimtipp nennt man sowas.

Wer das Feriencamp auf einem Ausflug erkunden möchte, für den sind sicherlich die Öffnungszeiten der gemütlichen "Wiesenhütte" (die heute ziemlich zugewachsen ist) von Bedeutung: Von Mai bis September ist mittwochs und donnerstags Ruhetag, sonntags kann man ab 11.30 Uhr einreiten, sonst ab 18 Uhr. Im Oktober ist nur sonntags geöffnet: ab 11.30 Uhr.

Aber aufgepasst! Am Imbiss wird im Juli und August täglich ab 10 Uhr bedient, ansonsten gilt vom 1. Mai bis zum 18. Oktober 2015 an den Werktagen die Öffnungszeit vom 14 bis 18 Uhr, an Sonn- und Feiertagen ab 10 Uhr. Fazit: Wer natürliche Gastfreundlichkeit ohne antrainierte stereotype Verhaltensweisen erleben will, ist hier richtig. Einziges Manko: Jetzt, am frühen Abend, sind wir am Imbiss die einzigen Gäste. Zum Glück kamen dann aber gleich noch drei.

Als wir auch noch das Eis geschafft haben, lockt wieder die Landstraße (ein Lob an den Landkreis Görlitz: erstaunlich, wie viele frisch asphaltierte und hervorragend instandgesetzte Straßen wir erlebt haben, da macht das Cruisen richtig Spaß!).

Jetzt wollen wir quer durch die 307 Meter über Normalhöhennull Hohe Dubrau / Wysoka dubrawa! Die hat ihren Namen vom altsorbischen dubrava, dem Eichenwald.

Doch die Straße entlang des Wolfschluchtgrabens ist für Motorfahrzeuge gesperrt, wir umfahren die Hohe Dubrau östlich nach Kollm am Quitzdorfer Stausee, dem größten Stausee Sachsens und vielleicht flachsten der Welt.

Von hier geht es weiter in Richtung Niesky, wo wir aber die B 115 verlassen und über Jänkendorf, Ullersdorf und Wiesa nach Kodersdorf (im Bild) gelangen, von wo es über Liebstein und Ebersbach heimwärts geht.


Kommentar:

Wie passt das zusammen? Es ist höchste Ferienzeit - und die besuchten Ausflugsziele der Oberlausitz sind an einem Wochentag nahezu menschenleer?

Klar hat die Hitze einen Beitrag geleistet. Aber: Im Oberlausitz-Marketing gibt es enorme Reserven, die Unterstützung für die einzelnen Anbieter und Macher - wobei es gar nicht um Geld geht - wird als unzureichend empfunden.

Von ziemlich konkreten Problemen berichten die Tourismusunternehmer. Da würden, so wird geschildert, beispielsweise Ferienbungalows am Stausee Quitzdorf an Privatleute verkauft. Damit bleiben aber Urlauber weg, die Geld in die Region bringen - denn: Wenn der neue Eigentümer den Bungalow nur als Datsche nutzt, nicht mehr auf Entdeckungstour geht und seinen gesamten Bedarf im Supermarkt einkauft, ist der Standort für die Tourismuswirtschaft verloren.

Oder die Stadt Görlitz: Die Tourismusanbieter im Görlitzer Umland schicken ihre Gäste gern nach Görlitz, geben ihnen Informationen und Tipps für die alte Neißestadt. "Doch was tut Görlitz für die Tourismusanbieter im Umland?", so eine der Fragen. Tatsächlich wäre Görlitz gut beraten, seine Nabelschau zu beenden und sich als regionales touristisches Zentrum, nicht aber als regionale Insel der schön gewahrten Fassaden und großen Events, zu verstehen. Wer nur auf Alleinstellungsmerkmale setzt, steht eben alleine da.

"Was wissen denn die Leute woanders in Deutschland über die Oberlausitz? Die haben doch nur von Görlitz gehört und vielleicht noch vom Stasi-Knast in Bautzen", war zu hören. Wenn Marketing für die Region - sei es für den Landkreis oder für die Oberlausitz insgesamt - sich auf den Druck von Flyern (die dann womöglich in einem Keller verrotten) und Messeaufritte beschränkt, wenn "wunderschön" bis zum Erbrechen zitiert wird, dann wird es nicht funktionieren. Die Vernetzung der Gebiete und Anbieter, passgenaue zielgruppenspezifische Angebote sind, von wenigen privaten Initiaitiven abgesehen, noch immer stark ausbaufähig.

Der Landkreis Görlitz ist touristisches Entdeckungsgebiet und ein ideales Gebiet für Urlauber, die unterschiedlichste Landschaften, versteckte Besonderheiten (wie die napoleonischen Kanonenkugeln in Hauswänden in Markersdorf und Reichenbach/O.L.) und die historischen Städte erleben wollen. Wer die großen Landstraßen meidet, wird fündig - ob zu Fuß, auf zwei oder vier Rädern. Und ein Abstecher ins prächtige Görlitz, ins charmante Zittau oder quicklebendige Bautzen ist dann auch noch drin.

Dass sich im Tourismus im Landkreis Görlitz private Initiative regt und attraktive Angebote schafft, können auch Marketing-, Entwicklungs-, Kulturservice-, Wirtschaftsförderungsgesellschaften und all die anderen Geldverbrenner nicht verhindern,

glaubt Ihr Thomas Beier

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: Thomas Beier | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 04.08.2015 - 23:20Uhr | Zuletzt geändert am 05.08.2015 - 12:41Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige