Sorbischer Kulturabend in der Russischen Botschaft

Berlin | Landkreis Görlitz, 25. November 2013. Am 15. November 2013 fand in der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin ein bemerkenswerter “Sorbischer Kulturabend” statt. Das war gleichsam der Ausklang eines wichtigen grenzüberschreitenden Projektes des Sorbischen Künstlerbundes mit etlichen Partnern in Deutschland und der Russischen Föderation. Abbildung: Die in Bautzen / Budyšín geborene und heute in Cottbus / Chosebuz wirkende Dichterin Christiana Piniek las in Berlin eines ihrer Gedichte in niedersorbischer, deutscher und russischer Sprache. Foto: Sorbischer Künstlerbund.

Anzeige

Mittel für die Stiftung für das sorbische Volk nicht kürzen!

Von Alfons Wićaz-Lehmann. Sorbische Kultur soll künftig die Möglichkeit erhalten, dass sich ihre Akteure in der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin präsentieren können. Das sagte in einem Interview mit der sorbischen Tageszeitung "Serbske Nowiny“ der Botschafter der Russischen Föderation in der Bundesrepublik Deutschland Wladimir M. Grinin.

Die Slawen und damit auch die Sorben seien in Europa mit ihrer Kultur nicht genügend präsent. Das kann geändert werden, wenn die Zusammenarbeit unter den Partnern gestärkt wird. "Man muss die Präsentation der Kultur erhöhen, wohl auch schon deshalb, weil der Anteil der Slawen zur europäischen Gesamt-Bevölkerung etwa 40 Prozent beträgt“, sagte Wladimir Grinin unmittelbar nach dem Programm des am 15. November in der russischen Botschaft stattgefundenen sorbischen Kulturabends. Zu diesem Abend hat der Botschafter gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Sorbischen Künstlerbundes Benedikt Dyrlich und dem Direktor der Stiftung für das sorbische Volk Marko Suchy Vertreter der Sorben, Politiker, Diplomaten, Unternehmer, Künstler und Journalisten eingeladen.

Dieser Abend vor fast 300 Gästen aus Berlin und der Lausitz - darunter waren Bundestagsabgeordnete sowie sächsische und brandenburgische Landtagsabgeordnete - war gleichzeitig ein würdiger Abschluss der Ende Mai in Moskau stattgefundenen "Tage der sorbischen Literatur und Kultur“ innerhalb des Deutsch-Russischen Jahres 2013. Das Vorhaben des Sorbischen Künstlerbundes wurde durch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland und der Stiftung für das sorbische Volk unterstützt.

In der Veranstaltung in Berlin hob Botschafter Grinin in seinen Begrüßungsworten vor allem auch seine Wertschätzung gegenüber dem sorbischen Volk hervor, dem es "bei allen Schwierigkeiten und Verfolgungen vor allem unter den Nationalsozialisten gelang seine nationale Identität zu bewahren. Solch eine Stärke erweckt ehrlichen Respekt und Bewunderung“. Zum Beginn des Programmes sagte Künstlerbund-Vorsitzender Benedikt Dyrlich u.a., dass nicht nur die Brücken der Vergangenheit unsere Sprachen und Kulturen "über schmerzliche und grausame Niederungen der Geschichte hinweg tragen: Es sind vor allem auch die Impulse, der Modernität und einer grenzenlosen Offenheit, denen sich sorbische und deutsche sowie russische Literaten und Künstler verbunden fühlen“. Gleichzeitig verwies er darauf, dass das Volk der Sorben nicht nur frei und kreativ leben kann und will, "sondern auch einen offenen und anspruchsvollen kulturellen Austausch vor allem mit den östlichen und südlichen Nachbarn der Bundesrepublik Deutschland pflegt“. In diesem Sinne benötigt die sorbische Stiftung auch eine minimale beständige Erhöhung der finanziellen staatlichen Hilfe. Deshalb sei nicht hinzunehmen, dass der Etat im kommenden Jahr im Vergleich zum laufenden um eine Million Euro gekürzt werden soll.

Im sorbisch-deutsch-russischen Kulturprogramm wies der Publizist Alfons Lehmann-Wićaz in einen Kurzvortrag auf die literarischen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Sorben und Russen in Vergangenheit und Gegenwart hin. Diese Kontakte zwischen Sorben und Russen haben eine mehr als 200 Jahre währende Tradition.

Im Verlauf des Abend zeigten die Pianistin Oksana Weingardt-Schön, Bariton Gerald Schön, die Komponistin und Sängerin Marhata Korjenkowa, die sorbischen Poeten Benedikt Dyrlich, Beno Budar, Christiana Piniekowa, Tomasz Nawka und Übersetzer Měto Pernak sowie der russische Dichter Wjatscheslaw Kuprijanow, wie lebendig und kreativ sorbische und russische Schriftsteller und Künstler in der Gegenwart tätig sind und voneinander profitieren.

In seinen Dankesworten unterstrich der Direktor der sorbischen Stiftung Marko Suchy auch die Wichtigkeit der Zusammenarbeit der Sorben mit den Partnern in der Russischen Föderation. Ein Empfang nach dem Kulturprogramm diente dem Austausch, wobei weitere Kontakte zwischen Sorben, Deutschen und Russen geknüpft werden konnten. Der Sorbische Künstlerbund plant weitere sorbisch/deutsch-russische Projekte.

Einleitende Worte von Benedikt Dyrlich, Vorsitzender des Sorbischen Künstlerbundes, am 15. November 2013 anläßlich des sorbischen Kulturabends in der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin:


Česćeny knježe wulkopósłanco Grinino,

česćeni hosćo, česćeni sobuskutkowacy, serbscy, němsce, ruscy a dalši přećeljo našeho kulturneho wječorka a bjesady na historiskim městnje tu w Berlinje!

Sehr geehrter Herr Botschafter Grinin,

sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages und des Sächsichen Landtages Frau Maria Michalk, Herr Hahn und Herr Hirche, sehr geehrte Damen und Herren. Mit dem traditionellen Dudelsack hat sie Tomasz Nawka zu dem außergewöhnlichen Abend der sorbischen, deutschen und russischen Literatur und Kunst begrüßt. Auch ich grüße Sie mit einem herzlichen “Witajće k nam” - im Namen des Sorbischen Küntlerbundes, der vor wenigen Monaten mit etlichen Partnern der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation “Tage der sorbischen Literatur und Kunst” in Moskau organisiert und veranstaltet hat. Damit haben wir die sorbisch-russischen Literatur-, Kunst- und Wissenschaftsbeziehungen wiederbelebt. Einen Einblick, was wir in Moskau präsentiert habe, werden Sie sogleich erleben.

In dem Kurzprogramm treten namhafte sorbische und russische Dichter und Musiker auf, darunter die russsiche Pianistin aus Kasachstan Oksana Weingardt-Schön und ihr sorbischer Mann und Bariton Gerald - Schön. Beide werden klassische und neue Lieder zum Gehör bringen. Damit werden sie zugleich die Lesungen jeweils eines Gedichtes aus der Feder der sorbischen Dichter Christiana Piniekowa, Benno Budar, Tomasz Nawka und mir umrahmen - zudem und nicht zuletzt die Nachdichtungen von dem Übersetzer der Werke Puschkins in die niedersorbische Sprache Měto Pernak sowie ein eigenes Gedicht und die Nachdichtungen unseres Schriftstellerkollegen und Freundes aus Moskau Wjatscheslaw Kuprijanow.

Meine Damen und Herren,

wie Sie in einem Vortrag des Publizisten Alfons Wićaz-Lehmann, zu dem Sie die Komponistin Marhata Korjeńkowa sogleich mit einem eigenen Lied einstimmen wird, hören werden, sind die sorbisch-russischen Kultur- und Wisssenschaftsbeziehungen mehr als zwei Jahrhunderte alt. Neben Puschkin prägten viele russische Literaten, Künstler und Forscher mittelbar oder unmittelbar die beiden sorbischen Hochsprachen mit, wirkten neben den deutschen, vor allem auch slawische Einfüsse auf die klassische Literatur und Kultur eines der kleinsten Völker und Volksgruppen in Europa, welches heute auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland - hauptsächlich in Brandenburg und Sachsen - lebt.

Gestatten Sie, dass ich in diesem Zusammenhang auch meine Freude zum Ausdruck bringe, dass unter uns der sächsische Staatssekräter Herr Weimann im Auftrag unseres Ministerpräsidenten Herrn Tillich weilt, der ja selbt ein Sorbe ist.

Meine Damen und Herren,

nicht nur die Brücken der Vergangenheit tragen unsere Sprachen und Kulturen über auch schmerzliche und grausame Niederungen der Geschichte hinweg: Es sind vor allem auch die Impulse der Gegenwart, der Modernität und einer grenzenlosen Offenheit, denen sich sorbische und deutsche sowie russische Literaten und Künstler verbunden fühlen. Davon soll auch der heutigen Abend zeugen, an dem einige herausragende Vertreter der sorbischen, aber auch der russischen Poesie- und Musikszene zeigen wollen, dass das Volk der Sorben nicht nur frei und kreativ leben kann und will, sondern auch einen offenen und anspruchsvollen kulturellen Austausch vor allem mit den östlichen und südlichen Nachbarn der Bundesrepublik Deutschland pflegt.

In diesem Sinne braucht die Stiftung für das sorbische Volk, brauchen wir eine minimale beständige Erhöhung der finanziellen staatlichen Hilfen. Und überhaupt ist nicht hinzunehmen, dass der Bund-Länder Stiftung, die sich der Förderung der sorbischen Sprache und Kultur nicht nur im eigenen Land in ihrer Satzung verpflichtet hat, der Etat des kommenden Jahres im Vergleich zum laufenden Jahr um eine Million Euro gekürzt werden soll.

Desgleichen können wir nicht akzeptieren, dass bei dieser Kürzungspolitik freie, auch grenzüberschreitende Projekte, wie wir sie mit unseren Freunden in der Russsichen Föderation, in der tschechischen, polnischen, ukrainischen, slowakischen und serbischen Republik in Gang gesetzt haben, auf der Strecke bleiben. Das soll aber nach den jetzigen Plänen der sorbischen Stiftung mit dem neuen Jahr geschehen. U.a. steht die bereits in Arbeit befindliche russisch-sorbische Anthologie der sorbischen Poesie, die im kommenden Jahr in Moskau erscheinen sollte, vor dem Aus.

Wenn kulturelle und politische Vorurteile gegenüber Nachbarn, Minderheiten und Mehrheiten abgerüstet werden sollen, wenn Einsichten in die Vielfalt der Sprachen und Kulturen sowie Verständnis und Verständigung unter den europäischen Völkern und Volksgruppen wachsen sollen, dann brauchen wir Ansprüche, Partnerschaften und wenigstens eine minimale finanzielle Unterstützung. Nur so lassen sich künftig weitere sorbisch-russische, sorbisch-slawische und sorbisch-deutsche Initiativen und Vorhaben moblisieren und realisieren.

Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen einen unterhaltsamen Abend.

Alfons Lehmann-Wićaz:
Geistig-kulturelle Beziehungen zwischen Sorben und Russen


Uwažajemyj posol Wladimir Grinin, česćeni přitomni, verehrte Damen und Herren!

Über unser kleines slawisches Volk in Deutschland, der Sorben, ist in Russland, leider aber auch in Deutschland, sehr wenig in der Bevölkerung bekannt. Dabei haben wir Sorben vor allem mit den Russen sowie anderen slawischen Völkern viele Gemeinsamkeiten, auch mit dem deutschen Volk.

Im Laufe der Völkerwanderung im 6. Jahrhundert fanden slawische Stämme aus ihrer Urheimat nördlich der Karpaten kommend im Gebiet des heutigen Mitteldeutschlands ihre neue Heimat, darunter zwischen den Flüssen Elbe/Saale und Oder/Bobr/Queis auch die Lusizer und Milzener, die heutigen Nieder- und Obersorben. Mit der Ostexpansion im 10. Jahrhundert durch den ersten deutschen Kaiser Heinrich I. und später durch dessen Sohn Otto I. sowie durch weitere Kriege wurden die slawischen Stämme bis in den 12./13. Jahrhundert ins jeweilige deutsche Staatswesen einbezogen. Im Laufe der Jahrhunderte verschwanden vom Baltikum entlang zwischen Elbe/Saale und Oder/Queis bis in den Süden solche slawischen Stämme wie die Rügenslawen, Obodritten, Polaben und viele weitere, nur die Sorben konnten sich mit eigener Sprache und Kultur erhalten, was eigentlich ein Phänomen ist.

Vor etwa 1150 Jahren, als der erste russische Staat gegründet wurde, soll sich eine erste Verbindung zwischen Russen und den Obodritten ergeben haben. Ich erinnere mich, als mir Ende der 1980er Jahre mein Freund Prof. Dr. Bronislaw Lissin, der damals Direktor des Hauses der sowjetischen Wissenschaft und Kultur in Berlin war, über Rjurik, dem Gründer von Nowgorod, erzählte. Rjurik, so seine These und einiger weiterer Historiker in Russland, soll aus der Gegend um Stargard, im heutigen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, stammen. Er zog später vom Baltikum aus in die Gegend des heutigen Nowgorod. Darüber schreibt Prof. Dr. Lissin auf den Seiten 101 bis 106 in seinem im Jahre 2010 in erschienen Buch „Kadrowaja politika KPSS - Sociologičeskije očerki“ und nennt uns Sorben als Nachfolger vom Rjurik, dem Gründer von Nowgorod. Vielleicht wird sich diese These in der weiteren Geschichtsforschung bekräftigen.

Dieses Beispiel zeigt bereits eine erste Verbundenheit unserer beiden Völker, die sich im Laufe der Jahrhunderte weiter entwickelte. Schon 1697 schrieb der Geistliche und Mitbegründer der obersorbischen Schriftsprache Michał Frencel eine Grußschrift an den russischen Zar Peter I., in dem er als erster Sorbe sich klar und deutlich zur slawischen Gemeinschaft bekannte. Bekannt ist auch, dass die Zarin Katharina II. junge Imkerschüler zur Ausbildung in die Lausitz zu einem der bedeutendsten Bienenzüchter und Bienenforscher Europas, Adam Gottlob Schirach, schickte. Dort hatte der sorbische Geistliche und Bienenforscher 1768 seine erste Lehrimkerei gegründet. Als Erster konnte er nachweisen, dass nicht nur aus dem Ei der Bienenkönigin, sondern experimentell auch möglich ist, aus jedem Bienenei eine Bienenkönigin zu züchten. Er wurde in die Kaiserliche freie ökonomische Gesellschaft zu St. Petersburg aufgenommen.

Hervorzuheben sind die engen Kontakte nach Russland des sorbischen Verlegers und Publizisten, der führenden Persönlichkeit der sorbischen nationalen Bewegung im 19. Jahrhundert, Jan Arnošt Smolers (1816-1884). Er gründete 1854 die Zeitung „Serbske Nowiny“, die noch heute als Tageszeitung in der obersorbischen Sprache erscheint. Smoler reiste 1859 zum ersten Mal nach Russland. Er beteiligte sich 1867 an der ethnografischen Ausstellung in Moskau und übersetzte russische Literatur. Er schrieb 1872 zum Thema „Russland und die Slaven“ in der „Serbske Nowiny“ in mehreren Beiträgen über das geistig-kulturelle Leben in diesem Land und verwies darauf, wie wichtig für die Sorben der Kontakt mit diesem großen slawischen Volk sei. 1873 war er dort zum dritten Mal, um erneut Geldspenden zum Kauf des Grundstückes für das Haus der sorbischen Wissenschaftsgesellschaft Maćica Serbska, die er 1880 mit gründet hat, zu sammeln. Dieses Haus wurde auch mit vielen Spenden der Sorben, aber auch weiterer slawischer und deutscher Freunde erbaut. In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 wurde es zerstört. Brigaden der sorbischen Jugend bauten auf anderer Stelle in Bautzen das neue Haus der Sorben wieder auf, das 1956 feierlich eröffnet wurde.

Erwähnt sei das große Werk des sorbischen Sprachwissenschaftlers Prof. Dr. Arnošt Muka (1854-1932): Das „Wörterbuch der niedersorbischen Sprache und ihrer Dialekte“, welches in der Zeit von 1911 bis 1928 in drei Bänden in Petersburg und Prag herausgegeben wurde. Ohne diese russische und tschechische Hilfe wäre dies nicht möglich gewesen.

Nachdem bereits neben Arnošt Smoler auch der sorbische Geistliche Michał Hórnik (1833-1894), der sich für eine einheitliche sorbische Schrift eingesetzt hatte, vor allem Novellen und Erzählungen Lew Tolstois ins Obersorbische übersetzte und in Medien veröffentlichte, übertrug auch der sorbische Dichter Jakub Bart-Ćišinski (1856-1909), unser Klassiker, einige Puškins Werke ins Sorbische. Weitere Literaten übersetzten kleinere Werke von Lermontow, Krylow, Gogol, Turgenjew und Čechow. In den 20er bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts erschienen in den Zeitungen und Zeitschriften in obersorbischen Übersetzungen Werke russischer Schriftsteller. Zu diesen Übersetzern gehörten u.a. der Schriftsteller und Maler Měrćin Nowak-Njechorński (1900-1990), der die Russischen Beliny übertrug, sowie der Lehrer und Schriftsteller Michał Nawka (1885-1968), der neben Erzählungen auch einige Theaterstücke von Nikolaj Gogol den Sorben zugänglich machte.

Der bekannte russische Slawist Izmail Iwanowič Srjeznewski (1812-1880), der 1848 zum ersten Mal die Lausitz besuchte und dann in ihr mehrmals verweilte, schrieb darüber viele Beiträge. Er bewunderte bereits damals die große Willensstärke des kleinen Volkes, das nach guten Beziehungen zu den anderen Slawen strebe und sich für den Erhalt und die Entwicklung seiner Muttersprache und Kultur engagiere. So schrieb er u. a. 1877 in der Zeitschrift „Łužica“, dass die Sorben ein kluges, gutes und gebildetes Volk sind. „Sie dienen dem Slawentum mit ihren geistigen Kräften.“

Doch diese gute Entwicklung bis in die 1930er Jahre wurde in der Zeit von 1933 bis 1945 von den Nationalsozialisten durch das Verbot der Herausgabe von sorbischen Büchern und Zeitungen sowie durch die Versetzung sorbischer Geistlicher und Lehrer gestoppt. Erst mit der Befreiung durch die Rote Armee wurde den Sorben durch ein Gesetz in Sachsen und Brandenburg die Bewahrung und Förderung deren Muttersprache und Kultur durch Gründung sorbischer Bildungs- und kultureller Einrichtungen ermöglicht. Einige wurden leider nach der politischen Wende geschlossen. Aber die meisten dieser Einrichtungen existieren noch heute und benötigen weiterhin eine entsprechend dienliche finanzielle Förderung durch den Bund sowie den Ländern Sachsen und Brandenburg, ohne dass die Sorben alljährlich als Bittsteller dastehen müssen.

Viele enge Kontakte entstanden zwischen sorbischen Schriftstellern und Sprachwissenschaftlern und russischen Partnern. Im Domowina-Verlag in Bautzen erschienen Bücher mit Werken und Texten bereits bekannter russischer Klassiker des 20. Jahrhunderts wie Paustowski und Scholochow. Besonders herausragend sind die Nachdichtungen von Jessenin, Majakowski und Achmatow durch die sorbischen Dichter Benno Budar, Kito Lorenc und Róža Domašcyna. Zu erwähnen sei, dass auch einige Werke des bereits verstorbenen sorbischen Schriftstellers Jurij Brězan in Russisch erschienen. Er hatte freundschaftliche Beziehungen zu Boris Polewoj und zu anderen russischen Literaten.

Einige russische Schriftsteller besuchten die Sorben, wie u. a. gemeinsam mit Bronislaw Lissin 1988 der bekannte Schriftsteller und Textautor der sowjetischen und der russischen Nationalhymne Sergej Michalkow, mit dem ich auch ein interessantes Interview führen durfte. Er wünschte sich noch engere Beziehungen zwischen sorbischen und russischen Literaten.

Sorbische Lyrik wurde ins Russische übersetzt. So erschien Ende der 1980er Jahre eine kleine Anthologie im Verlag Molodaja Gwardija. Doch wir Sorben übernahmen von unseren russischen Kollegen auch gute Ideen. So erlebte unser Vorsitzender des Sorbischen Künstlerbundes Benedikt Dyrlich 1978 in Michalowskoje und Moskau das große alljährliche Puškin-Fest. Nach diesem Beispiel findet nun in der Lausitz seit 1979 alljährlich das Fest der sorbischen Poesie statt - in diesem Jahr bereits das 35. - an dem schon einige russische Poeten teilnahmen. Im Mai in Moskau und im heutigen musikalisch-lyrischen Programm wirkt auch unser russischer Dichter-Freund Wjačeslaw Kuprijanow mit. Auf dem Gebiet der Musik haben vorallem russische Komponisten sorbische zeitgenössische Musikschaffende ideell beeinflusst, wie z. B. Modest Mussorski den Komponisten Detlef Kobjela oder Igor Strawinski unseren heute hier anwesenden Juro Mětšk.

Das Sorbische Volkstheater und spätere Deutsch-Sorbische Volkstheater in Bautzen führte von 1948 bis in die Gegenwart sorbischsprachige Inszenierungen von Stücken russischer Dramatiker - wie Čechow, Katajew, Afinogenow, Gogol, Schwarz, Rozow, Arbuzow, Ostrowskij, Korostyljow, Wampilow, Chugajew, Gelman, Galin, Prokojew und weiterer - auf. Vor allem hat der jetzt in Pension in Leipzig lebende sorbische Schauspieler und Regieseur Benno Schramm mehrere Inszenierungen russischer Dramatik erfolgreich auf die Bautzener sorbische Berufsbühne gebracht.

Intensive Partnerschaften gab es zwischen dem Institut für sorbische Volksforschung - das sich seit 1990 Sorbisches Institut nennt - während der Sowjetzeit mit Moskauer und Lwower Slawisten. Der Historiker Michail Semirjaga aus Moskau schrieb 1953 und 1955 über die Sorben eine enthografische Monografie und in den 1960er Jahren legte die Sprachwissenschaftlerin Maja Jermakova aus Moskau in der Akademie der Wissenschaften der UdSSR mehrere Bücher und Studien über die Entwicklung der ober- und niedersorbischen Sprache vor. Der heutige Dozent an der Staatlichen humanistischen Universität in Moskau Dr. Sergej Skorwid nahm an mehreren Ferienkursen der sorbischen Sprache teil und spricht unsere Muttersprache. Er gab einige Sammelbände zur Sorabistik heraus. Überhaupt nahmen seit 1967 an den aller zwei Jahre in der Lausitz stattfindenden Ferienkurse bis heute mehr als 30 russische Slawisten teil.

Wir Sorben brauchen die brüderlichen Kontakte mit Russland und den anderen slawischen Länder, denn sie stärken unser sorbisches Nationalbewusstsein, unsere Identität als Volk. Dazu benötigen wir aber auch eine warmherzige Unterstützung Deutschlands. Mögen unsere Moskauer und die heutigen Begegnungen dazu dienen, um neue künstlerische und freundschaftliche Beziehungen aufzunehmen. Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: red | Foto: Sorbischer Künstlerbund
  • Erstellt am 24.11.2013 - 22:39Uhr | Zuletzt geändert am 24.11.2013 - 23:07Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige